Proteste gegen rechts: Zehntausende in ganz Sachsen auf den Beinen

Sachsen - Die Proteste gegen die AfD und für die Demokratie trieb die Menschen am Sonntag in ganz Deutschland auf die Straßen. Wegen des gewaltigen Zustroms musste nach Hamburg nun auch in München (200.000 Teilnehmer) die Kundgebung aus Sicherheitsgründen vorzeitig beendet werden. In Sachsen kam oder kommt es neben Dresden in zehn weiteren Städten zu Protesten gegen die Rechten.

Auf dem Johannisplatz in Leipzig drängten sich Tausende Menschen dicht an dicht.
Auf dem Johannisplatz in Leipzig drängten sich Tausende Menschen dicht an dicht.  © Sebastian Willnow/dpa

In Leipzig war der Andrang so groß (Veranstalter schätzte 40.000 Teilnehmer, die Polizei sprach von 10.000), dass die Schluss-Demo vom Augustusplatz auf den etwa einen Hektar großen Johannisplatz verlegt werden musste. Zeitweilig gab es rund um den Leipziger Marktplatz kein Durchkommen mehr.

In Chemnitz waren 200 Teilnehmer am Karl-Marx-Kopf ("Nischel") angemeldet, gekommen sind nach Angaben der Polizei 12.000 (!) Menschen. Das waren mehr als bei den berüchtigten Nazi-Aufmärschen 2018.

In Görlitz, Wahlkreis-Heimat von AfD-Chef Tino Chrupalla (48), gingen mehr als 2000 Menschen auf die Straße. Ministerpräsident Michael Kretschmer (48, CDU) erhielt für seine flammende Rede dort Applaus, unter den Demonstranten waren viele Bürger mit selbstgebastelten Plakaten ("#AfDnee").

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In Pirna, wo vor Kurzem der erste OB für die AfD gewählt worden war, versammelten sich 1000 Demonstranten. Auch in Radeberg, Döbeln und Torgau waren Kundgebungen anmeldet.

Proteste gegen die AfD gehen Montag weiter

Auch auf dem Görlitzer Marienplatz war die Abneigung gegenüber rechtem Gedankengut zu sehen, hören und zu lesen.
Auch auf dem Görlitzer Marienplatz war die Abneigung gegenüber rechtem Gedankengut zu sehen, hören und zu lesen.  © Sebastian Kahnert/dpa

Montag gehen die Demos weiter. Proteste sind in Freiberg (ab 17 Uhr, Obermarkt), Zittau (ab 18 Uhr Marktplatz), noch mal in Görlitz (ab 18.30 Uhr, Marienplatz) und Meißen (ab 19 Uhr, Marktplatz, vorher ab 18 Uhr Friedensgebet in der Frauenkirche) angemeldet.

Kommentar: Zeit zum Handeln

Tausende Menschen versammelten sich am Sonntag in der Brückenstraße in Chemnitz.
Tausende Menschen versammelten sich am Sonntag in der Brückenstraße in Chemnitz.  © Kristin Schmidt

Was für ein ermutigendes Zeichen, aber auch: Was für traurige Zeiten, dass so etwas nötig ist. Seit Tagen gehen überall in Deutschland Menschen auf die Straße, um den blau-braunen Allmachtsträumen Paroli zu bieten. Hamburg, München, Magdeburg, Erfurt. Am Sonntag nun auch in Dresden, Leipzig und anderen Städten in Sachsen.

Die Rechtsextremisten von AfD und Co., die bislang viel zu oft unwidersprochen den Eindruck erwecken durften, sie allein würden den wahren Willen "des Volkes" repräsentieren, bekommen jetzt ihre Lektion auf der Straße.

Mit dem Aufdecken der Deportationsfantasien scheint plötzlich das ganze Land aufzuwachen. Die Botschaft der Demonstranten: Nein, wir wollen dieses völkische Gebräu nicht, das über Menschen wie Ungeziefer redet, nur weil kein "deutsches Blut" in ihren Adern fließt; das alle und jeden herabwürdigt und angreift, das ihm nicht passt. Es ist hohe Zeit, dem etwas entgegenzustellen.

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Die Demonstrationen der Hunderttausenden dieser Tage sind gut und richtig. Alle können sehen - und alle, die dabei sind, können es auch fühlen: Die Demokratiefreunde sind viele, sehr, sehr viele in diesem Land. Ein Umsturz, den rechte Kreise gerade herbeireden wollen, wäre dagegen ein tatsächlicher Volksverrat.

Auf Schriftsteller Erich Kästner hören

TAG24-Redakteur Gerhard Jakob findet, dass es Zeit ist, zu handeln!
TAG24-Redakteur Gerhard Jakob findet, dass es Zeit ist, zu handeln!  © Holm Röhner

Unser Schicksal entscheidet sich (noch) an den Wahlurnen. Und dort kommt es in diesem Jahr darauf an: Alle, die das Land vor dieser AfD verteidigen wollen, müssen in diesem Jahr zum Wählen gehen - in den Kommunen, im Land und für Europa.

Übrigens: Selbst wenn die AfD, wie einige Umfragen vorhersagen, in Sachsen ein Drittel der Stimmen erhalten sollte - sie hätte doch zwei Drittel gegen sich.

Erich Kästner, der große Schriftsteller aus Sachsen, der nicht nur bezaubernde Jugendbücher wie "Emil und die Detektive" geschrieben hat, hatte auch die Zeiten des NS-Regimes hier in Deutschland durchlitten.

Sein warnendes Fazit: "Diktaturen lassen sich nur bekämpfen, ehe sie die Macht übernommen haben."

Titelfoto: Sebastian Willnow/dpa

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