Lausitz in der Krise: Verpufft der Strukturwandel?
Dresden/Weißwasser - Vor der Wende galt die Oberlausitz als industrielle Herzkammer der DDR. Hunderttausende Menschen schafften in der Braunkohleförderung und den Zulieferindustrien. Doch diese Zeiten sind längst vorbei. Besonders leidet darunter die Lausitz-Stadt Weißwasser. Geht der viel beschworene Strukturwandel an ihr vorbei?

Seit nunmehr 30 Jahren kämpfen die Gemeinden in der Region um jeden Jugendlichen, der bleiben, und jedes Unternehmen, das kommen möchte. "Zunächst finden sie alles super, die Kindergärten, die Vereinsstruktur, die Verwaltung, bei der man schnell einen Termin bekommt", so Torsten Pötzsch (51, parteilos).
Doch den Bürgermeister von Weißwasser ärgert die schlechte Erreichbarkeit seiner Kommune. "Die sagen auch: Eine Viertelstunde Fahrt bis zur Autobahn geht gerade noch, aber eine Dreiviertelstunde nicht. Das ist für uns der K.o."
Die Kleinstadt liegt am östlichen Rand Sachsens - dort, wo immer mehr Wölfe leben. Und die Verhältnisse verschieben sich weiter zugunsten der Waldbewohner: 1988, also vor der Wende, lebten in Weißwasser noch 40.000 Menschen.
Drei Jahrzehnte später sind es nur noch 15.000. Rund 6000 Wohnungen wurden schon abgerissen.


Bürgermeister Pötzsch gibt nicht auf

Die Ursache für diesen Rückgang liegt im Umbruch der Nachwendezeit. Mit dem Übergang von der Plan- zur Marktwirtschaft mussten Betriebe in der Braunkohle, Textil- oder Glasindustrie den Großteil ihrer Mitarbeiter entlassen - oder wurden dichtgemacht.
"Die Zahl der Beschäftigten in der Kohle schrumpfte von 80.000 Personen zum Ende der DDR auf weniger als 8000 Personen Mitte der 90er-Jahre", erklärt der Dresdner Ökonom Joachim Ragnitz (62). Viele ehemalige Arbeiter und deren Familien haben die Lausitz seitdem verlassen.
Doch Bürgermeister Pötzsch gibt nicht auf. "Man muss sich immer wieder neu erfinden", sagt der trotzige Lockenkopf, der in seiner Freizeit als DJ auflegt. Hoffnung setzt er auf den Ausbau des Schienennetzes und die Bundeswehr, die ein Regiment ansiedeln will.
"Wir sind viel Lärm und Staub auch vom Tagebau gewöhnt. Die Leute sind hart im Nehmen. Wenn es schon knallt, sollen die Soldaten wenigstens auch in Weißwasser wohnen."
Titelfoto: Bildmontage: Sebastian Kahnert/dpa/