Neues Gutachten: Polen-Tagebau zieht Zittau den Boden unter den Füßen weg

Zittau - Den Zittauern rutscht der Boden unter den Füßen weg. Einer aktuellen Studie des Hydrologen Sylwester Krasnicki zufolge führt der polnische Tagebau Turów in der sächsischen Grenzstadt zu Bodensetzungen und damit zu Schäden an der Bausubstanz. Zudem befürchtet der polnische Experte massive Umweltschäden, vor allem beim Grundwasser.

Der Tagebau Turów mit dem dazugehörigen Kraftwerk im Hintergrund. Da sich die Kohlebagger hier 300 Meter tief in den Boden fressen, läuft das Grundwasser in Sachsen ab, was zu Bodensetzungen führt.
Der Tagebau Turów mit dem dazugehörigen Kraftwerk im Hintergrund. Da sich die Kohlebagger hier 300 Meter tief in den Boden fressen, läuft das Grundwasser in Sachsen ab, was zu Bodensetzungen führt.  © picture alliance / NurPhoto

Henry Smala (67) hat in den vergangenen Jahren nahezu jeden ersparten Euro in die Sanierung seines Zittauer Altstadthauses investiert. "Immer wieder bilden sich Risse im Mauerwerk", erzählt der pensionierte Heizungsbauer.

Seit vier Jahren senke sich der Boden unter dem 250 Jahre alten Gebäude immer weiter ab. Auch durch die Fassade des Nachbarhauses ziehen sich Risse. Das sei alles die Folge des Bergbaus im etwa vier Kilometer entfernten Turów, ist sich Smala sicher.

Und seine Annahme wird nun wissenschaftlich gestützt - durch ein neues Gutachten, das der polnische Hydrologe Krasnicki im Auftrag des Bundes für Umwelt und Naturschutz (BUND), Greenpeace Tschechien und weiterer Umweltinitiativen anfertigte.

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Dessen Kernaussagen: Durch den Tagebau Turów fließt das tiefe Grundwasser nach Polen ab, was zu einer Absenkung der Landoberfläche in Zittau führt.

Zudem würden durch die Grubenentwässerung zahlreiche Schadstoffe freigesetzt, die in die Flüsse Miedzianka und Lausitzer Neiße gelangen - und auch in das Grundwasser.

Zittauer fühlen sich vom Bürgermeister im Stich gelassen

Ein großer Horizontalriss zieht sich durch das Mauerwerk dieses Hauses an der Zittauer Franz-Könitzer-Straße: Rentner Henry Smala (67) sorgt sich um die Altstadtgebäude in Zittau.
Ein großer Horizontalriss zieht sich durch das Mauerwerk dieses Hauses an der Zittauer Franz-Könitzer-Straße: Rentner Henry Smala (67) sorgt sich um die Altstadtgebäude in Zittau.  © Steffen Füssel

Während die Auftraggeber der Studie als Konsequenz ein Ende des Kohleabbaus in Turów fordern, geht die Zittauer Stadtverwaltung auf Tauchstation.

Fragen von TAG24, welche Schlüsse er aus der Studie für sein weiteres Handeln zieht, ließ OB Thomas Zenker (47, parteilos) ebenso unbeantwortet wie jene nach dem bisherigen Schadensumfang an der Zittauer Bausubstanz.

Eine Erfahrung, die auch Hausbesitzer Smala machen musste. "Der Bürgermeister kennt unser Problem, hat sich hier aber bisher nicht blicken lassen." Dabei hat die Stadt im November beim zuständigen Verwaltungsgericht in Warschau selbst Klage eingereicht.

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Nicht gegen den Kohleabbau in Turów - aber gegen die von den polnischen Behörden durchgeführte Umweltverträglichkeitsprüfung, auf deren Grundlage der Tagebau bis 2044 weitergeführt werden kann. Aus Sicht der Zittauer lief das Verfahren nicht korrekt.

Welche Bedeutung die neue Studie im Rechtsstreit haben kann - auch dazu äußert sich OB Zenker nicht. In einem Interview kürzlich mit dem Deutschlandfunk ließ der Stadtchef allerdings anklingen, dass er um sein gutes Verhältnis zum Bürgermeister der polnischen Nachbarstadt Bogatynia fürchtet ...

Hydrologe Krasnicki schlägt im Gutachten übrigens vor, die 1997 am Tagebau Turów in den Boden gerammte Dichtwand deutlich zu erweitern, um den Abfluss des Grundwassers aus Sachsen zu minimieren. Das könnte zumindest die Schäden an der Zittauer Bausubstanz begrenzen.

Titelfoto: picture alliance / NurPhoto

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