Querschnittgelähmt vom Fichtelberg bis Kap Arkona: Mit seinem Handicap geht er auf Tour

Sachsen - Veit Riffer (53) hat als Bergsteiger das Glück auf den Gipfeln des Elbsandsteingebirges gesucht und gefunden. Er blühte auf, wenn es galt, schwere Felswände und Risse zu meistern. Ein Kletterunfall stoppte 1999 jäh seine Höhenflüge. Seither ist der Pirnaer querschnittgelähmt und sitzt im Rollstuhl. Dieses Schicksal bremst seinen Tatendrang und Lebenshunger aber nicht aus. Mit dem Handbike geht er jetzt auf große Tour. Sein jüngster Coup: ein Trip vom Fichtelberg zum Kap Arkona - nonstop am vergangenen Wochenende.

Veit Riffer (53) ist seit einem Kletterunfall querschnittgelähmt. Er hadert nicht mit seinem Schicksal, sondern lebt aktiv seine Träume.
Veit Riffer (53) ist seit einem Kletterunfall querschnittgelähmt. Er hadert nicht mit seinem Schicksal, sondern lebt aktiv seine Träume.  © Eric Münch

"Ich möchte nicht, dass man mich 'behindert' nennt. Okay, ich habe ein Handicap. Aber deswegen gebe ich nicht auf. Das war für mich niemals eine Option", stellt Veit kämpferisch klar.

Dann beginnt er mit strahlenden Augen und voller Begeisterung von seinem Projekt "Fichkona" mit Christiane und Andreas aus Kreischa und Lád'a aus Tschechien zu berichten: "Wir sind am Sonnabend um 4.15 Uhr in der Frühe auf dem Fichtelberg gestartet. Christiane und Lád'a begleiteten mich auf dem Rennrad und Andreas uns mit dem Auto."

Die Kilometer bis Eilenburg liefen nach Plan.

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Doch dann setzte die schwüle Gluthitze mit Temperaturen bis 37 Grad Celsius den Handbiker fast außer Gefecht. "Rollifahrer kennen das. Zum Wärmeausgleich, etwa durch Schwitzen, steht einem nur der nichtgelähmte Körper zur Verfügung - bei mir also nur alles oberhalb des Bauches. Das hat für diesen Moment einfach nicht gereicht", so der Diplom-Wirtschaftsinformatiker. Er lief im wahrsten Sinne des Wortes "heiß" und brach mit seiner Leistung ein.

Veit Riffer: "Ich war sprachlos und unglaublich gerührt"

Start vor Sonnenaufgang auf dem Gipfel des Fichtelbergs. Christiane und Lád'a begleiteten auf dem Rennrad Veit bei seiner Nonstop-Tour mit dem Handbike zum Kap Arkona.
Start vor Sonnenaufgang auf dem Gipfel des Fichtelbergs. Christiane und Lád'a begleiteten auf dem Rennrad Veit bei seiner Nonstop-Tour mit dem Handbike zum Kap Arkona.  © privat

Sowohl an diesem Tag, als auch am Sonntagnachmittag, stand er kurz davor zu kapitulieren.

Veit: "Ich wollte keinesfalls meinen Begleitern ihren sonst sicheren Erfolg zunichte machen." Doch vor allem Christiane bewahrte kühlen Kopf. Veit schaffte es dank ihrer Motivation weiterzufahren und erlebte kurz nach Mitternacht am Sonntag eine Überraschung. In der Pause am Straßenrand servierte die Kameradin ihm zum Geburtstag einen Kuchen samt Kerze und Schlagsahne.

Der Pirnaer gesteht: "Ich war sprachlos und unglaublich gerührt."

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Über die Berge und Ausläufer des Erzgebirges, durch die leicht hügelige Dübener Heide, durch Lutherstadt Wittenberg, schnurgerade nach Potsdam, dann über die langen mecklenburgischen Alleen und fast bis ans Meer blieb das Trio zusammen, traf sich immer wieder zu verabredeten Pausen.

Veit dankbar: "Dass Christiane und Lád'a manchmal wegen mir fast eine Stunde pausierten, machte es für sie gewiss nicht leichter - half mir jedoch enorm."

Veit schaut nach vorn - niemals zurück

Das Ziel: Kap Arkona auf der nordöstlichen Spitze der Insel Rügen.
Das Ziel: Kap Arkona auf der nordöstlichen Spitze der Insel Rügen.  © Imago Images / Hans Blossey

Am 21. Juni um 3.40 Uhr kurbelte Veit sich den letzten Anstieg zum Leuchtturm am Kap hinauf. Nach 616 Kilometern und 2 730 Höhenmetern war er in 47 Stunden, 45 Minuten und 26 Sekunden (mit Zwischenstopps) am Ziel angelangt. Sein Herz hüpft vor Freude: "Ich glaube nicht, dass ich eine solche Aktion noch einmal erleben werde."

Was motiviert einen Menschen zu solchen Leistungen?

Veit schaut nach vorn - niemals zurück. Der Junggeselle: "Ich mag Herausforderungen und Ziele, die ich mir erkämpfen muss. Ich kann mich über Erreichtes nur echt freuen, wenn ich es aus eigener Kraft geschafft habe. Dafür arbeite ich beharrlich und kann mit meinem Bike kurbeln wie ein Hamster in einem Laufrad."

Mit dem, was er tut, will der IT-Sicherheitsexperte kein Vorbild als Extremsportler sein. Eher ein Motivator - für Menschen mit und ohne Handicap. Sein persönliches Motto: Der stärkste Muskel beim Sport ist das Hirn.

Tipps und Tricks für andere Rolli-Fahrer

Veit Riffer in seinem Wohnzimmer über den Dächern von Pirna. Er fährt mit seinem Handbike gern "lange Kanten" und hat so auch schon viele Alpenpässe bezwungen.
Veit Riffer in seinem Wohnzimmer über den Dächern von Pirna. Er fährt mit seinem Handbike gern "lange Kanten" und hat so auch schon viele Alpenpässe bezwungen.  © Eric Münch

Im 100-Kilometer-Umkreis von Pirna kennt Veit Riffer mittlerweile jeden Steg und Weg. Er teilt sein Wissen um gute Rad- und barrierefreie Wege gern. Im Internet betreibt er einen Handbike-Blog.

Auf der Homepage des Tourismusverbandes Sächsische Schweiz finden sich Tipps von ihm für Rollstuhlfahrer, die das Gebirge kennenlernen wollen.

"Ich bin glücklich mit Handicap und will von meiner Lebensfreude und Erfahrung etwas abgeben. Schließlich ist geteilte Freude doppelte Freude", sagt er.

Seine Trainingskilometer spult Veit sehr oft alleine runter. Er kennt keine Angst und unlösbare Aufgaben. Veit: "Ich habe immer einen Plan B für alle Fälle, sowie Werk- und Flickzeug parat."

Auf Menschen zugehen ist seine Stärke.

Dank seiner Sprachkenntnisse besitzt er auch im Nachbarland Tschechien einen großen Freundeskreis. Sein inniger Wunsch: "Ich spüre, dass viele Menschen sehr unsicher sind im Umgang mit Menschen im Rollstuhl. Manche gehen Rolli-Fahrern sogar aus dem Weg, weil sie glauben, sie könnten etwas Falsches tun oder sagen. Das ist unendlich schade. Mehr Austausch und Miteinander täte unserer Gesellschaft gut."

Pause abseits der Strecke. Veit und Christiane tanken Kraft und freuen sich, dass Christianes Mann Andreas sie mit einem Bus begleitet und versorgt.
Pause abseits der Strecke. Veit und Christiane tanken Kraft und freuen sich, dass Christianes Mann Andreas sie mit einem Bus begleitet und versorgt.  © privat
Veit hatte am Sonntag auf der Tour Geburtstag. Das wurde natürlich gefeiert. Christiane überraschte ihn dabei in der Nacht mit einem Kuchen, einer Kerze und Schlagsahne.
Veit hatte am Sonntag auf der Tour Geburtstag. Das wurde natürlich gefeiert. Christiane überraschte ihn dabei in der Nacht mit einem Kuchen, einer Kerze und Schlagsahne.  © privat
Ein Kleinbus voller Ausrüstung und Proviant: Auch die Organisation der Logistik solch einer Unternehmung ist kein Pappenstiel. Als Quartett planten die Freunde alles privat und gemeinsam.
Ein Kleinbus voller Ausrüstung und Proviant: Auch die Organisation der Logistik solch einer Unternehmung ist kein Pappenstiel. Als Quartett planten die Freunde alles privat und gemeinsam.  © privat
Erinnerungsfoto am Ziel: Ausgeruht nach einer kurzen Nacht besuchten die Freunde am Montag den Schinkelturm am Kap Arkona.
Erinnerungsfoto am Ziel: Ausgeruht nach einer kurzen Nacht besuchten die Freunde am Montag den Schinkelturm am Kap Arkona.  © privat

Radklassiker "Fichkona" - ein Highlight des Ostens

Das Logo des "Fichkona", des Radklassikers aus dem Osten.
Das Logo des "Fichkona", des Radklassikers aus dem Osten.  © Fichkona / PR


Der "Fichkona" zählt zu den Radklassikern des Ostens.

Der Ultra-Radmarathon startet auf dem Gipfel dem höchsten Berg Sachsens und endet auf der Insel Rügen - am Leuchtturm, dem fast nördlichsten Punkt der Insel. Vom Fichtelberg (1214 m) zum Kap Arkona (30 m) brettern, heißt einmal von Süd nach Nord durch die einstige DDR zu fahren. Seit 1998 nehmen sich alljährlich ambitionierte Radler diese Strecke vor - innerhalb von 24 Stunden legen sie die gut 601 Kilometer im Sattel zurück.

Infos: www.fichkona-sports.de

Titelfoto: Eric Münch

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