Deshalb stehen diese parteilosen Kommunalpolitiker zur Wahl

Dresden - Es braucht längst kein Parteibuch mehr, um Politik zu machen. Bei den Kommunalwahlen bewerben sich Tausende Kandidaten, die keiner Partei angehören.

Ohne sie gäbe es in vielen Wahlkreisen gar nicht genügend Bewerber. Die Parteien freuen sich über "frischen Wind" in Stadt-, Ortschaftsräten sowie Kreistagen.

Die Parteilosen wiederum schätzen es, mitgestalten zu können, ohne klassische Parteiarbeit machen zu müssen, an jedem Treffen teilzunehmen.

Die FPD schätzt, dass etwa die Hälfte ihrer 1.500 Kandidaten parteilos sind. Gleiches gilt für die 7.000 Bewerber der CDU. Bei der SPD sind vom insgesamt 1.272 Kandidaten 127 ohne Parteibuch. Mehrheitlich parteilos sind die Kandidaten der Freien Wähler.

Die Linke schätzt ihren Anteil auf bis 15 Prozent. So auch die AfD. Die Grünen konnten es nicht sagen.

Darum will ich jetzt Politik machen!

Steffen John (47).
Steffen John (47).  © Thomas Türpe

Unternehmer Steffen John (47), verheiratet (2 Kinder), kandidiert erstmals bei der Stadtratswahl in Bischofswerda (Landkreis Bautzen) für die FDP.

"Ich trete erstmals an, um meine Heimatstadt Bischofswerda mitzugestalten. Vor allem will ich die Innenstadt wirtschaftlich wiederbeleben."

"So würde versuchen, bürokratische Hürden zu senken oder neue Anreize für Händler zu setzen. Als Unternehmer und Inhaber von 'Little John Bikes' mit 29 Filialen bringe ich Erfahrungen mit, kenne viele Probleme. Erfahrungen oder Affinität zur Politik habe ich nicht. Aber mein Vater ist jetzt 70 Jahre alt geworden, sitzt auch als parteiloser im Stadtrat."

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"Er möchte aber jetzt ausscheiden, meinte, jetzt ist die zweite Generation dran. Da alleine antreten schwierig ist, trete ich für die FDP an, mit deren Grundsätzen ich mich am ehesten identifizieren kann."

Elke Neumann (45).
Elke Neumann (45).  © Ove Landgraf

Elke Neumann (45), Erzieherin, alleinerziehende Mutter (1 Kind), kandidiert erstmals bei der Stadtratswahl in Pirna für die SPD.

"Ich arbeite den ganzen Tag mit Kindern. Da erlebe ich leider, dass nicht alle die gleichen Zukunfts-Chancen haben."

"So sind etwa Kinder von Alleinerziehenden im Nachteil. Etwa wenn Mutter oder Vater arbeiten müssen, der familiäre Rückhalt nicht gegeben ist, fehlt zwangsläufig oft die Zeit fürs Kind. Ich trete auch dafür an, dass Bildungschancen keine Sache von Geld oder Stand sind."

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"So würde ich gerne mehr Erzieher und Sozialarbeiter in Schulen oder Horte bringen. Die können die Kinder bei den Hausaufgaben unterstützen oder auch später bei Berufsvorbereitung helfen. Bislang kommt das viel zu kurz oder findet gar nicht statt."

Marije Hectors (30).
Marije Hectors (30).  © Sven Gleisberg

Marije Hectors (30), Geologie-Technikerin, ledig, kandidiert erstmals bei der Stadtratswahl in Freiberg (Landkreis Mittelsachsen) für die Linke.

"Ich war schon als sachkundige Einwohnerin für die Linke im Kulturausschuss der Stadt. Dann hat mich die Partei gefragt, ob ich richtig mitmachen will. Und ich habe Ja gesagt."

"Denn es gibt viele Sachen, die nicht schön sind. So sollte Bildung kostenlos und für alle gleich zugänglich sein. Ich will erreichen, dass das letzte Kita-Jahr, wo die Kinder auch auf die Schule vorbereitet werden, kostenlos wird. Vor allem, um Alleinerziehende und Geringverdiener zu entlasten."

"Manche Eltern lassen ihre Kinder leider aus finanziellen Gründen zu Hause. Das können wir auf kommunaler Eben ändern."

Uwe Ahrendt (50).
Uwe Ahrendt (50).  © Steffen Füssel

Uwe Ahrendt (50), Geschäftsführer (Uhrenhersteller Nomos Glashütte), verheiratet (drei Kinder), kandidiert bei der Stadtratswahl, Kreistagswahl und Ortschaftsratswahl in Glashütte erstmals für die Grünen.

"Ich kandidiere parteilos für die CDU schon seit 1999, unser damaliger Bürgermeister wollte mehr junge Menschen in der Politik. Erstmals nun für die Grünen, denn sie zeigen für mich u.a. auch die klarste Kante gegen Populismus und Intoleranz."

"Denn dass 2017 fast 40 Prozent die AfD gewählt haben, macht mir Sorgen: Unser weltberühmtes Glashütte braucht Weltoffenheit und Austausch wie ein Fisch das Wasser. 1989 sind wir Sachsen für Freiheit, Demokratie und gegen Umweltverschmutzung auf die Straße gegangen. Dies müssen wir bewahren!"

Wir müssen ins Gespräch kommen. Dafür brauchen wir in Glashütte Orte: Kneipen, Kultur. Mehr Austausch, mehr Freude. Kleiner Anfang: Ich habe die leere Kirche gekauft. Für Konzerte, Party usw. Ein lebendiges Glashütte inmitten intakter Natur, eine selbstbewusste, weltoffene Stadt – wäre doch schön!"

Olaf Schumann (57).
Olaf Schumann (57).  © Steffen Füssel

Olaf Schumann (57), Kommunikationsberater, verheiratet (2 Kinder), kandidiert erstmals bei der Stadtratswahl in Dresden für die Freien Wähler.

"Mein Einstieg in die Politik erfolgte quasi nicht ganz freiwillig. Ich habe einfach das Gefühl, es geht so nicht weiter. Dass ich mich einmischen muss, meine Komfortzone verlassen. Auslöser war der Umgang der etablierten Parteien mit PEGIDA."

"Sie bekämpfen nur die Symptome, nicht die Ursache - die fehlende Bürgernähe. Die ist mir am wichtigsten. Nicht die Leute vergessen. Darum fühle ich mich auch den freien Wählern nahe. Sie sind ein bunter Haufen, eine Wählervereinigung. Wir wollen Politik von unten nach oben machen."

"So haben wir das Bürgerbeteiligungs-Tool 'BürgerAktiv' gestartet, in dem die Leute ihre Kommentare zu anstehenden politischen Entscheidungen einbringen können."

David Storl (28).
David Storl (28).  © Ralf Seegers

David Storl (28), Kugelstoß-Weltmeister und Bundespolizist, verheiratet (2 Kinder), kandidiert erstmals bei der Stadtratswahl in Markkleeberg (Landkreis Leipzig) für die CDU.

"Ich bin vor zwei Jahren mit meiner Familie von Leipzig nach Markkleeberg gezogen. Wir haben uns gut eingelebt, fühlen uns sehr wohl. Als Leistungssportler habe ich eine elitäre Ausbildung genossen."

"Ich bin bekennender Sachse und sehe es als meine Pflicht an, der Region, in der ich lebe, etwas zurückzugeben. Die meisten Menschen unterschätzen Kommunalpolitik. Doch gerade da kann man was bewirken. Ich komme aus dem Sport, will meine Erfahrungen einbringen."

Durch den Schulsportunterricht meiner Tochter bekomme ich auch einiges mit. Sportstätten würde ich gerne ausbauen. Für die CDU kandidiere ich, weil ich mich deren Denkweisen und Zielen am nächsten fühle."

René Seyfried (43).
René Seyfried (43).  © Holm Helis

René Seyfried (43), Unternehmer, geschieden, in neuer Partnerschaft, (4 Kinder), kandidiert erstmals bei der Stadtratswahl in Freital (Landkreis Sächsische Schweiz-Osterzgebirge) für die AfD. Ist in der rechten Szene bekannt, sympathisiert mit Mitgliedern der terroristischen Gruppe Freital, warb intern für Demos vorm Flüchtlingsheim zur Provokation, damit es dort "knallt".

"Ich bin sehr an Politik interessiert, seit 2015 in der 'Bürgerinitiative Freital' aktiv. Viele Leute schimpfen ja nur im Hintergrund, trauen sich nicht, was zu sagen. Ich bin einer, der keine Angst hat. Auch ich meckere gerne. Aber ich will selbst etwas tun."

Es geht mir darum, den schlechten Ruf unserer Stadt zu verbessern. Für mich als gebürtigen Freitaler ist sie eine der schönsten Städte und deshalb möchte ich Politik im Sinne der Freitaler Bürger gemeinsam mit ihnen gestalten. Ich würde die Stadt familien- und kinderfreundlicher machen, Kita- und Hortgebühren senken."

"Auch das Ehrenamt sollte stärker gefördert werden. Da ich selbst seit über 25 Jahren als Fußballtrainer im Kinder- und Jugendsport aktiv bin, habe ich da einige Erfahrungen gesammelt."

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