Spargel selber stechen macht Spaß! Wenn man weiß, was man tut ...

Nauwalde - Der April bringt schönstes Frühlingswetter und lässt den Spargel nur so sprießen. Aber wer macht die Arbeit?

Mit Stecheisen und Handschuh: Redakteurin Juliane Weigt probiert sich an der Spargelernte.
Mit Stecheisen und Handschuh: Redakteurin Juliane Weigt probiert sich an der Spargelernte.  © Thomas Türpe

Erntehelfer in Corona-Zeiten sind so eine Sache für sich. Beim Spargel kennen die Deutschen aber kein Pardon. 

Bevor die Spargelsaison ganz abgesagt wird, lässt ein sächsischer Landwirt seine Kunden lieber zur Selbsternte aufs Feld. Ob und wie das funktioniert, hat TAG24-Redakteurin Juliane Weigt getestet.

Auf dem Spargelfeld in Nauwalde strahlt die heiße Mittagssonne auf die glänzenden Abdeckfolien, aus einigen Reihen schauen die weißen Spargelfköpfchen hervor. 

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Mit mir am Feld steht Hartwig Kübler. Der 65-Jährige ist Geschäftsführer des Gutshofs Raitzen und bewirtschaftet 3,5 Hektar Spargelfelder. 

Ein professioneller Erntehelfer sticht pro Stunde gut 15 Kilo Spargel, lasse ich mir erklären. Wie viel von dem kostbaren Gemüse könnte ich als Laie pro Stunde stechen? 

So fünf bis sechs Kilo, schlussfolgere ich. Herr Kübler lacht nur. Ich sollte später auch wissen, warum.

Felder für die Selbsternte geöffnet

Hartwig Kübler (65) ist der Chef des Gutshof Raitzen.
Hartwig Kübler (65) ist der Chef des Gutshof Raitzen.  © Thomas Türpe

Spargel-Selbsternte ist in Sachsen in dieser Form bisher einzigartig. Die Aktion ist aus der Not heraus geboren. Für Kübler war es keine Option, seine Spargelfelder stillzulegen. "Ob ausländische Saisonarbeiter überhaupt kommen können, wussten wir vor ein paar Wochen noch nicht." 

Also entschloss sich der Landwirt, die Felder für die Selbsternte zu öffnen. Drei Mal pro Woche können Spargelliebhaber ihr heißgeliebtes Gemüse direkt aus der Erde holen. 

Gut 700 Kilo wurden am ersten Tag vom Feld geholt. "Die Kunden sollten am besten nur so viel Spargel stechen, wie sie wirklich benötigen", gibt Kübler zu bedenken.

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Wer so wie ich noch nie ein Stecheisen in der Hand hielt, wird vom Chef persönlich in die Kunst der Spargelernte eingewiesen. Auf die Rücksicht und Sorgfalt seiner Kunden müsse er einfach vertrauen. 

Ob es zu spät ist zu erwähnen, dass ich Grobmotoriker bin, frage ich mich. Der Spargel ist immerhin ein zartes, empfindsames Pflänzchen. 

Wird bei der Ernte falsch gestochen, ist die Pflanze für immer hinüber. "Das Risiko, dass Kunden die ein oder andere Pflanze beschädigen, müssen wir auf uns nehmen", sagt Kübler.

Kräftezehrend und schweißtreibend

Ungeübten Spargelstechern gibt der Chef eine Einweisung.
Ungeübten Spargelstechern gibt der Chef eine Einweisung.  © Thomas Türpe

Mit Zeige- und Mittelfinger bohre ich die Erde um die Stange herum frei, setze schließlich das scharfe Eisen an die Spargelstange - und steche zu. Und siehe da, die erste selbst gestochene Stange. "Sie sind ein Naturtalent", sagt Herr Kübler. 

Ich weiß, dass das nicht stimmt, bin aber trotzdem heimlich ein bisschen stolz. Und so wandert Stange für Stange in das Körbchen.

Wer vier Wochen lang träge im Homeoffice in der Horizontalen auf der Couch verbracht hat, wird auf dem Spargelfeld erst einmal ganz schön blöd aus der Wäsche gucken. 

Als Stadtpflanze ist mir sehr wohl bewusst, dass das Spargelfeld kein Ponyhof ist. Aber dass so einige offensichtlich erprobte Senioren mit einem Affenzahn die Stangen aus der Erde holen und mich am Feld überholen, hat mich dann doch peinlich berührt. 

Mir dämmert langsam, warum deutsche Landwirte sich so viele Saisonarbeiter aus dem Ausland holen. Dieser Job ist kräftezehrend und schweißtreibend. 

"Da spare ich mir auf jeden Fall das Fitnessstudio", meint Ivonne Hubrich aus Elsterwerda, die neben mir gut gelaunt das Gemüse sticht. Acht Stunden am Stück Spargel stechen? Ich würde umkippen.

Die Kunden lauern mit dem Stecheisen in der Hand

Spargel wächst am Tag zwischen fünf und sieben Zentimeter.
Spargel wächst am Tag zwischen fünf und sieben Zentimeter.  © Thomas Türpe
Auch auf dem Spargelfeld lautet das oberste Gebot: Abstand halten.
Auch auf dem Spargelfeld lautet das oberste Gebot: Abstand halten.  © Thomas Türpe
Etwa zwei Kilo waren die Ausbeute von 45 Minuten Spargelstechen.
Etwa zwei Kilo waren die Ausbeute von 45 Minuten Spargelstechen.  © Thomas Türpe

In Nauwalde beginnt die Selbsternte freitags um 14 Uhr. Eigentlich. Die Deutschen wären aber keine Deutschen, würden sie nicht schon gute 1,5 Stunden vor Eröffnung am Spargelfeld mit dem Stecheisen in der Hand lauern. Hartwig Kübler, der selbst noch gar nicht glauben kann, welch großer Beliebtheit sich die Selbsternte erfreut, lässt die Wartenden schließlich eine Stunde eher aufs Feld.

Nach etwa 45 Minuten in gebückter Haltung über der trockenen Erde, mit einem leichten Stechen im unteren Rücken, aber glücklich ob der frischen Luft beschließe ich, es für heute gut sein zu lassen. Am Ende gehe ich mit gut zwei Kilo Spargel nach Hause. 

Bis zum Abend haben die Kunden das Feld förmlich abgeerntet. Die gute Nachricht: Spargel wächst fünf bis zehn Zentimeter am Tag nach. Wer hätt's gewusst? Ich nicht.

Spargelhof Nauwalde (Mühlweg 2, 01609 Nauwalde), Öffnungszeiten: Dienstag 14 bis 18, Freitag 14 bis 18 und Samstag 9 bis 12 Uhr. Das Kilo Spargel kostet 4,50 Euro. Auch auf dem Feld gilt: Abstand halten! Weitere Infos: gutshof-raitzen.de

Titelfoto: Thomas Türpe

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