Vom Dorfbäcker zum Dreifach-Präsidenten: Geerdetem Lausitzer gelingt schwieriger Spagat
Bernsdorf - Ein Dorfbäcker aus der Lausitz führt seit einigen Jahren ein sonderbares Doppelleben. Neben seiner geliebten Tätigkeit als Handwerksmeister und Firmenchef übt Roland Ermer (61) noch das Ehrenamt als Präsident aus - und das gleich dreifach: für die sächsischen Schützen, die deutschen Bäcker und seit neuestem auch für alle Bäcker und Konditoren Europas! Doch was treibt ihn an, wie bringt er das alles unter einen Hut?

"Backen ist mein Leben." Roland Ermer kommt schnell ins Schwärmen, wenn er über seinen Beruf spricht. "Man spürt, wie der Teig lebt. Man beobachtet die Wandlungen und Metamorphosen seines Geschöpfes. Und dann der herrliche Geruch, wenn man die knusprige Ware aus dem Ofen zieht. Das macht einfach glücklich, es ist geil!"
Fast möchte man meinen, dass ihn keine zehn Pferde aus seiner Backstube ziehen könnten. Doch in den letzten Jahren gab es häufiger Wochen, in denen er es nicht schaffte, wenigstens einen Tag seinem Beruf nachzugehen.
Denn die Präsidentenämter, die er begleitet, fordern Kraft, Zeit und Aufmerksamkeit. Dafür fährt er im Jahr 80.000 Kilometer durchs Land. Und als europäischer Präsident kommen jetzt viele Flugmeilen hinzu.
Der kleine Familienbetrieb in Bernsdorf mit zwei Filialen (Hoyerswerda und Lieske) und dreißig Mitarbeitern läuft trotzdem heiß, selbst wenn der Chef gerade für die Verbandspolitik abwesend ist.

Ermer brachte damaligen Bundesfinanzminister Wolfgang Schäuble zum Einknicken

Ermer: "Meine Frau ist voll in den Betrieb integriert, und meine große Tochter organisiert das ganze operative Geschäft sehr gut. Und wir haben prima Mitarbeiter, auf die man sich verlassen kann."
So wie man sich auf Ermer verlassen kann. Als man ihn 2011 fragte, ob er als Präsident des Sächsischen Handwerkstages zur Verfügung steht, sagte er zu. Gleich zu Beginn seiner Amtszeit gelang ihm ein Riesenerfolg für Bäcker und Lebensmittelverkäufer.
Denn die sollten plötzlich Umsatzsteuer zahlen, wenn sie übrig gebliebene Ware an die Tafelvereine spendeten. Ermer trat eine Kampagne los und sein Parteikollege, Bundesfinanzminister Wolfgang Schäuble (CDU), musste klein beigeben.
Als Handwerkspräsident durfte er auch vor dem Sächischen Landtag reden. Seine ersten Worte: "Ein Handwerker wird zum Mundwerker, wenn das mal gut geht ..." Die Abgeordneten aller Fraktionen mussten erst einmal lachen.

2022 ging es Schlag auf Schlag

Probleme spricht er in seiner authentischen und unverstellten Art an - und eben nicht um den heißen Brei herum. Trotz des Mundwerks versteht er auch zuzuhören und Kompromisse zu finden. Als er nach zehn Jahren das Amt in frischere Hände legte, wusste Ermer: Er kann Präsident.
Und dann ging es Schlag auf Schlag: Seit 2022 vertritt Ermer als Präsident die Interessen des Sächsischen Schützenbundes, 2023 wurde er zum Präsidenten des Zentralverbandes des Deutschen Bäckerhandwerks gewählt und vor fünf Wochen auch zum Präsidenten der Bäcker und Konditoren Europas (CEBP).
Kommt man da nicht durcheinander und verliert die Bodenhaftung? Ermer: "Man muss zum Selbstschutz höllisch aufpassen. Ich sage mir, ich führe dieses Amt jetzt so gut wie ich kann aus und werde alles tun, dass dieses Amt seine Würde behält. Aber das ist der Präsident, und nicht der Ermer, nicht ich als Person. Und das vermag ich mir immer wieder klarzumachen."
Zurück in die Backstube. Perfekt getaktete Abläufe gibt es hier nicht. Ermer: "Es ist Biologie. Mal entwickeln sich die Bakterien nicht so schnell wie gewohnt, mal ist das Mehl etwas zu kühl. Dann wartet man eben und lässt den Teig noch reifen und putzt zwischendurch Bleche oder wiegt Zutaten ab. Man agiert sehr flexibel und hat ein Gespür für das richtige Timing."
Kaum noch Freizeit übrig


In seinem Ehrenjob als dreifacher Präsident, als welcher er auch noch in verschiedenen Gremien mitwirken muss, bleibt ein solcher Spielraum nicht. Hier lebt Ermer hart nach Kalender, welcher für das nächste halbe Jahr streng durchterminiert ist.
Anfang März fragte ihn ein alter Kumpel, wann er im Sommer Zeit für einen Grillabend hat. Ermer schaute nach: am 26. Juni - der einzig mögliche Termin. Und dort wurde er von alten Freunden scherzhaft mit "ach schau da, der Präsident kommt" begrüßt.
Darüber lächelt der Bäckermeister milde hinweg. Zu wichtig sind ihm die Aufgaben, die er übernommen hat. Etwa Bäcker für ein Engagement in den Innungen zu gewinnen: "Wenn wir Handwerker nicht für uns kämpfen, dann macht es niemand. Und alle können dann an den Erfolgen partizipieren."
Dass er Ober-Lobbyist für die Bäcker Europas werden muss, wurde ihm als deutscher Bäckerpräsident klar.
Maximal zehn Jahre gibt sich Ermer


Ermer: "Die meisten uns betreffenden Entscheidungen werden in der EU gefällt und dann in nationales Recht umgesetzt. Doch dann sind unsere Einflussmöglichkeiten nur noch minimal."
Als aktuelles Beispiel nennt er die beschlossene Entwaldungsverordnung. Diese soll sicherstellen, dass für Anbauflächen etwa für Soja, Kakao oder Kaffee in den letzten Jahren kein Wald abgeholzt wurde. Damit diese Hersteller boykottiert werden, sollen die Lebensmittelproduzenten zertifiziert die Lieferketten nachweisen. Ein bürokratisches Monster.
Ermer: "Die meinen es in Brüssel sicher nicht böse. Sie sind nur zu weit von der Lebensrealität entfernt. Daher braucht es jemanden, der ihnen die Auswirkungen der Beschlüsse schon vorher erklärt."
Europas Bäckerverband hat keinen Hauptamtlichen vor Ort, welcher die entstehenden Gesetzestexte nach Gefahren für die Zunft durchforstet. Das will der Lausitzer als Erstes ändern.
Ewige Zeit gibt er sich dafür nicht. Maximal zehn Jahre will er jedes Amt ausüben. Ermer: "Man muss sich nichts vormachen: Irgendwann hat man in so einer Position nur noch Menschen um sich herum, die einen gut finden und es gibt keine Reibung und neue Ideen mehr. Das wäre eine Katastrophe für die Interessen des Verbandes."
Info: baecker-ermer.de, baeckerhandwerk.de.
Titelfoto: Bildmontage: ZV-Bäcker, Robert Michael/dpa-Zentralbild/dpa