Getrübter Ausblick: Wohin steuert Sachsens Arbeitsmarkt 2024?

Chemnitz - Die Zeiten sinkender Arbeitslosenzahlen scheinen in Sachsen in weite Ferne gerückt. Für 2024 rechnen die Fachleute der Bundesagentur für Arbeit stattdessen mit einem weiteren Anstieg.

Im Jahr 2024 werden es wohl noch mehr Menschen sein, die sich arbeitslos melden.
Im Jahr 2024 werden es wohl noch mehr Menschen sein, die sich arbeitslos melden.  © Uwe Meinhold

Sachsens Arbeitsmarkt war 2023 zäh wie Kaugummi. Der sonst übliche Aufschwung im Frühjahr und im Herbst blieb hinter den Erwartungen, im Jahresverlauf ist die Arbeitslosigkeit sogar gestiegen.

Im November waren den letzten veröffentlichten Zahlen zufolge gut 130.000 Menschen arbeitslos gemeldet, 8,2 Prozent mehr als vor einem Jahr. Die Arbeitslosenquote lag bei 6,1 Prozent und damit 0,4 Punkte höher als im November 2022.

Nächstes Jahr dürfte sich der Trend fortsetzen. Nach Prognose des Instituts für Arbeitsmarkt- und Berufsforschung (IAB) wird diese Entwicklung 2024 anhalten.

Chlorgas-Austritt in sächsischer Schule! Lehrer und Schüler verletzt
Sachsen Chlorgas-Austritt in sächsischer Schule! Lehrer und Schüler verletzt

Die Arbeitslosigkeit wird demnach im Jahresdurchschnitt um 1100 auf 131.500 steigen (plus 0,8 Prozent).

Was sind die Gründe?

Aufgrund der Krisen halten viele Bürger ihr Geld zusammen - große Shopping-Trips gibt es seltener. Gift für die Wirtschaft!
Aufgrund der Krisen halten viele Bürger ihr Geld zusammen - große Shopping-Trips gibt es seltener. Gift für die Wirtschaft!  © Markus Scholz/dpa

Die Wirtschaft leide vor allem unter hohen Kosten gerade für Energie sowie einer Kaufzurückhaltung, sagte Hansen. "Für viele Menschen gilt der Spruch: In Krisen muss alles länger halten - Fahrzeug, Möbel, Kleidung."

Für die auf Wachstum getrimmte Wirtschaft sei das Gift. Das spürten besonders Branchen wie das Baugewerbe, Hotels und Gaststätten, Teile des Handels, aber auch das verarbeitende Gewerbe. Die Folge sei Abbau von Personal. Anders als in früheren Krisenzeiten gebe es mit der Demografie aber einen dämpfenden Faktor.

"Unternehmen überlegen dreimal, ob sie einen Mitarbeiter entlassen, weil sie ihn dann nie wiedersehen."

Jobmotor Autoindustrie stottert

Das Zwickauer VW-Werk stellt ausschließlich E-Autos her. Doch weil sich diese nur schleppend verkaufen, leiden Betrieb und Arbeitnehmer.
Das Zwickauer VW-Werk stellt ausschließlich E-Autos her. Doch weil sich diese nur schleppend verkaufen, leiden Betrieb und Arbeitnehmer.  © Uwe Meinhold

Auch über der in Sachsen traditionsreichen Autobranche hängen teils dunkle Wolken. In der Region Zwickau mit der E-Auto-Fabrik von VW leidet sie derzeit unter Absatzschwäche.

An der Fahrzeugproduktion hängen zahlreiche Zulieferfirmen. Und nach dem abrupten Aus der staatlichen Förderung für Elektroautos befürchtet die Branche neues Ungemach.

Das Zuliefernetzwerk AMZ hat jüngst vor weiterem Jobabbau gewarnt. Auch die Gewerkschaft IG Metall spricht von zusätzlicher Unsicherheit für die Beschäftigten.

"Wer als potenzieller Beschäftigter wettbewerbsfähig ist, findet Arbeit", betonte Hansen. Die Autobranche habe in den vergangenen zehn Jahren um mehr als 40 Prozent bei der Beschäftigung zugelegt.

Nach der Transformation hin zu Elektromobilität müsse sie sich nun jedoch einem verstärkten Wettbewerbsdruck stellen durch andere Hersteller etwas aus China, sagte er.

Ausländer schneller in Arbeit bringen

Arbeitsminister Martin Dulig (49, SPD) will mehr Flüchtlinge aus der Ukraine in Arbeit bringen.
Arbeitsminister Martin Dulig (49, SPD) will mehr Flüchtlinge aus der Ukraine in Arbeit bringen.  © Patricia Bartos/dpa

Sachsen hat in den vergangenen Jahren eine Vielzahl Flüchtlinge etwa aus der Ukraine aufgenommen, weitere drängen über die Grenze.

Kritik gibt es daran, dass sie zu lange im Sozialsystem verharren, statt rasch durch Arbeit selbst ihren Lebensunterhalt zu verdienen. Viele wöllten arbeiten, betonte Arbeitsminister Martin Dulig (49, SPD).

"Aber wir haben den Vermittlungsturbo erst sehr spät angeworfen." Vor allem kleinere Unternehmen seien oft überfordert mit den Herausforderungen bei der Beschäftigung ausländischer Arbeitnehmer.

Hierbei sei Sachsen Anfänger, sagte Hansen. "Wir werden aber dauerhaft lernen müssen, damit umzugehen." Der Anteil ausländischer Arbeitnehmer ist stetig gewachsen von 1 Prozent 2009 auf inzwischen fast 8 Prozent. Um Geflüchtete schneller in Arbeit zu bringen, müssten die Unternehmen mitziehen.

"Sie müssen diesen Menschen Landeplätze bieten, auch wenn sie noch keine Deutschkenntnisse auf Goethe-Niveau haben." Künftig soll das berufsbezogene Lernen der Sprache stärker parallel zur Arbeit organisiert werden statt vor dem Start des Jobs.

Weiterhin Fachkräftemangel

In vielen Bereichen fehlen Fachkräfte. In den kommenden Jahren gehen zahlreiche Arbeitnehmer in Rente - junge Leute werden dringend gesucht. (Symbolbild)
In vielen Bereichen fehlen Fachkräfte. In den kommenden Jahren gehen zahlreiche Arbeitnehmer in Rente - junge Leute werden dringend gesucht. (Symbolbild)  © Sven Hoppe/dpa

Der Mangel an Fachkräften wird für viele sächsische Unternehmen in den kommenden Jahren ein Problem bleiben.

"Trotz wirtschaftlich schwieriger Zeiten fehlen uns in den nächsten zehn Jahren 400.000 Menschen, weil sie in Rente gehen und keine jungen Leute nachkommen", sagte Dulig.

Um die Lücke zu schließen, müsse einerseits in junge Menschen investiert werden, damit weniger von ihnen ohne Abschluss dastehen.

Andererseits müsse Automatisierung, Digitalisierung und die Nutzung künstlicher Intelligenz in der Wirtschaft forciert werden. Aber auch Zuwanderung sei für Sachsens Unternehmen unverzichtbar.

Mehr sozialversicherungspflichtige Jobs

Doch nicht nur die Arbeitslosigkeit ist hierzulande gestiegen. Es gibt auch mehr sozialversicherungspflichtige Beschäftigung - und damit Menschen, die in die Sozialsysteme einzahlen.

Lag die Zahl 2005 noch bei 1,33 Millionen Beschäftigten, betrug sie zuletzt mehr als 1,65 Millionen, sagte Hansen.

Für 2024 rechnen die Experten des IAB mit einem weiteren Anstieg um 0,4 Prozent im Jahresdurchschnitt.

Titelfoto: Uwe Meinhold, Patricia Bartos/dpa

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