Landpartie zum Weihnachtsbraten: Firma Eskildsen ist Sachsens größter Gänseproduzent

Wermsdorf - Wenn's um Weihnachten geht, wünscht der Sachse keine Experimente. Dann muss die Gans auf den Tisch - Tradition verpflichtet! Doch wie geht es unserem liebsten Festtagsbraten eigentlich zu Lebzeiten? Ein Besuch bei Sachsens größtem Gänsezüchter, der Firma Eskildsen im nordsächsischen Wermsdorf ...

Geflügelzüchter Lorenz Eskildsen (59) ist Chef von etwa 75 Mitarbeitern an zwei Standorten. Hier hält er eine weibliche Gans - die männlichen sind etwas schwerer.
Geflügelzüchter Lorenz Eskildsen (59) ist Chef von etwa 75 Mitarbeitern an zwei Standorten. Hier hält er eine weibliche Gans - die männlichen sind etwas schwerer.  © Steffen Füssel

Genau dort und in Königswartha (Lausitz) produziert der Betrieb etwa 400.000 Küken pro Jahr. Mehr als zu DDR-Zeiten - damals stand hier der größte Gänsezuchtbetrieb Europas, wie Chef Lorenz Eskildsen (59) erklärt.

Nach der Wende stieg er, dessen Vater schon Geflügelzüchter war, hier ein. Sein halbes Leben hat der kantige Norddeutsche somit in der sächsischen Provinz zugebracht, und obwohl er sich vor dem harschen Dezemberwind mit einer Steppjacke schützt, ist ihm die zupackende Hemdsärmeligkeit doch anzumerken.

Gleich neben den Freilaufwiesen, unweit der Ställe und vom Wohnhaus der Eskildsens, zieht auf dem Gehöft ein mit Wellblech beschlagenes Gebäude Hunderte Besucher an: der "Wermsdorfer Gänsemarkt".

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Der hält drinnen viel mehr, als er von außen verspricht. Holz und Ziegelwände sorgen für Gemütlichkeit, ein Schaf-Gatter gleich am Eingang gibt das Thema vor - es geht ums "Erlebnis Land". Vor allem aber um die Gans.

Gleich nach der Öffnung um 10 Uhr vormittags bilden sich denn auch rasch zwei Schlangen: eine fürs Mittagessen (Gänsebraten mit Rotkraut und Klößen - 21,95 Euro), die andere für die Gans zum Mitnehmen.

Mitarbeiterin Regina (38) mit frisch gebackenen Gänsekeulen. Die werden in Wermsdorf klassisch mit Rotkraut und Klößen serviert.
Mitarbeiterin Regina (38) mit frisch gebackenen Gänsekeulen. Die werden in Wermsdorf klassisch mit Rotkraut und Klößen serviert.  © Steffen Füssel

400.000 Gänseküken schlüpfen pro Jahr

Sobald ihr Federkleid gegen Kälte (nach 14 Tagen) und Nässe (nach sieben Wochen) ausreichend schützt, genießen die Gänse Freilauf, wann immer sie mögen.
Sobald ihr Federkleid gegen Kälte (nach 14 Tagen) und Nässe (nach sieben Wochen) ausreichend schützt, genießen die Gänse Freilauf, wann immer sie mögen.  © Steffen Füssel

Abends gibt's zum Essen Kabarett oder leichte Unterhaltung. Der Laden brummt! Und doch sei der weihnachtliche Gänsemarkt eher Nebenerwerb, "aus der Leidenschaft entstanden", wie Eskildsen es formuliert.

Beim Kaffee an der Biertisch-Garnitur nennt der Landwirt Zahlen. "Von den 400.000 Gänseküken, die wir im Jahr produzieren, werden 370.000 als Eintagsküken verkauft." In andere Teile Deutschlands, aber auch nach England, Ungarn, Schweden und so weiter.

Die restlichen 30.000 Küken ziehe die Firma an ihren beiden Standorten selbst groß. "22 Wochen wird eine Gans im Schnitt alt", sagt Lorenz Eskildsen. Verglichen mit Hähnchen sehr viel, wie er findet: "Dort sind es gerade mal 28 Tage."

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Auch sonst werde in seiner Firma viel für das Tierwohl getan. Geschlachtet würden die Gänse nur nach einer Betäubung mit Strom, das Stopfen und das "Lebendrupfen" würden sowieso nicht praktiziert.

Anders als zum Beispiel in Frankreich, "wo man das Stopfen zum Landeskulturgut deklariert" habe, weshalb die EU dort ein Auge zudrückt. Auch in Ungarn etwa würden die Gänse zur Herstellung von Gänseleberpastete gestopft - was recht qualvoll ist – und alle sechs Wochen lebendig gerupft (nicht minder quälend).

Viel Spaß bei der Zubereitung: Kundin Helga Klöhn (83) kauft bei Gänsemarkt-Mitarbeiterin Josephine (20) einen Festtagsbraten.
Viel Spaß bei der Zubereitung: Kundin Helga Klöhn (83) kauft bei Gänsemarkt-Mitarbeiterin Josephine (20) einen Festtagsbraten.  © Steffen Füssel

Nur noch selten kommt der Gänsebraten wirklich aus Deutschland

Vom 1. November bis zum 22. Dezember lockt der Wermsdorfer Gänsemarkt täglich Hunderte Besucher an.
Vom 1. November bis zum 22. Dezember lockt der Wermsdorfer Gänsemarkt täglich Hunderte Besucher an.  © Steffen Füssel

Der Verkauf des Gänsefleisches sei daher in diesen Ländern natürlich billiger möglich, argumentiert Eskildsen, der aber gleich klarmacht, dass er unsere strengen Gesetze für richtig hält. "Der anspruchsvolle Käufer weiß um diese Dinge, und davon leben wir", sagt er.

Nicht nur das: Erst im Oktober wurde der gebürtige Schleswig-Holsteiner zum Geflügelzüchter des Jahres gekürt, auch wegen der modernen Ställe, die es in Wermsdorf mittlerweile gibt - Bademöglichkeiten inklusive.

Eskildsen weiß freilich auch, dass der Gänsebraten aus heimischen Landen selten geworden ist. "90 Prozent der Weihnachtsgänse, die in Deutschland gekauft werden, stammen aus dem Ausland", sagt er. Eine Preisfrage, na klar.

Aber auch sonst produziere man eher in einer Nische. Von den 30 Kilogramm Geflügel, die jeder Deutsche statistisch im Jahr isst (Vor-Corona-Zahlen!), entfielen auf die Gans nur 300 Gramm - also gerade mal ein Prozent. Auch deshalb, weil sich der Konsum hauptsächlich auf Weihnachten und den Martinstag konzentriere.

Und wie oft isst Lorenz Eskildsen selbst Gans? "Im Moment vielleicht zwei- bis dreimal die Woche", sagt Sachsens größter Gänsezüchter, der dies aber etwas reduzieren möchte: "Um mir den herrlichen Geschmack zu bewahren", wie er mit einem zufriedenen Lächeln erklärt.

Zubereitungs-Tipp

Als jemand, der selbst schon Hunderttausende Gänse gezüchtet und verkauft hat, hält Lorenz Eskildsen die Zubereitung des Gänsebratens für relativ einfach.

Sein Tipp: Für jedes Kilogramm Gewicht solle die gewürzte Gans eine Stunde lang bei 120 Grad in den Backofen. "Die letzte halbe Stunde kann man dann auf 160 Grad erhöhen", sagt er. Regelmäßiges Einpinseln oder Übergießen hält er für nicht wirklich nötig.

Klingt fast zu einfach, um wahr zu sein ...

Titelfoto: Steffen Füssel

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