Goodbye Lost Place: Schöner Wohnen im Ex-DDR-Betrieb "VEB Kunstlederwerk"

Von Anke Brod

Borsdorf – Der frühere volkseigene DDR-Betrieb "VEB Kunstleder Borsdorf" im Landkreis Leipzig soll perspektivisch zum Wohngebiet umgestaltet werden. Auf zwölf Hektar Fläche will ein Leipziger Investor inmitten denkmalgeschützter Gemäuer Einfamilienhausgrundstücke, Reihenhäuser, betreutes Wohnen sowie eine Kita schaffen.

Gebäude der ehemaligen Kunstlederwerke in Borsdorf (Landkreis Leipzig).
Gebäude der ehemaligen Kunstlederwerke in Borsdorf (Landkreis Leipzig).  © Anke Brod

1902 wurden einst die Produktionshallen für die "Kunstleder- und Wachstuchfabrik Zweenfurth" erbaut. Nach Quellenangaben kam der Betrieb sieben Jahre nach der Wende schließlich zum Erliegen. Später mieteten sich in den Räumen immer wieder Gewerbe wie Dog-Coaching, ein Ingenieurbüro oder An- und Verkaufsläden ein.

Vor allem aber ging es in den vergangenen 20 Jahren mit den alten Hallen und Büros bergab: Die einst florierende Kunstlederfabrik verwahrloste sichtbar. Bald zog das Areal zudem Lost Placer an.

Aber auch Vandalen, Metalldiebe oder Graffitisprayer gaben sich in Borsdorf die Klinke in die Hand. Zwischenzeitlich tobten sich in einer wild erschaffenen Disko-Halle des Nächtens Feierwütige aus.

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Bei alledem stießen Beobachter überall auf zerbrochenes Glas oder stolperten über illegale Müllberge, leere Spirituosen-Flaschen und Fixer-Spritzen. Diebe hatten bei Nacht und Nebel teils noch ganze Treppengeländer oder reihenweise Fenster abmontiert. Darüber hinaus hatte es in einer Halle mal gebrannt.

Schlimmer Unfall im Treppenhaus

Der frühere DDR-Betrieb soll perspektivisch zum Wohngebiet umgestaltet werden.
Der frühere DDR-Betrieb soll perspektivisch zum Wohngebiet umgestaltet werden.  © Anke Brod

Trauriger Höhepunkt jenes dubiosen Treibens dürfte Anfang 2023 ein schwerer Unfall gewesen sein. Demnach hielten sich am 2. Januar drei Männer unberechtigt auf dem Gelände der ehemaligen Kunstlederfabrik auf - über Notruf hätten sie einen Sturz mitgeteilt, sagte ein Polizeisprecher auf TAG24-Anfrage.

Ein 43-jähriger Mann aus dem Trio war den Angaben zufolge im Treppenhaus von der ersten Etage in die Tiefe gestürzt. Dabei sei er auf ein Metallgeländer gefallen und in Folge mit lebensbedrohlichen Verletzungen in ein Krankenhaus eingeliefert worden, so die Polizei.

Nun aber sollte mit derartigen Vorkommnissen Schluss sein: Die bis dato zunächst mit 25 Prozent an dem Objekt beteiligte Leipziger SRM Holding GmbH kaufte am ersten Januar 2023 vom bisherigen Münchener Investor den Löwenanteil dazu und ist somit jetzt alleinige Eigentümerin der Liegenschaft. Das sagte Stefan Martin (45), geschäftsführender Gesellschafter der SRM-Holding, im TAG24-Gespräch.

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Seit einem halben Jahr wird an der Leipziger Straße 49 also klar Schiff gemacht. Die Bausubstanz soll unbedingt vor dem Verfall bewahrt werden. Und so wurden bereits Fenster zugemauert, tiefe Gräben um das Areal gezogen und Videokameras installiert.

Darüber hinaus wollen die Verantwortlichen historische Relikte aus DDR-Zeiten, darunter eine Wandzeitung, Firmenschriften oder eine Stellwand zu Ehren Karl Marx' sichern.

Bauantrag für Wohngebiet

Warnung vor Gefahrstoffen: In einer der Hallen lagern Chemikalien.
Warnung vor Gefahrstoffen: In einer der Hallen lagern Chemikalien.  © Anke Brod

Eine große Herausforderung dürften in einer Halle lagernde Chemikalien sein. Hier schlummern seit Jahrzehnten mit Plastik umhüllte Fässer, teils noch mit der Aufschrift "Karl-Marx-Stadt".

Die Substanzen dienten seinerzeit der Kunstlederbearbeitung. Fachliche Beprobung und Entsorgung der Fässer seien langwierige Prozesse, berichtete Stefan Martin.

"Wir sind als Firma allerdings Marathonläufer", bekundete der SRM-Gesellschafter weiter. Und er fügte hinzu: "Bei optimalem Verlauf könnten wir eventuell aber schon kommendes Jahr den Bauantrag für ein Wohngebiet stellen".

Zuvor muss die Gemeinde Borsdorf den Bebauungsplan neu beschließen - ursprünglich war für die Industriebrache an der Leipziger Straße ein Gewerbegebiet vorgesehen.

"Wohnen wird hier vor 2026/27 nicht möglich sein", schätzt Martin die bauliche Perspektive ein, plant zeitnah aber schonmal einen Tag der offenen Tür für die Bevölkerung.

Titelfoto: Anke Brod

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