Matthias "Lotte" Müller kehrt noch einmal zu Dynamo zurück!

Von Jürgen Schwarz

Dresden - Am 14. Juni feiert Lothar Müller, Vater des ehemaligen DDR-Nationalspielers Matthias ("Lotte") Müller seinen 89. Geburtstag. Er gehörte einst zum legendären "Wundersturm" des SC Einheit Dresden, mit dem er 1958 den DDR-Pokalsieg feierte.

Matthias Müller (r.) im Europacup-Spiel gegen Stuttgarts Hermann Ohlicher.
Matthias Müller (r.) im Europacup-Spiel gegen Stuttgarts Hermann Ohlicher.  © imago images/Ferdi Hartung

Fast folgerichtig wurde auch Matthias, im Oktober 1954 geboren, Fußballer. Über Empor Tabak und die FSV Lokomotive kam er 1973 zu Dynamo Dresden, wurde dreimal Meister, einmal Pokalsieger und Auswahlspieler. "Eigentlich war ich ein Spätstarter, denn ich habe erst mit zehn Jahren die ersten Trainingseinheiten bei Tabak mitgemacht", erinnert sich "Lotte". "Über die FSV Lok kam ich dann mit der Einführung der Sportschulen zu Dynamo."

Fünf Jahre nach seinen ersten Übungseinheiten spielte er erstmals für die "U15"-Auswahl der DDR. Geschätzt wurde von den Trainer seine Vielseitigkeit. Aber die war Fluch und Segen zugleich.

"Ich habe vom Stürmer bis zum Verteidiger alles gespielt. Als Allrounder hatte ich dadurch fast immer einen Platz im Kader, aber eben keine feste Stammposition. Hinzu kam die große Ansammlung von Nationalspielern bei Dynamo. Es war sehr schwierig, sich durchzusetzen."

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Doch Müller bewies Durchhaltevermögen, obwohl er zwischen 1973 und 1975 nur zwei Einsätze in der "Ersten" von Dynamo hatte. Im Meisterschaftsjahr 1977 war er endlich Stammspieler, schoss in 21 Partien fünf Tore. Danach konnte "Lotte" nichts mehr aufhalten, auch nicht eine neunmonatige Verletzungspause. 1979/80 stand er in allen 26 Oberligapartien ohne Ein- und Auswechslung auf dem Platz.

54 Jahre her! Lothar Müller zeigt seinem Sohn Matthias die richtige Schusstechnik.
54 Jahre her! Lothar Müller zeigt seinem Sohn Matthias die richtige Schusstechnik.  © privat

Die Berufung zur Nationalmannschaft war die logische Folge. Am 7. Mai 1980 debütierte er in Rostock beim 2:2 gegen die Sowjetunion.

Wenige Monate später stand er im Olympia-Aufgebot für Moskau und gewann mit der DDR die Silbermedaille. Die 8500 Mark für den zweiten Platz sowie die 2000 Mark für den Vaterländischen Verdienstorden wurden ihm aber nicht mehr ausgezahlt. Auf dem Höhepunkt seiner Laufbahn kam im Januar 1981 das Aus – mit nur 26 Jahren.

Die Geschehnisse sind hinlänglich bekannt. Es gibt verschiedene Versionen, was bei der Trainings- und Wettkampfreise nach Argentinien passieren sollte. "Gerd Weber, Peter Kotte und ich hatten ein Angebot des 1. FC Köln. Um in der Bundesliga zu spielen, hätten wir natürlich fliehen müssen. Peter und ich haben das verworfen, Gerd plante wohl die Flucht während eines Länderspiels im Frühjahr 1981 in Udine gegen Italien."

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Durch die Fehlinformation eines Stasi-Spitzels, dass sich das Dresdner Trio angeblich in Südamerika absetzen wolle, kam es zur Verhaftung auf dem Flughafen in Berlin. "Die Republikflucht konnten sie Peter und mir nicht nachweisen, wohl auch, weil Gerd Weber den Stasi-Leuten beim Verhör gesagt hatte, dass wir nicht fliehen wollten. Aber als Mitwisser waren wir unserer Meldepflicht nicht nachgekommen, das reichte allemal, um unsere sportliche Karriere von heute auf morgen komplett zu zerstören. Mein Sportstudium musste ich sofort beenden und wurde zur Armee eingezogen."

Matthias Müller war bei mehreren Vereinen als Trainer tätig. Jetzt steigt er bei Dynamo in beratender Funktion ein.
Matthias Müller war bei mehreren Vereinen als Trainer tätig. Jetzt steigt er bei Dynamo in beratender Funktion ein.  © Willem gr. Darrelmann

Vier Gnadengesuche wanderten in den Papierkorb. In seiner Stasi-Akte fand Müller später die Namen von neun Mitspielern, die als Informanten gearbeitet haben.

"Ich habe lange gebraucht, bis ich nach der Wende meinen Frieden mit denen gefunden habe. Der Einladung der Traditionsmannschaft, wieder für Dynamo zu spielen, bin ich gefolgt. Bis ich mich dazu aber durchgerungen hatte, habe ich zwei Jahre gebraucht. Später habe ich dann lange Zeit die zweite Mannschaft trainiert."

Inzwischen ist "Lotte" 30 Jahre als Trainer im Geschäft, führte den Dresdner SC aus der Bezirks- bis in die Oberliga, stieg mit Bischofswerda und Radebeul in die Landesliga auf.

Angesichts seines Fulltime-Jobs als Gesundheitscenterleiter der AOK PLUS Sachsen in Dresden (13 Mitarbeiter) wird er auch zukünftig im Amateurbereich tätig sein.

Nach fünf Jahren beim Landesligisten Radebeuler BC hat er seinen Vertrag in der Karl-May-Stadt nicht mehr verlängert. "Ich bin auf dem Markt", sagt er – und lächelt spitzbübisch. Er weiß, dass er bei einigen Vereinen auf dem Wunschzettel steht. Im Oktober wird er 65. "Aber in Fußball-Rente gehe ich nicht - weder als Trainer noch als Spieler bei den Dynamo-Oldies und der Ostauswahl."

Eine neue Aufgabe gibt es schon - und zwar bei Dynamo! "Nach den Gesprächen in der Nachwuchsakademie mit Ralf Minge und Jan Seifert habe ich zugesagt, ab 1. Juli 2019 im Kompetenzteam der ,U 19' mitzuarbeiten."

Die drei Müllers: Matthias mit seiner Mutter Ingeburg und seinem Vater Lothar - beide mit 88 Jahren noch gut in Form.
Die drei Müllers: Matthias mit seiner Mutter Ingeburg und seinem Vater Lothar - beide mit 88 Jahren noch gut in Form.  © Eric Münch

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