Wohin mit dem ganzen Atommüll? Sachsen noch immer im Endlager-Rennen

Bautzen/Löbau - Die Suche nach einem bundesweiten Atommüll-Endlager geht weiter - und große Teile Sachsens gelten als geeignet.

Bisher gab es in Deutschland nur Endlager für schwach- und mittelradioaktive Abfälle, wie hier in Morsleben (Sachsen-Anhalt).
Bisher gab es in Deutschland nur Endlager für schwach- und mittelradioaktive Abfälle, wie hier in Morsleben (Sachsen-Anhalt).  © dpa/Jens Wolf

Ein neuer Zwischenbericht zeigt: Der nördliche Landkreis Bautzen könnte ausscheiden, die südliche Oberlausitz bleibt im Rennen. Betroffene protestieren, doch ihr Einfluss ist begrenzt.

Die Bundesgesellschaft für Endlagerung (BGE) hat ihren aktuellen Stand bei der Suche nach einem Atommüll-Endlager präsentiert. Der Freistaat steht mit mehreren Regionen in der Auswahl.

Das größte mögliche Gebiet liegt in der mehr als 2000 Quadratkilometer großen südlichen Lausitz. Kleinere Gebiete liegen im Osterzgebirge, nördlich von Chemnitz und im Westerzgebirge.

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Entscheidend für Sachsen könnte bereits der nächste Arbeitsschritt der BGE sein, sie will anhand ihrer Daten erste Gebiete von der Liste streichen.

Gute Karten hat der nördliche Landkreis Bautzen: Dort haben die Experten bereits Zweifel an der Tauglichkeit geäußert. Die anderen Gebiete "lassen allesamt günstige geologische Bedingungen für die Endlagerung hoch radioaktiver Abfälle vermuten", heißt es von der BGE.

90 Gebiete Deutschlands stehen für das Endlager zur Diskussion, drei davon liegen in Sachsen.
90 Gebiete Deutschlands stehen für das Endlager zur Diskussion, drei davon liegen in Sachsen.  © dpa/Jens Wolf
Löbaus Oberbürgermeister Albrecht Gubsch (56, parteilos) vertraut auf die Wissenschaftler.
Löbaus Oberbürgermeister Albrecht Gubsch (56, parteilos) vertraut auf die Wissenschaftler.  © Rafael Sampedro/foto-sampedro.de

Kommunen haben kein Mitspracherecht bei der Endlager-Entscheidung

Domowina-Vorsitzender Dawid Statnik (38) lehnt ein Endlager in der Lausitz ab.
Domowina-Vorsitzender Dawid Statnik (38) lehnt ein Endlager in der Lausitz ab.  © dpa/Miriam Schönbach

Protest kommt vom Bund Lausitzer Sorben Domowina: "Die Menschen in der Lausitz tragen die Hauptlast bei der Beendigung des fossilen Energie-Zeitalters in Deutschland", sagt der Vorsitzende Dawid Statnik (38). "Damit sind wir mehr als ausgelastet, wir brauchen nun klare Zukunftsperspektiven, unbelastet von weiteren Bürden der Vergangenheit."

Der Atommüll solle in den Regionen der Atomkraftwerke bleiben - denn die hätten davon wirtschaftlich profitiert.

Mehr Verständnis zeigt Löbaus Oberbürgermeister Albrecht Gubsch (56, parteilos): "Irgendein Standort muss schließlich her." Die Argumente will er den Wissenschaftlern überlassen.

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Der Landkreis Görlitz hingegen lehnt ein Endlager weiterhin ab, wie das Landratsamt auf TAG24-Anfrage mitteilt.

Die Entscheidung liegt aber nicht in der Hand der Betroffenen. "Eine Zustimmung seitens der Kommunen ist nicht vorgesehen", so die BGE. Sie könnten aber Stellungnahmen abgeben und würden in das Verfahren einbezogen.

Laut der BGE muss der Inhalt von 1900 Castorbehältern eingelagert werden.
Laut der BGE muss der Inhalt von 1900 Castorbehältern eingelagert werden.  © RWE Power AG/dpa

Kommentar: Strahlende Landschaften

Für den hochradioaktiven Atommüll soll bis 2031 ein Endlager feststehen, 2050 könnte die Einlagerung beginnen.
Für den hochradioaktiven Atommüll soll bis 2031 ein Endlager feststehen, 2050 könnte die Einlagerung beginnen.  © dpa/Wolfram Kastl

Von Johannes Pittroff

Sachsen ist reich an Bodenschätzen. Doch genau das könnte dem Freistaat zum Verhängnis werden. Die Gesteine scheinen geeignet, um dem Atommüll aus 1900 Castor-Behältern ein Endlager zu bieten. Die Landesregierung muss Regionen wie die Oberlausitz davor bewahren.

Wir sind nach zwei Jahren Corona-Pandemie daran gewöhnt, tiefgreifende Entscheidungen der Wissenschaft zu überlassen. Doch Wissenschaftler sind auf ihr Forschungsfeld spezialisiert. So steht bei den Experten, die nach einem Atommüll-Endlager suchen, die geologische Tauglichkeit an erster Stelle.

Die Politik sollte sich stärker in die Suche einbringen, damit auch wirtschaftliche und kulturelle Belange einbezogen werden. Denn das Abwägen gegensätzlicher Interessen kann und soll die Wissenschaft nicht leisten, sondern ist das Spezialgebiet der Politik.

Sollte sich etwa die Oberlausitz geologisch als perfekter Standort erweisen, wäre sie dennoch nicht geeignet. Der Atommüll könnte nicht nur die dort dringend nötige Ansiedlung neuer Firmen verhindern. Es wäre auch ein fatales Signal an eine Region, die ohnehin innerhalb Deutschlands wenig beachtet wird.

Dass ein Bundesland mit offenen Armen den Atommüll empfangen wird, ist wohl nicht zu erwarten. So hart es auch klingt: Eine Region wird sich opfern müssen. Doch dieses Opfer sollte nicht an denen hängen bleiben, die schon mehr als andere verloren haben.

Titelfoto: dpa/Jens Wolf

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