Damit Riesa nicht zerfällt - Letzte Rettung Kunst
Riesa - Seit Jahrzehnten ringen Dutzende Akteure um die Zukunft des markanten Muskator-Geländes in der Stahlwerkerstadt Riesa. Eine Gruppe der "Glorreichen Sieben" hat sich zu einem neuen Anlauf aufgemacht - und ins Schwarze getroffen. Der Vorstand sieht Riesa in einer Linie mit Londons Kunstmuseum Tate Modern - und schielt bereits auf "schlafende Elefanten".
Fassungslos zeigt Mario König (64) auf nassen Kellerboden.
"Hast du das jemals irgendwo gesehen?" Sieben kleine Betonhügel steigen aus ihm hervor. "Stalagmiten!", lacht er.
Königs aufgerissene Augen deuten auf ein rostbraunes Leck in der Decke.
"Normalerweise fällt ein Gebäude ein, in das es zehn Jahre hineingeregnet hat. Hier waren's 30 und es steht immer noch." Steffen Klengel (63) nickt wissend: "Und deshalb sind wir hier."
Der Unternehmer und der Radiologe sind zwei von sieben Aktiven, die dem ehemaligen Heizhaus des Riesaer Mischfutterwerks seit gut zwei Jahren Leben einhauchen. "Hier schwang schon die Abrissbirne", so Klengel.
Kunsthalle für obligatorischen Euro von Stadt abgekauft
Für einen obligatorischen Euro von der Stadt abgekauft, haben sie seitdem Hunderttausende Euro investiert, zum Teil gefördert. Doch auch aus privater Tasche finanzierten sie allein 100 neue Fenster, Elektrik, Mechanik, Stahlträger.
"Diese Halle wurde für Kunst gebaut, ohne dass die es damals wussten", schwärmt Klengel. Ein von Tageslicht durchfluteter "Lost Place" mit Flügeldach samt elbüberblickender Terrasse für Open-Air-Partys. "Zwischen Spindlermühle und Hamburg findest du das entlang der Elbe nicht."
Eine Ausstellung zum Wurzener Maler Heinz-Detlef Moosdorf sowie das Kunstfestival "ibug" fanden hier jüngst statt, lockten auch auswärtige Besucher an. Allein dieses Jahr kamen 2000 Leute. Industriebrachen wie das Muskator-Gelände seien identitätsstiftend, sagt Innenstadtmanagerin Anja Dietel (46): "Das macht Riesa aus."
Für die Stadt sei die Kunsthalle ein "Inkubator", der über Gedeih oder Verderb des seit der Wende leer stehenden Muskator-Areals entscheiden könnte, so Dietel. "Aber unsere schlafenden Elefanten nebenan lassen wir ruhen", schmunzelt Klengel. "Die rennen nicht weg."
Titelfoto: Montage: Norbert Neumann

