Lecker brauen trotz Handicap? Aber klar! Steve ist der Beweis

Kamenz - Sie ist eine der kleinsten Brauereien des Freistaats - und sicher die besonderste: In der Bergschlösschen-Brauerei Lieske stehen auch Menschen mit Behinderungen am Hahn. Für Braumeister Mirko Endt (47) die wohl speziellste Herausforderung seines Lebens. Aber Steve (37) arbeitet lieber mit ihm als im Sägewerk oder Garten.

Steve Müller (37) beim Bierabfüllen. Eigentlich müsste er den Garten pflegen. Aber bei diesen Temperaturen...
Steve Müller (37) beim Bierabfüllen. Eigentlich müsste er den Garten pflegen. Aber bei diesen Temperaturen...  © Eric Münch

Im wohligwarmen Sudhaus duftet es nach Getreidebrei. Doch das liegt nicht am Frühstück des Braumeisters: Im Läuterbottich arbeitet die Maische.

Malz-Enzyme verwandeln bei circa 70 Grad Stärke in Zucker, der später für den Alkoholgehalt im beliebtesten Drink der Deutschen verantwortlich sein wird: im Bier.

1853 wurde die Brauerei auf dem heutigen Missionshof Lieske, einer naturnahen Einrichtung für Menschen mit Behinderung, erstmals urkundlich erwähnt. Nach verschiedensten Pächtern fiel sie in den 1960ern in den Dornröschenschlaf. Doch nach umfassender Sanierung wird hier seit 1998 feinster Gerstensaft gebraut.

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Auf dem Hof arbeiten heute 79 Menschen mit unterschiedlichsten Behinderungen in acht Gewerken: Neben der Brauerei betreiben sie eine Landwirtschaft mit Tierhaltung, Fleischerei mit Hofladen, Teich- und Forstwirtschaft, Montage- und Verpackungsabteilung, Garten- und Landschaftspflege, ein Sägewerk und eine Zimmerei.

Braumeister Mirko Endt (47) bei der Arbeit.
Braumeister Mirko Endt (47) bei der Arbeit.  © Eric Münch
In der Bergschlösschen-Brauerei Lieske arbeitent auch Menschen mit Behinderungen.
In der Bergschlösschen-Brauerei Lieske arbeitent auch Menschen mit Behinderungen.  © Eric Münch

Selbstgebrautes kann in Kisten oder Fässern vor Ort gekauft werden

Die Brauerei zum Bergschlösschen war einst ein Rittergut.
Die Brauerei zum Bergschlösschen war einst ein Rittergut.  © Eric Münch

Braumeister Endt ist stolz auf die Handwerkskunst vor Ort. Seit zehn Jahren arbeitet der gebürtige Westsachse ohne Automationen - und bekommt dabei von drei Hofbewohnern Hilfe. "Das ist nicht für jeden was", weiß der gelernte Brauer.

Im Alltag seien so manche Herausforderungen schwer zu händeln. "Da klärt man schon mal die nächste Bestellung mit Telefon an einem Ohr und die Beziehungsprobleme der Kollegen mit dem anderen", sagt er lachend. Aber dieser Sprung ins kalte Wasser habe ihm gutgetan.

"Mir macht es auch Spaß", lacht Steve Müller. Seit zehn Jahren wohnt der 37-Jährige auf dem Hof. "Ich bediene die Waschmaschine und klebe die Etiketten auf. Das mach’ ich ganz gut", grinst er, weil er weiß, dass er eigentlich im Garten arbeitet. Aber bei diesen Temperaturen...

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Vom Pils und Dunklem, die vier Wochen lang reifen, entstehen wöchentlich zehn Hektoliter. Dazu kommt einmal im Jahr ein Spezialbier, Maibock, Märzen. Aus dem Lager des Sudhauses werden die selbstgebauten Kisten oder Fässer freitags von 9 bis 18 Uhr und samstags von 9 bis 11 Uhr für 24 Euro verkauft. Für die aufwendige Handwerkskunst zahlt man am Ende auch neun Euro Pfand pro Kiste.

Wegen seiner Medikamente darf Steve eigentlich keinen Alkohol trinken. Aber das erste Bier der Abfüllung gehört seinen Brauern. "Mit oder ohne Beeinträchtigung", grinst Endt.

Titelfoto: Eric Münch

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