Hemmschwelle sinkt: Gewalt an Sachsens Schulen steigt

Dresden - Prügeleien auf dem Schulhof, Beleidigungen und Bedrohungen - die öffentlichen Schulen in Sachsen melden mehr Vorfälle dieser Art als noch vor der Corona-Pandemie.

Sächsische Schulen entscheiden eigenständig, ob sie Vorfälle im Zusammenhang mit Gewalt melden oder nicht. (Symbolbild)
Sächsische Schulen entscheiden eigenständig, ob sie Vorfälle im Zusammenhang mit Gewalt melden oder nicht. (Symbolbild)  © 123RF/lopolo

So wurden von Januar bis März dieses Jahres 286 Vorkommnisse registriert, wie das Kultusministerium mitteilte. Im Vergleichszeitraum 2019 meldeten die Schulen noch 152 Fälle, die den "Schulbetrieb in erheblichem Maße negativ beeinträchtigen".

Eine genaue Statistik zu Gewalt an Schulen wird nach Ministeriumsangaben nicht geführt, jedoch sind die Schulen dazu aufgerufen, besondere Vorfälle zu melden. Somit verfügt jede Schule über einen gewissen Spielraum, ob sie einen Vorfall meldet oder nicht. Dennoch lassen sich gewisse Trends ablesen, hieß es.

Allein in 80 Fällen kam es Anfang 2023 an Sachsens Schulen zu körperlicher oder verbaler Gewalt - vor allem bei Schülerinnen und Schülern untereinander. Aber auch von Eltern, Angehörigen oder Menschen von außerhalb der Schule ging Gewalt aus.

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"Man kann also sagen, dass die Anzahl an Vorkommnissen mit sprachlicher und körperlicher Gewalt zugenommen hat, und zwar in allen Schularten", so Ministeriumssprecher Dirk Reelfs. "Wir müssen hier als gesamte Gesellschaft schnell gegensteuern."

Lehrer brauchen mehr Zeit für Schüler

Dirk Reelfs, der Sprecher des Kultusministeriums, fordert gesellschaftliche Gegenmaßnahmen.
Dirk Reelfs, der Sprecher des Kultusministeriums, fordert gesellschaftliche Gegenmaßnahmen.  © Ove Landgraf

Unter anderem Schulsozialarbeiter und Schulpsychologen sollen helfen, das Problem einzudämmen.

Mit dem Doppelhaushalt 2023/24 wurde die Zahl der Schulpsychologen von 58 auf derzeit 109 nahezu verdoppelt. Für 2024 sind in Sachsen laut Sozialministerium 37,2 Millionen Euro für die Schulsozialarbeit vorgesehen - 1,2 Millionen Euro mehr als in diesem Jahr.

Laut Sächsischem Lehrerverband ist das für die rund 1400 öffentlichen Schulen im Freistaat dennoch zu wenig. "Selbst wenn die Fachkräfte nur an Brennpunktschulen im Einsatz wären", so der stellvertretende Landesvorsitzende René Michel.

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Die Lehrkräfte wünschten sich mehr Unterstützung bei dem Thema - etwa einen Leitfaden bei Gewaltvorfällen, der Richtlinien gibt, wie in welcher Situation zu handeln ist. Vor allem aber mehr Zeit. Dazu zählt eine Klassenleiterstunde, die auch im Koalitionsvertrag versprochen wurde.

Hängen Aggressionen mit veränderter politischer Gesamtsituation zusammen?

Das Klima in der Familie kann Einfluss darauf haben, ob Schüler gewalttätig werden. (Symbolbild)
Das Klima in der Familie kann Einfluss darauf haben, ob Schüler gewalttätig werden. (Symbolbild)  © 123RF/rawpixel

Auch der Lehrerverband nimmt steigende verbale und körperliche Gewalt an den Schulen wahr, laut Michel auch im Zusammenhang mit Rechtsextremismus. So gab es etwa an den Oberschulen im Freistaat im vergangenen Schuljahr 53 besondere Vorkommnisse im Zusammenhang mit politischem oder religiösem Extremismus.

"Nach meinem Dafürhalten sinkt die Hemmschwelle, Gewalt als probates Mittel der Konfliktlösung zu sehen, sowohl bei Schülerinnen und Schülern als auch bei deren Eltern."

Der Dresdner Schulforscher Wolfgang Melzer sieht eine ganze Reihe von Faktoren, die zusammen mit bestimmten Persönlichkeitseigenschaften zu Verhaltensproblemen bei Schülerinnen und Schülern führen können. Der Wissenschaftler nennt ein negatives Familienklima, einen exzessiven Konsum von Gewalt-Medien sowie das Schulklima allgemein.

Einen weiteren Ansatz sieht Melzer in einer veränderten politischen Gesamtsituation - Probleme infolge von Corona, ökonomische Schwierigkeiten, internationale Konflikte. Das schüre möglicherweise Ängste und lasse Aggressionen wachsen.

Titelfoto: 123RF/lopolo

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