Strom aus grünem Wasserstoff: Im kleinen Lossa hat die Zukunft schon begonnen

Thallwitz - Weltweit soll die Sonne noch vor dem Jahr 2050 zur wichtigsten Stromquelle werden. Alle reden von Wasserstoff als neuem Motor der Wirtschaft. Doch wo gibt es schon funktionierende Wasserstoff-Kraftwerke? In der kleinen Gemeinde Lossa, einem Ortsteil von Thallwitz (bei Leipzig)!

Versuchs- und Referenzobjekt mit Know-how aus Sachsen: Prototyp-Konstrukteur Florian König (30) vor seinem Blockheizkraftwerk in einem Versuchscontainer mit Wasserstofftanks und Sonnenkollektoren auf dem Firmengelände in Lossa (Landkreis Leipzig).
Versuchs- und Referenzobjekt mit Know-how aus Sachsen: Prototyp-Konstrukteur Florian König (30) vor seinem Blockheizkraftwerk in einem Versuchscontainer mit Wasserstofftanks und Sonnenkollektoren auf dem Firmengelände in Lossa (Landkreis Leipzig).  © Ralf Seegers

Auf dem ehemaligen Bauernhof der Familie König steht eine sprichwörtliche eierlegende Wollmilchsau in Sachen Energieerzeugung: Der Prototyp nutzt nicht nur Abwärme, die sonst ungenutzt in die Umwelt verpuffen würde. Er wird auch mit umweltfreundlichem Wasserstoff als Brennstoff angetrieben, den er zudem selbst erzeugt.

Den Prototyp des Wasserstoff-Blockheizkraftwerks hat Florian König (30) gebaut, in einen serienmäßigen Hochseecontainer gesteckt und auf dem Familienhof der Firma angeschlossen.

Dort beheizt er das Anwesen der Familie und liefert Strom für die Geschäftsräume der Familienfirma KBSW Energy GmbH.

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Die startete 2009 als Zwei-Personen-Betrieb in Lossa. "Das Geschäftsmodell ist Service und Optimierung von Blockheizkraftwerken. Unsere Kunden sind Kliniken, Stadtwerke und Wohnungsgesellschaften", sagt Firmengründer Frank König (61).

Der gelernte Motorenschlosser baute das Unternehmen mit seiner Ehefrau Annerose (60) als Bürokraft auf. 2016 stießen die Söhne Florian (30) und Benjamin (38) als Service-Monteur und Software-Architekt dazu.

Vom Bauernhof zum Power-Hof: Die Königs lassen ihr Gehöft jetzt von der Sonne beheizen, zapfen Strom aus Solarenergie.
Vom Bauernhof zum Power-Hof: Die Königs lassen ihr Gehöft jetzt von der Sonne beheizen, zapfen Strom aus Solarenergie.  © Ralf Seegers

Ein auf dem Dach betriebenes Blockheizkraftwerk senkte die Energiekosten um die Hälfte

Florian König am Generator, der mit Wasserstoff betrieben wird.
Florian König am Generator, der mit Wasserstoff betrieben wird.  © Ralf Seegers

Früher bewirtschafteten die Königs den Landwirtschaftsbetrieb der Großeltern. Für ihre Schweine, Rinder und Pferde bauten sie Getreide und Futter sowie Feldfrüchte für den Eigenbedarf an.

"Weil die Stromkosten für den Betrieb jährlich auf 6000 bis 7000 Euro stiegen, überlegten wir uns, wie wir sie senken können", erzählt Florian. "Ein mit Gas, Öl und Thermovoltaik auf dem Dach betriebenes Blockheizkraftwerk senkte die Energiekosten für die insgesamt 600 qm große Raumfläche schon mal um die Hälfte."

Doch König wollte mehr. Zur Königsklasse der Königs wurde ein Blockheizkraftwerk, das seinen eigenen Brennstoff herstellt und damit völlig ohne zusätzliches Gas oder Öl auskommt.

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"Ich hatte bei meiner Ausbildung als Karosseriefacharbeiter bei Mercedes-Benz gelernt, dass Wasserstoff der Antrieb der Zukunft ist", sagt Florian und machte sich ans Tüfteln.

In der Werkstatt des Bauernhofes entwickelte er sein durch selbst erzeugten Wasserstoff angetriebenes Blockheizkraftwerk. "Keiner unserer Kunden, die sich den Prototypen bislang auf dem Hof angesehen haben, kannte ähnliche funktionierende Anlagen", sagt er.

Jetzt soll auch Sauerstoff in den Kreislauf eingebunden werden

Sein Bruder Benjamin (38) hat die Software-Architektur der digitalen Steuerung entworfen
Sein Bruder Benjamin (38) hat die Software-Architektur der digitalen Steuerung entworfen  © Ralf Seegers

Mit Fotovoltaik-Anlagen auf dem Container- und Hausdach wird aus Sonnenlicht Strom erzeugt. Der wird zur Elektrolyse gebraucht, bei der Wasser in Wasserstoff und Sauerstoff aufgespalten wird. Der Wasserstoff wird in einem raffinierten Drucktanksystem aufgefangen. Dafür hat Florian ein Paket mit zwölf herkömmlichen Gasflaschen verwendet.

"Sie fassen insgesamt zehn Kilo Wasserstoff", erklärt er. Dieser Wasserstoff wird verbrannt, was einen Generator zur Stromerzeugung antreibt. Florian: "Die zehn Kilo reichen allerdings erst für etwa 40 Betriebsstunden." Dann ist das Gas alle - viel Raum für Optimierungen.

Florian: "Die Abgasführung muss optimiert, neue Motoren eingebaut sowie Korrekturen an Aufhängung und Rahmenteilen durchgeführt werden. Der Einsatz spezieller Hochleistungsvakuumröhren zur Warmwassererzeugung hat uns weitere über 1000 Betriebsstunden eingespart." Jetzt soll der Winter zeigen, was der Prototyp zu leisten imstande ist.

Am Ende soll sogar das bei der Elektrolyse anfallende "Abfallprodukt" Sauerstoff genutzt werden. Florian: "Den wollen wir in den Kreislauf einbinden, um damit die Verbrennung zu optimieren." Auch die Abwärme am Motor - etwa 30 Grad - soll durch Koppelung mit einer Wärmepumpe verwertet werden.

Der Siegeszug des Blockheizkraftwerks ist nicht mehr aufzuhalten

Immer schön warm bleiben: isolierter Wärmebehälter des Blockheizkraftwerks.
Immer schön warm bleiben: isolierter Wärmebehälter des Blockheizkraftwerks.  © Ralf Seegers

Schon jetzt kann man bei der KBSW Energy GmbH Energiecontainer bestückt mit einem herkömmlichen Blockheizkraftwerk, Wärmepumpe, Batteriespeicher, Brennstoffzelle und Fotovoltaik auf dem Dach bestellen - individuell angepasst an jede Größe und Leistung, von Eigenheim bis Krankenhaus.

Derzeit verzeichnet die Firma einen Jahresumsatz zwischen 400.000 und 500.000 Euro. "Künftig soll das System mit Wasserstoff funktionieren, kann mit bis zu 400 Kilowatt starken Motoren ausgestattet und eingebaut in einen Container überall hingesetzt werden", sagt Florian.

Das Problem einer individuell angepassten Anlage: Jede veränderte Ausstattung muss extra zertifiziert werden. Florian: "Das ist teuer und treibt die Kosten teilweise unwirtschaftlich in die Höhe."

Doch der Siegeszug des H2-ready BHKW rund um die Welt ist nicht mehr aufzuhalten. Da es bei viel Sonne besonders effektiv arbeitet, ist es auf dem afrikanischen Kontinent besonders gefragt.

"Kein Wunder, dass es schon Anfragen aus Kenia gab. Zudem will eine Textilfirma in Südafrika mit unseren Containern ihre Produktion gegen die täglichen Stromausfälle absichern", sagt Florian. Firmenpartner sitzen zudem in Griechenland und der Schweiz.

"Hierzulande laufen derzeit Verhandlungen mit Gemeinden und Wärmenetzbetreibern", sagt Frank König. Auch sein Heimatort Thallwitz interessiert sich für ein Wärmenetz aus dem Hause König. Damit würde sich vor allem bei alter Bausubstanz im Ort der Einbau kostspieliger Wärmepumpen erübrigen.

Ministerium als Kunde

Heiztechnisch ferngesteuert aus Sachsen: Bundesministerium für Bildung und Forschung am Kapelle-Ufer in Berlin-Mitte.
Heiztechnisch ferngesteuert aus Sachsen: Bundesministerium für Bildung und Forschung am Kapelle-Ufer in Berlin-Mitte.  © imago/Joko

Zu den Kunden der sächsischen Firma zählt auch das Bundesministerium für Bildung und Forschung am Kapelle-Ufer in Berlin (1000 Bedienstete, 20,80 Milliarden Euro Haushaltsvolumen). "Wir warten und optimieren dort regelmäßig das Blockheizkraftwerk, das aktuell noch mit Erdgas aus einer Industriepipeline betrieben wird."

Durch die Präzisionsarbeit der Lossaer konnte der Gasverbrauch inzwischen halbiert haben. Gleichzeitig verpufft weniger Wärmeenergie in die Umwelt.

"Während der Corona-Zeit haben wir den Auftrag erhalten, das BHKW 2021 auf Mischgas umzurüsten und H2-ready auszubauen - also bereit für Wasserstoffbetrieb", erzählt Florian König. Dafür musste das BHKW im Keller des Riesengebäudes erst in sechs kleine Teile zerlegt werden, damit es in den Fahrstuhl passte.

In Lossa wurde das Aggregat dann für den Wasserstoffbetrieb aufgerüstet. Künftig soll Wasserstoff dem Erdgas erst einmal beigemischt werden. König: "Dafür bauen wir demnächst H2-Speicher aus Gasflaschen ein." Die gesamte Anlage in Berlin kann dank Digitalisierung übrigens aus Lossa direkt ferngesteuert werden.

Aktuell gebe es bundesweit zahlreiche Anfragen nach den Containern mit dem Wasserstoff-Blockheizkraftwerk. "Doch bei Vertragsabschlüssen halten sich Investoren wegen der derzeit hohen Bauzinsen zurück", erzählt König. "Außerdem steht hinter der gesicherten Verfügbarkeit des Brennstoffs H2 in der Zukunft noch ein großes Fragezeichen."

Wie funktioniert ein Blockheizkraftwerk?

Ein Blockheizkraftwerk (BHKW) ist ein kleines Kraftwerk für einzelne Häuser oder kleine Quartiere. Es kann Unterkünfte nicht nur mit Wärme ("heiz"), sondern gleichsam auch mit Strom ("kraft") versorgen.

Dabei wird der Umstand ausgenutzt, dass beim Erzeugen von Strom durch Verfeuern eines Brennstoffs (Erdgas, Holzpellets, Flüssiggas, Heizöl, Biodiesel, Pflanzenöl oder Wasserstoff) vor allem auch Wärme entsteht. Die kann direkt für die Heizkörper im Haus oder zur Erwärmung des Brauchwassers genutzt werden.

BHKWs nutzen 80 bis 90 Prozent der Primärenergie. Zum Vergleich: Herkömmliche Großkraftwerke erreichen häufig nur einen Wirkungsgrad von rund 45 Prozent.

Titelfoto: Ralf Seegers

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