Sachsen gibt mehr aus als geplant: So massiv wird der Freistaat als Bauherr geschröpft

Sachsen - Marode Amtsgerichte, aus den Nähten platzende Hörsäle, abgewirtschaftete Polizeidirektionen: Unaufhörlich ist der Freistaat als Bauherr gefordert. Allein in den letzten fünf Jahren wurden 155 Sanierungen oder Neubauten, bei welchem der Auftragswert über einer Million Euro lag, abgeschlossen und ihrer Bestimmung übergeben.

Finanzminister Christian Piwarz (49, CDU) muss die Kostenüberschreitungen seines Vorgängers rechtfertigen und verweist auf schwierige Zeiten.  © imago/ddbd

Bei 78 Objekten lag die Kostenüberschreitung höher als zehn Prozent, manche wurde sogar mehr als doppelt so teuer wie ursprünglich geplant. Landtagsabgeordneter Ronald Pohle (64, CDU) brachte diese Zahlen mit einer Kleinen Anfrage ans Licht.

Um besonders scharfen Kritikern den Wind aus den Segeln zu nehmen, verweist Finanzminister Christian Piwarz (49, CDU) auf die Schwierigkeiten der Jahre 2019 bis 2024: Denn während der Pandemie standen viele Baustellen still und die folgenden Lieferengpässe verteuerten das Material erheblich. Der Ukraine-Krieg erhöhte die Energiepreise und trieb die Inflation, der Baupreisindex stieg um fast die Hälfte.

Doch allein mit dieser Erklärung will sich der Leipziger Ronald Pohle nicht zufriedengeben. Als Vize-Chef des Haushaltsausschusses und Hochbau-Berichterstatter für seine Fraktion will er den Mehrkosten auf den Grund gehen. Pohle: "Meinen Kontrollauftrag als Abgeordneter nehme ich sehr ernst. Da möchte ich sicherstellen, dass mit den Steuergeldern verantwortungsbewusst umgegangen wird."

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Mit den aus der Anfrage gewonnenen Zahlen will er in diesen Tagen mit dem Staatsbetrieb Sächsisches Immobilien- und Baumanagement (SIB), welcher Auftraggeber für die Staatsbauten ist, zu einzelnen Projekten und ihren Mehrkosten Gespräche führen und genaue Gründe erfahren.

Dabei spricht er nicht nur die auf dieser Seite aufgeführten Millionen-Ausreißer an, sondern auch kleinere Projekte mit relativ hohen Mehrkosten.

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Schloss Pillnitz und JVA Zwickau sind nur zwei von vielen Mega-Investitionen

Roland Pohle (64, CDU) will die Gründe genauer wissen.  © Steffen Proessdorf

So wurden etwa beim sächsischen Verbindungsbüro in Brüssel Dach und Fassade saniert - mit einer Kostenübersteigerung von 138,92 Prozent! Oder der Parkplatz am Schloss Pillnitz (400.000 Besucher im Jahr), der nach neun Jahren Bauzeit (!) statt 5 eben mal 7 Millionen Euro kostete (plus 38,7 %).

Pohle: "Hier kann man kostenlos parken. Ich frage mich, warum der Freistaat die Ausgaben nicht wenigstens zum Teil zurückholt."

Sachsens aktuell größtes Kostenüberziehungs-Problem will Pohle zunächst noch nicht ansprechen. Seit elf Jahren wird in Zwickau-Marienthal an einer riesigen JVA (820 Haftplätze) für Sachsen und Thüringen gebaut.

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Ursprünglich sollte sie 153 Millionen Euro kosten und 2019 eröffnet werden. Inzwischen wird von einer Bausumme von 330 Millionen gesprochen, ein Eröffnungsjahr noch nicht in Sicht.

Schloss Pillnitz lockt jährlich 400.000 Besucher an. Der völlig überteuerte Parkplatz bleibt für sie kostenlos.  © imago/imagebroker

Die 7 höchsten Kostenüberschreitungen der letzten fünf Jahre

Für die neue JVA werden in Zwickau wohl 330 Millionen Euro verbuddelt - doppelt so viel wie geplant.  © picture images

Platz 1 - Fritz-Foerster-Bau Dresden

+ 17.318.854 Euro

Ein repräsentatives Verwaltungsgebäude für die Exzellenz-Universität. Die Bauarbeiten begannen 2014, übergeben wurde das denkmalgeschützte Gebäude mit seiner imposanten Backsteinfassade 2023. Ursprünglich war dem Freistaat der Umbau der ehemaligen Chemischen Institute 37,3 Millionen Euro wert - es wurden über 56,6 Millionen (plus 46,41 %).

Platz 2 - Polizeidirektion Zwickau

+ 16.908.146 Euro

Der denkmalgeschützte Altbau wurde saniert und um zwei Neubauten ergänzt. Vorteil: 500 Polizisten haben jetzt 7000 Quadratmeter hochmoderne Nutzfläche und einen funktionstüchtigen Innenhof. Wermutstropfen: Statt der ursprünglich veranschlagten 27,8 Millionen Euro wurden letztendlich 44,7 Millionen verbaut (plus 60,68 %).

Platz 3 - Studienakademie Plauen

 + 12.372.833 Euro

Eine neue Stadtkrone auf dem Schloßberg zu Plauen - ein Schmuckstück für die Stadt. Die denkmalgeschützte Substanz des ehemaligen Gefängnis- und Gerichtsstandortes wurde saniert und zu einem modernen Multi-Funktions-Campus für 400 Studenten erweitert. Aus 19,9 Millionen wurden aber 32,2 Millionen Euro (plus 62,83 %).

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Platz 4 - Hörsaalzentrum Freiberg

+ 9.140.067 Euro

Eine hochmoderne Lern- und Forschungswelt für die Bergakademie Freiberg - ein Hörsaalzentrum und eine Universitätsbibliothek. Damit dieser markante Ziegelneubau auch weithin sichtbar ist, spendierte der Freistaat sogar einen 40 Meter hohen Turm. Auch der Preis schoss in die Höhe, von 40 Millionen auf 49 Millionen Euro (plus 22,85 %).

Platz 5 - Psychiatrie Altscherbitz

+ 7.129.464 Euro

Zu Kaisers Zeiten wurden die Irrenanstalten weit hinter dem Rand der Stadt angelegt - das komplette Krankenhausgelände der heutigen Klinik für Psychiatrie zwischen Schkeuditz und Leipzig steht unter Denkmalschutz. So wurde die Sanierung und ein 175 Meter langer Neubau für Haus 19, 20, 21 zur Herausforderung. Aus 17,4 Millionen wurden dann 24,5 Millionen Euro (plus 40,94 %).

Wenn der Freistaat draufzahlt, liegt es nicht unbedingt an skrupellosen Unternehmen oder gestiegenen Preisen. Oft gab es die Fehler bereits bei der Planung und der Kalkulation.  © 123RF

Platz 6 - Justizzentrum Leipzig

+ 6.448.052 Euro

Im Innenhof des Amtsgerichtes soll ein Justizzentrum entstehen. Der erste Bauabschnitt für die Staatsanwaltschaft, die bisher auf verschiedene Standorte im Stadtgebiet verteilt war, ist inzwischen abgeschlossen - Bestandsbauten wurden durch einen großen Neubau ergänzt. Statt 33,4 Millionen bezahlte der Freistaat 39,9 Millionen Euro (plus 19,28 %).

Platz 7 - Polizeirevier Nord Leipzig

+ 6.072.014 Euro

Auf dem Gelände einer ehemaligen Tongrube, die erst tragfähig gemacht werden musste, wurde ein hochmodernes Polizeirevier für 246 Bedienstete geschaffen. Es vereint die bisher fünf verschiedenen Standorte unter einem Dach. Schön für die Polizisten, weniger für die Steuerzahler: Aus ursprünglich 13,5 Millionen wurden 19,6 Millionen Euro (plus 44,83 %).

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