Weil sie als CO2-Speicher so wichtig sind: Der zähe Kampf um Sachsens Moore

Sachsen - Noch weit mehr als unsere Wälder sind Moore wahre Champions darin, klimaschädliches Kohlendioxid (CO2) zu speichern. Allerdings nur, wenn sie ordentlich gewässert sind – sonst geben sie im Gegenteil altes CO2 aus früheren Jahrhunderten wieder frei. Also gilt es – auch in Sachsen – Moore zu schützen und möglichst wieder feucht zu kriegen. Entsprechende Projekte laufen seit Jahren und nehmen immer mehr Fahrt auf.

Die Philipphaide bei Marienberg: Was wie eine intakte Moorlandschaft aussieht, ist noch längst nicht "über den Berg".
Die Philipphaide bei Marienberg: Was wie eine intakte Moorlandschaft aussieht, ist noch längst nicht "über den Berg".  © Uwe Meinhold

Deutschlandweit machen Moorböden etwa 5 Prozent der Fläche aus, im Norden mehr als im Süden.

Diese Böden, sagt das Bundesumweltministerium in seiner "Nationalen Moorschutzstrategie", binden etwa genauso viel CO2 wie Deutschlands Wälder. Bloß, dass die mehr als sechsmal so viel Fläche einnehmen.

Will sagen: Moore sind perfekte Speicher von klimaschädlichen Gasen, aber nur, wenn sie intakt sind.

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In Sachsen, wo es etwa 47.000 Hektar Moore und "organische Nassstandorte" gibt (2,5 Prozent der Landesfläche, bzw. so groß wie Dresden und Chemnitz zusammen), ist aber gerade mal etwa ein Zehntel aller Moore intakt.

Das liegt daran, dass frühere Generationen für Moore keine Verwendung hatten, lieber den Torf abbauten oder Holz auf der Fläche anbauten. Also wurden die Moore, die oft über tausend und mehr Jahre gewachsen waren, durch Entwässerungsgräben systematisch trockengelegt.

Das passierte schon immer, vor allem aber in den 1830er- und 1840er-Jahren, als die Forstwirtschaft immer professioneller betrieben wurde.

Diese Entwicklung versucht man heutzutage zu stoppen. Besser noch: Wo immer möglich, möchte man sie umkehren.

Um von einer Moorlandschaft zu sprechen, muss Wasser bis kurz unterhalb der Oberfläche stehen

Revierleiter Ingo Reinhold (56) von Sachsenforst kennt sich in "seinen" Mooren gut aus. Er weiß, wie quälend langsam die Wiederbelebung der Moore vonstattengeht.
Revierleiter Ingo Reinhold (56) von Sachsenforst kennt sich in "seinen" Mooren gut aus. Er weiß, wie quälend langsam die Wiederbelebung der Moore vonstattengeht.  © Uwe Meinhold

Ingo Reinhold (56), Revierleiter Marienberg im Staatsbetrieb Sachsenforst, kennt und begleitet die Renaturierung der Moore seit Jahren. Eine der Moorflächen in seinem Revier nennt sich Philipphaide.

"Bis zu vier Meter tief waren hier die Entwässerungsgräben", erinnert sich Reinhold und zeigt auf die noch gut sichtbaren Furchen in der Landschaft.

2014 wurden einige von ihnen mit Torf verfüllt, zusätzlich wurden Dämme angelegt, um ein Abfließen des Wassers zu verhindern. Denn: "Damit man überhaupt von einer Moorlandschaft sprechen kann, muss das Wasser bis kurz unterhalb der Oberfläche stehen", erklärt Reinhold.

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Dann erst könne eine Schicht entstehen, in der organisches Material wegen des Luftabschlusses nicht vollständig verrottet.

"Torf ist die Vorstufe zur Braunkohle", weiß der Revierleiter. Leider entwickelt er sich extrem langsam – etwa 1 Millimeter pro Jahr. Heißt: Eine ein Meter dicke Torfschicht hat 1000 Jahre für ihre Entwicklung gebraucht.

"Wenn wir nichts machen, ist das Moor irgendwann ganz verloren"

Heidekraut mit Hummel.
Heidekraut mit Hummel.  © Uwe Meinhold

Reinhold kennt sich gut aus in dieser etwas unwirtlichen Landschaft mit ihren feuchten Böden und der spärlichen Vegetation.

Er verweist auf typische Arten, die sich hier finden: "Das Scheidige Wollgras, Rauschbeeren, Binsen oder Pfeifengras", um nur einige zu nennen.

Auf einer Fläche, die bei den Arbeiten 2014 wieder mit Torf verfüllt wurde, sprießen neue Pflanzen erst an wenigen Stellen.

Dafür ragen hier seltsame Säulen etwa gut hüfthoch nach oben: Pegel, an denen Experten vom Landesamt die Wasserstände im Moor kontrollieren.

"Noch schwanken diese Wasserstände ziemlich", weiß Revierleiter Reinhold – ein Zeichen, dass das Moor noch nicht intakt ist. "Sonst würde die Schwammwirkung des Moores besser greifen."

Ist denn überhaupt schon klar, ob sich die Maßnahmen hier gelohnt haben? Der Mann vom Sachsenforst antwortet vorsichtig: "Es gibt Hinweise, dass es wieder Richtung Torfentwicklung gehen könnte."

Was er aber sicher wisse, wäre dies: "Wenn wir nichts machen, ist das Moor irgendwann ganz verloren."

Fakten & Zahlen

So sieht Torf aus. Früher wurde damit geheizt.
So sieht Torf aus. Früher wurde damit geheizt.  © Uwe Meinhold
  • Weniger als 10 Prozent der Moorflächen in Sachsen sind noch naturnah erhalten.

  • Etwa 1000 Hektar Moorflächen wurden in Sachsen seit 1990 stabilisiert.

  • Der Staatsbetrieb Sachsenforst plant derzeit Revitalisierungen in 10 Mooren im Westerzgebirge. Im Wesentlichen geht es dabei darum, die Entwässerung durch Verfüllung von Gräben zu stoppen. Mit eingebunden in viele Projekte ist auch das Sächsische Landesamt für Umwelt, Landwirtschaft und Geologie.

  • Laut einer neuen Studie stammen in Deutschland 6,7 Prozent der Treibhausgas-Emissionen aus entwässerten Moorböden.

  • Neben der Bindung von CO2 verfügen Moore über noch mindestens fünf weitere positive Eigenschaften:
    • Sie sind 1.) Wasserspeicher (lebende Moore bestehen bis zu 95 Prozent aus Wasser,
    • haben 2.) eine Filterwirkung,
    • garantieren 3.) Biodiversität und einen Lebensraum für bestimmte Pflanzen, Moose und Tiere,
    • dienen 4.) als Archive der Landschaftsgeschichte, indem sie Wissenschaftlern Hinweise darauf geben, welche Arten z. B. vor Hunderten oder Tausenden Jahren vorherrschend waren,
    • und 5.) bieten sie – wenn sie zum Beispiel mit Bohlenwegen erschlossen sind, Touristen Ursprünglichkeit und Stille in einer ganz besonderen Landschaft.

  • In Mitteleuropa entstehen Moore seit der letzten Eiszeit, also seit max. 12 000 Jahren.

Hebelt Profitstreben den Naturschutz aus?

Die Bagger tasten sich weiter ans Moor vor.
Die Bagger tasten sich weiter ans Moor vor.  © privat

Ist Sachsens Bekenntnis zum Schutz der Moore scheinheilig? Das fragen sich zumindest Umweltschützer, die für den Erhalt vom streng geschützten"Moorwaldgebiet Großdittmannsdorf" (nahe Radeburg) kämpfen.

Das Schutzgebiet wird bedroht durch den geplanten Aufschluss eines neuen Abbaugebiets für das Kieswerk Ottendorf-Okrilla (KBO). Konkret geht es um die 135 Hektar große Abbaufläche "Würschnitz-West". Das Kieswerk möchte dort den Quarzsand abbaggern, der unter dem Wald im Boden schlummert.

"Für unser Unternehmen besitzt diese Erweiterung enorme Bedeutung, da wir nahezu die Grenzen in unserem Abbaufeld Laußnitz I erreicht haben. Die Nutzung dieser Abbaustätte kann die Rohstoffversorgung für die nächsten 50 Jahre gewährleisten", erklärt die KBO-Geschäftsführung in einer Info-Broschüre zum Vorhaben.

Eine Bürgerinitiative und Umweltverbände wollen das Projekt verhindern. Der NABU Sachsen legte Beschwerde bei der Europäischen Union ein.

Die Kiesabbau-Gegner befürchten, dass der Tagebau in den Wasserhaushalt eingreift und das fragile Ökosystem der benachbarten Moore zerstört. Arten wie die streng geschützte Große Moosjungfer (Libellenart) würden dann verschwinden.

Das Kieswerk aus der Vogelperspektive.
Das Kieswerk aus der Vogelperspektive.  © Steffen Füssel

Matthias Schrack von der Fachgruppe Ornithologie Großdittmannsdorf: "Sachsens grüner Umweltminister Wolfram Günther muss hier ein Machtwort sprechen und sich zum Klima-, Moor- und Grundwasserschutz bekennen."

Titelfoto: Uwe Meinhold

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