Klingen sind sein Geschäft: Messerschmied Tillmann mag's gerne griffig und scharf

Sachsen - Oftmals sind "die letzten ihrer Art" bereits Meister im Seniorenalter, die händeringend einen Nachfolger suchen, dem sie ihre Kunst, Fertigkeiten, Kenntnisse und Traditionen weitergeben können. Meist vergebens.

Meister Maik Zenker (58) und Geselle Tillmann Klein (25) gehören zu den letzten Messerschmieden in Sachsen. Sie stellen nicht nur neue Messer her, sondern restaurieren auch alte Fundstücke.  © Christian Juppe

Insofern gibt es in der Zunft der sächsischen Messerschmiede den ungewöhnlichen Glücksfall, dass sich ein junger Mann aus eigenen Stücken für das alte Handwerk interessierte - mit großer Leidenschaft und Geschicklichkeit. Tillmann Klein (25) aus Görlitz bereitet sich gerade auf seine Meisterprüfung vor.

Mit höchster Konzentration sitzt der Geselle am rotierenden Schleifstein. Den stählernen Rohling, welcher mehrfach durch Feuer und Wasser und zuletzt durch eine schwere Presse ging, führt er mit gleichbleibender Geschwindigkeit und im perfekten Winkel über den Stein. Weil die Funken nur so sprühen, trägt Tillmann Klein eine Schutzbrille.

Bereits als Jugendlicher hielt sich der Naturfreund viel im Wald auf und hatte oft ein Messer bei sich - zum Schnitzen, Brot schneiden oder für die Tätigkeiten beim Zelten.

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Klein: "Mich interessierten schon früh die Technik und die Herstellung von Messern. Die Klingen, die Schneiden, die Griffe. Einige erwiesen sich als recht nützlich, aber manche waren auch Müll."

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Industrie machte das Handwerk der Messerschmiede nahezu überflüssig

Auch das Zusägen der Griffe ist eine Präzisionsarbeit, welche höchste Konzentration erfordert.  © Christian Juppe

Nach dem Abitur stand die Entscheidung zwischen Studium und Handwerk an. Für Forstwirtschaft fanden sich einige Hochschulen. Bei Messerschmieden hingegen gab es in Sachsen lediglich einen Betrieb, der einen Lehrling suchte: die Messermanufaktur in Pirna. Und weil die Chemie mit dem Meister passte, entschied er sich dafür.

Messer- und Klingenschmiede entstanden im Hochmittelalter aus der Zunft der Schwerthersteller. Amboss, Hammer und Schleifstein gehörten weiter zu den wichtigsten Werkzeugen.

Im 18. Jahrhundert fertigte ein Meister mit seinen Gesellen bis zu 100 Klingen am Tag, den Griff aus Horn oder Holz montierte dann ein sogenannter Beschaler.

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Als die Industrie begann, im Sekundentakt neue Messer auf den Markt zu werfen, wurde das Handwerk überflüssig.

Messer schleifen: Ausbildung zum Präzisionswerkzeugmechaniker dauert dreieinhalb Jahre

Wandermesser, Nausche und Stollenmesser: drei Einzelstücke der Pirnaer Messermanufaktur.  © Christian Juppe

Noch findet man vereinzelte Messerschleifer, in Sachsen erheblich mehr als in anderen Teilen Deutschlands.

Eine eigenständige Lehre zum Messerschmied gibt es nicht mehr. Nur eine seltene und etwas umständlich klingende Handwerksausbildung: Präzisionswerkzeugmechaniker mit der Fachrichtung Schneidwerkzeuge.

Sie dauert dreieinhalb Jahre und die einzige Spezialschule findet man im bayrischen Bad Neustadt.

Sein Grundausbildungsjahr absolvierte Tillmann Klein noch an der Berufsschule Görlitz, wo er in die Grundlagen für Metallverarbeitung eingeweiht wurde. Und Maik Zenker, sein Ausbilder in Pirna, merkte recht schnell, dass er es hier nicht mit einem Durchschnitts-Lehrling zu tun hat.

Klein interessierte sich immer für das Besondere und die Geheimnisse der Details. Und auch für die Messerherstellung in anderen Ländern.

So kam er über das Erasmus-Projekt zu einem renommierten finnischen Metallkünstler, der auch Skulpturen und verschnörkelte Eingangstore oder Geländer herstellt. Dort wurde der Sachse am Amboss in die Kunst des Damastschmiedens eingeweiht, was über Jahrhunderte als Königsdisziplin der Messerschmiede galt.

Klein: "Es ist faszinierend, mehrere Stähle durch Faltungen funktional zu verbinden. Inzwischen gibt es aber auch Monostähle, welche noch bessere Eigenschaften haben."

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Tillmann Klein erfand die "Görlitzer Nausche"

Die Klinge muss zunächst in Form geschliffen werden, bevor man sich um die Schärfe der Schneide kümmert.  © Christian Juppe

Eine weitere Besonderheit erlernte er in Finnland: die Fertigung eines "Puukko", des sogenannten Finnendolchs. Dieses traditionelle Multifunktionswerkzeug besitzt einen Griff aus gemaserter Birke, welcher besonders bei Nässe sehr gut in der Hand sitzt.

Im Urlaub besucht Klein gern auch alte Meister in anderen Ländern, um ihnen über die Schulter zu schauen.

Seine internationalen Erfahrungen bringt er bei der Messermanufaktur Pirna ein, wo er jetzt in Vollzeit arbeitet. So ist die "Görlitzer Nausche", ein Messer mit einem Griff aus Ulmenholz, seine Entwicklung.

Es ist nur eines der rund zwanzig verschiedenen Messer, welche Meister und Geselle jeweils als Unikat herstellen. Dazu gehören auch ein Pirnaer Stollenmesser oder ein Sächsisches Wandermesser.

Natürlich ist Handarbeit teurer als Industrieware. Doch außer dem Prestige für ein Einzelstück hat sie ihre Vorzüge. Klein: "Den extremen Dünnschliff bekommt die Industrie nicht hin. Es ist viel schärfer und gibt ein ganz anderes Schnittgefühl."

Er gehörte zu den besten seines Jahrgangs

Das erneute Schärfen von Messern gehört auch zum Alltag der Messerschmiede.  © Christian Juppe

Als Qualitätskontrolle setzt man nach dem Feinschliff die Nagelprobe an - mit dem Fingernagel lässt sich die Schneide biegen. Die selbst gefertigten Griffe verleihen ein viel besseres Handgefühl. Daher sind nicht wenige Spitzenköche Stammkunden der Manufaktur.

Seine Gesellenprüfung absolvierte Klein 2023 mit Bravour und Sonderlob. Bei der Meisterschaft des Deutschen Handwerks gehörte er zu den besten des Jahrganges, nicht nur in seiner Zunft als Präzisionswerkzeugmechaniker.

Das brachte ihm auch ein Stipendium ein, welches er für Weiterbildungen nutzte. Danach gründete er auch seine eigene Firma, die er in Teilselbstständigkeit betreibt.

Klein: "Da stelle ich Messer nach individuellen Wünschen her - egal ob für Küche, Jagd oder Outdoor. Mit dem Kunden bespreche ich, auf welche Weise er das Werkzeug einsetzen will und gebe entsprechende Empfehlungen."

Klein kann es sich auch leisten, Anfragen abzulehnen: "Ich baue nichts für die Vitrine. Meine Messer sollen genutzt werden und den Besitzer glücklich machen."

Tillmann Klein wird künftig neue Messerschmiede ausbilden

In diesem kleinen Handwerksbetrieb in Pirna geht es scharf zur Sache.  © Christian Juppe

Dieser Grundsatz brachte ihn schon in Verlegenheit, als er einer Kommission mal seine Gesellenstücke zeigen sollte. Die hatte er an Fachleute verschenkt, die damit etwas Nützliches anzufangen wussten.

Im Moment bleibt ihm zum Tüfteln an neuen Techniken, Materialien oder Designs wenig Zeit. Denn Klein bereitet sich in Bad Neustadt auf die Meisterprüfung vor - als einziger Messerschmied des Jahrgangs.

Neben der Herstellung eines Meisterstückes erweitert er dabei seine Kenntnisse unter anderem in Betriebswirtschaft und Pädagogik, was ihm den Weg in die Selbstständigkeit ebnen wird. Das bedeutet dann auch: Tillmann Klein wird künftig neue Messerschmiede ausbilden können.

Info: manufactur-pirna.de

tactical-knives-and-more.com

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