Wenn aus Schäumen Träume werden: Sächsische Firma handelt mit Spezialschaum-Produkten

Nossen - Zwanzig Jahre sind keine Ewigkeit, in der Industrie aber gleichwohl eine beachtliche Zeit. So lange schon ist die "Schaumaplast Nossen GmbH" im Geschäft.

In einem Rolls-Royce isoliert und dämpft Schaum aus Nossen einen kleinen Kühlschrank. Schampus schmeckt eben kalt am besten.
In einem Rolls-Royce isoliert und dämpft Schaum aus Nossen einen kleinen Kühlschrank. Schampus schmeckt eben kalt am besten.  © IMAGO/NurPhoto

Unweit der Autobahnen A4 und A14 produzieren rund 45 Mitarbeiter in einer unscheinbaren Halle Schaumstoff-Teile. Wohlgemerkt kein Styropor - das wird gleich nebenan im Schwesternbetrieb ("Schaumaplast Sachsen") hergestellt. Dank immer neuer Anwendungsideen läuft bei Schaumaplast Nossen das Geschäft: Wachstumszahlen von etwa 30 Prozent in beiden Vorjahren sind Werte, von denen andere Unternehmen träumen.

Geschäftsführer Dirk Werrmann (58) erklärt, was hinter diesem Erfolg steckt. "Seit Jahren ist es unsere Strategie, sich andere, neue Branchen zu erschließen", sagt er. Das habe auch gut geklappt. Habe man anfangs zu hundert Prozent Teile für die Automobilindustrie zugeliefert - zum Beispiel geschäumtes Füllmaterial für Autotüren oder Kopfstützen -, so mache diese Branche heute nur noch ein Fünftel des Umsatzes aus.

Abnehmer sind dabei vor allem BMW, Porsche und Audi, aber auch Rolls-Royce lässt sich aus Nossen beliefern: mit kleinen Schaumstoffteilen für einen Kühlschrank im edlen Fond!

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Weitaus größere Mengen als für die Autobranche liefert Schaumaplast Nossen für Heizungs-, Klima- und Lüftungsanlagen.

Zum Beispiel die Ummantelungen von Wärmepumpen oder große Gehäuse, die überall dort zum Einsatz kommen, wo früher (teureres) Metall verwendet wurde.

Leichte Kügelchen als Essenz der Produkte

Solche EPP-Kunststoffperlen bilden das Rohmaterial, aus dem in Nossen ganz neue Dinge entstehen.
Solche EPP-Kunststoffperlen bilden das Rohmaterial, aus dem in Nossen ganz neue Dinge entstehen.  © Markus Griese

Zwei "Rohmaterialien" sind es, die von der Nossener Firma in immer neue Formen gebracht werden. Vor allem das sogenannte EPP - Expandiertes Polypropylen.

Für Laien: Das sind superleichte Kügelchen, 2 bis 5 Millimeter klein, die von Firmen wie BASF aus Erdöl hergestellt und dann in großen Mengen in Nossen angeliefert werden. Mit einem dicken Saugschlauch wird das Material zunächst in große Silos geblasen. Dort lagert es, bis es, je nach Bedarf, über ein Rohrsystem zu den verschiedenen Maschinen in der Fertigungshalle "weitergepustet" wird.

An diesen vollautomatischen Maschinen werden die Kügelchen dann in eine Form gefüllt, die schon dem gewünschten Endprodukt entspricht. Dann werden sie in besagter Form stoßweise mit 140 °C heißem Wasserdampf behandelt, sodass sie quasi miteinander verschmelzen.

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"Zwei bis drei Minuten dauert dieser Vorgang im Schnitt", erklärt Werrmann. Dann gebe die Maschine die fertigen Teile frei, die aber nach einem kurzen Abkühlen noch für vier Stunden in einen 80 °C heißen Ofen kämen. So werde der Kälteschock ausgeglichen und die Oberfläche erhalte eine glattere Struktur.

Geschäftsführer Dirk Werrmann (58) mit zwei von unzähligen EPP-Formteilen in der Fertigungshalle. Als junger Mann fuhr Werrmann zur See. Heute hält der Dresdner einen Industriebetrieb auf Kurs
Geschäftsführer Dirk Werrmann (58) mit zwei von unzähligen EPP-Formteilen in der Fertigungshalle. Als junger Mann fuhr Werrmann zur See. Heute hält der Dresdner einen Industriebetrieb auf Kurs  © Bildmontage: Norbert Neumann
Porsche gehört seit einiger Zeit zu den Schaumaplast-Kunden.
Porsche gehört seit einiger Zeit zu den Schaumaplast-Kunden.  © IMAGO/Sebastian Geisler

Schaumpalast beliefert wichtige Kunden bis nach Island und Finnland

Von außen ist das Unternehmen wenig auffällig. Die Bilanzen sind dafür umso attraktiver.
Von außen ist das Unternehmen wenig auffällig. Die Bilanzen sind dafür umso attraktiver.  © Norbert Neumann

So weit, so simpel. Geschäftsführer Werrmann sieht die Aufgabe seiner Firma nicht nur in der Fertigung der gewünschten Schaumstoffteile, sondern auch darin, mit dem Kunden gemeinsam neue Ideen zu entwickeln, den Fertigungsvorgang und letztlich die Produkte stetig zu verbessern.

Besonders viele neue Möglichkeiten bietet dazu der zweite Kunststoff, mit dem die Firma arbeitet - ETPU (Expandiertes thermoplastisches Polyurethan). Das hat besonders gute Dämpfungseigenschaften und eignet sich somit z. B. für Fahrradsättel oder als Einlage in Arbeitsschuhen, wie sie von einem finnischen Hersteller mitsamt der Nossener "Einlage" produziert werden.

"Wer acht Stunden lang steht, bekommt in diesen Schuhen deutlich seltener Rückenschmerzen", stellt Dirk Werrmann fest. Aber auch für Prothesen werde ETPU aus Nossen verwandt.

"Wir hatten damals ein Muster an einen isländischen Prothesen-Hersteller geschickt und gedacht, da hören wir wohl nie wieder was davon." Das Gegenteil traf zu: Die Nordländer waren begeistert und orderten das für ihre Zwecke optimale Material. Werrmann: "Heute machen wir allein damit einen sechsstelligen Umsatz."

Auch in Zukunft sieht Schaumaplast Nossen seine Aufgabe darin, sich neue Nischen zu erschließen. Aber auch darin, den Anteil recycelter Materialien am Endprodukt weiter zu erhöhen. Aus Umweltgründen, aber auch wegen der Wirtschaftlichkeit.

Schließlich hat Schaumaplast Nossen als Abnehmer fossiler Rohstoffe und wegen der benötigten Energie gleich mehrfach mit gestiegenen Preisen zu kämpfen. Und auch der Arbeitskräftemangel macht um Nossen keinen Bogen.

Titelfoto: Bildmontage: Norbert Neumann

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