"Ich schau Dir in die Augen, Sachsen": Mobile Angebote durch Spezialisten sollen Lücke schließen

Sachsen - Auch wenn es in den meisten Regionen Sachsens zumindest auf dem Papier keine Unterversorgung an Augenärzten gibt, warten neue Patienten nicht selten ein halbes Jahr oder länger auf einen Termin. Zwei mobile Angebote mit angeschlossener Telemedizin sollen diesen Missstand nun vor allem auf dem Lande lindern.

Der Verlust des Sehvermögens ist oft schleichend. Daher werden regelmäßige Untersuchungen empfohlen.
Der Verlust des Sehvermögens ist oft schleichend. Daher werden regelmäßige Untersuchungen empfohlen.  © Uwe Meinhold

Die Konzepte von "Mube" und "Mirantus" sind auf ganz unterschiedliche Patientengruppen zugeschnitten. Möglicherweise eignen sie sich auch als Ausblick, was uns in Zukunft als medizinische Grundversorgung erwartet - zumindest abseits der Großstädte.

Eine Warteschlange wie vor einem Rockkonzert: Bilder aus Wolfen (Sachsen-Anhalt) lösten im Mai in ganz Deutschland Kopfschütteln aus. Weil eine neu eröffnete Augenarztpraxis Termine vergab, standen Hunderte Menschen stundenlang an. Würde in Sachsen eine Praxis neu eröffnen, wäre die Situation nicht anders.

Denn viele niedergelassene Augenärzte nehmen keine neuen Patienten mehr an, weil sie bereits mit der Betreuung ihrer Stammkundschaft völlig überlastet sind. Wer eine Untersuchung wünscht, muss lange Wartezeiten oder Fahrstrecken in Kauf nehmen.

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Die beiden hier vorgestellten mobilen Untersuchungs-Projekte sind nicht für Patienten mit akuten Augenbeschwerden (z. B. Entzündungen oder Fremdkörper im Auge) vorgesehen.

Wer da medizinische Hilfe benötigt, sollte den augenärztlichen Notdienst kontaktieren oder sich in der Bereitschaftspraxis im nächsten großen Krankenhaus melden.

Untersuchung im Container

Der Container verweilt vier Wochen an einem Standort, bevor er weiterzieht.
Der Container verweilt vier Wochen an einem Standort, bevor er weiterzieht.  © Uwe Meinhold

Seit dem Frühsommer wird in Südwestsachsen, wo der Notstand am größten ist, eine mobile Untersuchungs- und Behandlungseinheit (Mube) angeboten. Alle vier Wochen wechselt ein schmuckloser Container den Standort - derzeit sind Auerbach, Schwarzenberg und Markneukirchen im Programm.

Im Inneren gibt es neben einem Wartebereich ein mit modernster Technik ausgestattetes Untersuchungszimmer. Speziell ausgebildetes Personal fertigt verschiedene diagnostische Aufnahmen an und sendet sie an einen Augenarzt. Der wertet die Befunde aus und schaltet sich daraufhin auf einem Bildschirm zu. Dann erfährt der Patient, ob alles in Ordnung ist oder weiterer Behandlungsbedarf besteht.

Zielgruppe sind Patienten, bei denen bereits eine Augenkrankheit festgestellt wurde: grüner oder grauer Star, Netzhautverkalkung oder diabetische Netzhauterkrankung. Diese benötigen in bestimmten Zeiträumen eine Routineuntersuchung, damit mögliche Verschlechterungen erkannt werden.

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Durch das ortsnahe Angebot verkürzt sich der Fahrweg erheblich und die Arztpraxen werden entlastet.

Der Einsatzwagen von Mirantus fährt jeden Tag in eine andere Gemeinde.
Der Einsatzwagen von Mirantus fährt jeden Tag in eine andere Gemeinde.  © Uwe Meinhold

So kommst Du zu der Nachsorge-Untersuchung

Klaus Meißner (72) lässt sich am Spaltmikroskop die Netzhaut filmen.
Klaus Meißner (72) lässt sich am Spaltmikroskop die Netzhaut filmen.  © Uwe Meinhold

Um zu den Nachsorge-Untersuchungen in den Mube-Container zu kommen, muss man vorher einen Augenarzt besucht haben. Die medizinischen Versorgungszentren der Helios-Kliniken in Plauen und Aue sowie zwei weitere Praxen wurden als Partner gewonnen. Man füllt im Internet unkompliziert ein Formular aus und erhält spätestens nach zwei Wochen einen Anruf mit einem Terminvorschlag.

Zwischen vier und sechs Patienten können pro Stunde untersucht und befunden werden. Noch gibt es kleinere Anlaufschwierigkeiten. Ziel des Projektes ist aber, dass bis Jahresende eine durchschnittliche Fallzahl einer herkömmlichen Augenarztpraxis erreicht wird. Die Krankenkassen übernehmen die Untersuchungen komplett.

Organisiert wird Mube von der Kassenärztlichen Vereinigung Sachsen (KVS). Die Kosten von 1,4 Millionen Euro werden zu 90 Prozent vom Sozialministerium finanziert.

KVS-Sprecherin Julia Leditzky: "Für das Projekt ist zunächst ein Zeitraum von fünf Jahren avisiert. Bei erfolgreicher Annahme durch Patienten und ärztliche Kollegenschaft soll es in der Regelversorgung etabliert werden." Auch in anderen Regionen.

Infos: mube-sachsen.de

Fotos und Messungen der Augen werden später durch einen Augenarzt ausgewertet.
Fotos und Messungen der Augen werden später durch einen Augenarzt ausgewertet.  © Uwe Meinhold

Experten ziehen übers Land

Optometristin Yara Hahn (26) wurde für die Untersuchungen speziell geschult.
Optometristin Yara Hahn (26) wurde für die Untersuchungen speziell geschult.  © Uwe Meinhold

Im Alter nehmen die Veränderungen im Auge stets zu. Daher werden Vorsorgeuntersuchungen für Menschen ab 40 alle zwei Jahre, für Leute über 50 in jedem Jahr empfohlen. So können drohende Krankheiten früh erkannt werden. Wegen der geringen Aussicht auf einen Augenarzttermin bemühen sich viele gar nicht um die Untersuchung. Im schlimmsten Fall droht früh der Verlust der Sehfähigkeit.

In diese Versorgungslücke stößt seit zwei Jahren das Berliner Start-up-Unternehmen Mirantus. Weil hier größter Bedarf herrscht, ist es hauptsächlich in Sachsen aktiv. Der Service wurde bereits in 90 sächsischen Gemeinden angeboten. Über 10.000 Sachsen erhielten so ihren Augen-Check-up. Meist werden die Tester von Dorfbürgermeistern angefordert, welche dann im Rathaus ihre Räume zur Verfügung stellen.

Auch hier ist kein Augenarzt vor Ort, sondern speziell geschulte Optometristen, welche auf die Messung und Bewertung der Sehfunktion spezialisiert sind: Sehschärfen- und Brillenglasbestimmung, Augeninnendruckmessung, Netzhautaufnahme sowie Spaltlampenfotografie (unter anderem Hornhaut, Vorderkammer, Iris und Augenlinse).

Aus den Daten fertigt dann ein Augenarzt einen Bericht an, der dem Untersuchten zugeschickt wird.

Auch eine Videosprechstunde mit einem Augenarzt ist möglich

Den Patienten werden lange Anfahrten und Wartezeiten erspart.
Den Patienten werden lange Anfahrten und Wartezeiten erspart.  © Uwe Meinhold

Projektleiter Simon Zabel: "Diese Berichte beinhalten ein Ampelsystem und sind somit auch für Laien gut verständlich. Bei Rot rufen wir den Kunden sofort an, damit er schnellstmöglich einen Augenarzt aufsucht." Mirantus empfiehlt dann auch sächsische Ärzte aus seinem Netzwerk. Nicht wenige Kunden konnten so vor dem drohenden Verlust ihres Augenlichtes bewahrt werden.

Bei Auffälligkeiten im Ergebnisbericht kann auch eine Videosprechstunde mit einem kooperierenden Augenarzt beantragt werden. Dieser gibt dann Empfehlungen zum weiteren Vorgehen. Die Kosten für dieses Gespräch werden auch von allen Krankenkassen übernommen.

Der Rest allerdings nicht! Für die Augenmessung und den Bericht zahlt man 69 Euro. Mirantus befindet sich aber gerade in den finalen Verhandlungen mit einer großen Krankenkasse, welche den Service ihren Versicherten dann anbieten möchte. Zabel: "Das wird sicher Signalwirkung für andere Krankenkassen und auch Augenärzte haben." Nach nur kurzer Zeit hat sich das Projekt etabliert und wird wohl auch nicht eingestellt, solange der Bedarf in Sachsen so groß ist.

Infos: www.mirantus.de

Titelfoto: Bildmontage: Uwe Meinhold

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