Sächsisch bekommt einen eigenen Duden!

Dresden - Was haben Eisbären und Sächsisch gemeinsam? Beide sind vom Aussterben bedroht! Denn Sächsisch hat es immer schwerer. Laut einer Allensbach-Umfrage ist es der unbeliebteste Dialekt in Deutschland, gefolgt vom norddeutschen Plattdeutsch. Aber jetzt bekommt der sächsische Dialekt einen eigenen offiziellen Duden. Damit der Dialekt nicht ausstirbt. Wie wollen das die zwei Autoren schaffen? Und was waren noch mal die mit einem Preis ausgezeichneten sächsischen Worte der vergangenen Jahre?

Verfassen derzeit für ein "branchenübliches Honorar" den sächsischen Duden: Journalist Dr. Peter Ufer (59, l.) und Kabarettist Gunter Böhnke (79).
Verfassen derzeit für ein "branchenübliches Honorar" den sächsischen Duden: Journalist Dr. Peter Ufer (59, l.) und Kabarettist Gunter Böhnke (79).  © Robert Jentzsch | rjphoto.de

Zwei Ur-Sachsen haben das Angebot der Duden-Redaktion in Berlin angenommen, einen Sachsen-Duden zu schreiben. Das Duo aus dem Kultkabarettisten Gunter Böhnke (79) von den Leipziger "academixern" und dem Journalisten Dr. Peter Ufer (59) hat sich der Rettung der sächsischen Mundart verschrieben.

"Sächsisch war zu Goethes Zeiten sogar einmal die geachtetste Sprache in Deutschland", weiß Böhnke. Doch das ist lange her. Böhnke muss zugeben: "Meine Enkel sprechen kein Sächsisch mehr."

Heute führt die Mundart bei Umfragen das Feld von hinten an. "Dass Sächsisch immer mehr verschwindet, liegt auch daran, dass viele Dinge aus unserem Alltag verschwinden, für die es sächsische Begriffe gibt", gibt ihm Co-Autor Dr. Ufer recht.

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"Der 'Hader' für Wischlappen ist längst durch einen Saugroboter ersetzt worden. Der 'Asch' für eine Aufwaschschüssel ist heute die Spülmaschine. Auch das 'Mäffdl' für ein Fahrrad mit Hilfsmotor ist Vergangenheit." Und wer hat noch eine Hitsche (Fußbank) zu Hause? Zudem fehlt frischer Nachschub.

Dr. Ufer: "Der einzige Begriff, der in Corona-Zeiten neu dazugekommen ist, lautet 'Schnutendeckel' für Schutzmaske."

Nazis haben Sächsisch verboten!

Krönung eines verschmähten Dialekts: Jetzt spricht der honorige Duden auch "Säggsch". Es ist kein herkömmliches Mundartwörterbuch, sondern eine Anekdotensammlung.
Krönung eines verschmähten Dialekts: Jetzt spricht der honorige Duden auch "Säggsch". Es ist kein herkömmliches Mundartwörterbuch, sondern eine Anekdotensammlung.  © PR

Die Nazis waren die ersten Totengräber des Sächsischen. Sie verboten als einzigen Dialekt in Deutschland ausgerechnet Sächsisch.

Er sei Jiddisch und "hapere in der Form, in der Sprache, im Humor", urteilte der Radebeuler Lehrer Erich Rawolle in einem Gutachten für die Monatszeitschrift "Politische Erziehung" des Nationalsozialistischen Lehrerbundes Sachsen.

Das Reichspropagandaministerium verbot die Neuauflage von Büchern der Leipziger Mundartdichterin Lene Voigt. Im Juni 1936 titelte die "Neue Leipziger Zeitung": "Sachsen, sprecht Deutsch! Schafft unserem Lande Achtung."

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Der sächsische Reichsstatthalter und spätere Ministerpräsident Martin Mutschmann setzte das Verbot mit aller Konsequenz durch.

Ironie der Geschichte: Mutschmann sprach selbst Sächsisch!

Sächsisch soll überleben!

Wenn das der altehrwürdige Konrad Duden (1829 - 1911) wüsste: Der Gymnasialdirektor schuf mit seinem "Duden" eigentlich die Grundlage einer deutschen Einheitsrechtschreibung.
Wenn das der altehrwürdige Konrad Duden (1829 - 1911) wüsste: Der Gymnasialdirektor schuf mit seinem "Duden" eigentlich die Grundlage einer deutschen Einheitsrechtschreibung.  © picture alliance / akg-images

Auch Spitzbart Walter Ulbricht tat dem Dialekt mit seiner gesächselten Lüge "Niemand hat die Absicht, eine Mauer zu errichten" keinen Gefallen.

Die permanente Diskreditierung des Sächsischen wirkt bis heute nach - also höchste Zeit für eine Reputation unter dem renommierten Duden-Siegel.

Jeder Mundart-Duden ist anders. "Unserer wird mit Anekdoten den sächsischen Dialekt unterhaltsam erklären", verrät Dr. Ufer.

Dafür schreiben die beiden Autoren 26 Kapitel stellvertretend für jeden Buchstaben des Alphabets. In jedem werden sächsische Vokabeln erklärt - von A wie "Abrnmauke (Kartoffelpüree) im Asch" über F wie "fischeland friemeln" und I wie "idzsche Ische" bis Z wie "Zahlen der Sachsen".

Auch Schimpfworte dürfen nicht fehlen. Das alles ist natürlich mit sprachwissenschaftlichem Hintergrund zu Grammatik, Aussprache und Syntax des Dialektes gespickt. Alles, damit Sächsisch überlebt - so wie vielleicht auch die Eisbären.

Der Duden "Sächsisch: Von Modschegiebchn und Diggnischln" erscheint offiziell zur Frankfurter Buchmesse am 16. Oktober 2023. Erste Exemplare gibt es schon am 3. Oktober bei der Verleihung des Titels "Sächsisches Wort des Jahres 2023".

Restkarten gibts hier.

Hättet Ihr's gewusst?

Der sächsische Dialekt ist vom Aussterben bedroht. (Symbolbild)
Der sächsische Dialekt ist vom Aussterben bedroht. (Symbolbild)  © Monika Skolimowska/ZB/dpa

Kleines Sächsisch-Lexikon: Was bedeuten diese Begriffe? Hättet Ihr's (noch) gewusst?

badallchen - schleppen

Bärblie - Regenschirm

Buwwerzche - ärmliches Haus oder Wohnung

Dresche griechn - verprügelt werden

Dummbufforr - dummer Mensch

eistern - sich ekeln

Gläddahsche - Kleidung

Hähbchn-Bähbchn - Hausrat

Hahnenbänder - Dachstuhlbalken

Kuhbläke - abgelegener kleiner Ort

Lung - Verschnaufpause

Mischpoke - abfällig für Familie

Natzer - kurzes Schläfchen

niewermachen - von 1945 bis 1990: nach dem Westen gehen

rumdalen - trödeln

rumferschdern - sich ziellos bewegen

Schmedde - altes Fahrrad

Stöbel - Regenguss

Sutze - Zuchtsau

verbumfiedeln - verlegen

Zaraffel - eine böse Frau

Wort des Jahres gesucht!

Auf Familienfeiern, am Stammtisch und im Pirnaer Tom-Pauls-Theater lebt der sächsische Dialekt noch munter weiter fort: Hinter der Comedy-Figur der lustigen sächsischen Witwe Ilse Bähnert steckt der Kabarettist Tom Pauls (64).
Auf Familienfeiern, am Stammtisch und im Pirnaer Tom-Pauls-Theater lebt der sächsische Dialekt noch munter weiter fort: Hinter der Comedy-Figur der lustigen sächsischen Witwe Ilse Bähnert steckt der Kabarettist Tom Pauls (64).  © imago/Christian Schroedter

Seit 2008 kürt die Ilse-Bähnert-Stiftung das sächsische Wort des Jahres, um aussterbende sächsische Wörter zu retten und die sächsische Mundart als wichtigen Teil der deutschen Sprache zu fördern.

In der Jury sitzen unter anderem Tom Pauls (64), dessen Paraderolle der Ilse Bähnert der Stiftung ihren Namen gab, Gunter Böhnke (79) und Dr. Peter Ufer (59).

Im vergangenen Jahr stand das Universalwort "Därre" auf Platz eins. Es hat gleich mehrere Bedeutungen: Därre kann Trockenheit im Sommer, Krise und Kälte bedeuten, aber auch auffällige Schlankheit bezeichnen.

Bis zum gestrigen Tag wurde nach dem sächsischen Wort des Jahres 2023 gesucht, das am 3. Oktober bei einer Gala im Boulevardtheater Dresden bekannt gegeben wird.

Titelfoto: Bildmontage: Monika Skolimowska/zb/dpa, Robert Jentzsch | rjphoto.de, PR

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