Inklusion beim VFL Oldenburg: "Wollen keine Weltmeister werden, sondern Aufmerksamkeit erregen!"

Hamburg/Oldenburg – Andreas "Andi" Hinrichs trainiert seit April dieses Jahres die erste Inklusionsmannschaft des VFL Oldenburg. Aber nicht nur Menschen mit Handicap, sondern auch ohne sind hier herzlich willkommen. Ein leider noch viel zu wenig vertretenes Konzept findet Andi und will deswegen mit gutem Beispiel vorangehen.

Zusammen mit seinem guten Freund Pascal Sander (l.) trainiert Andreas "Andi" Hinrichs seit April die erste Inklusionsmannschaft des VFL Oldenburg.
Zusammen mit seinem guten Freund Pascal Sander (l.) trainiert Andreas "Andi" Hinrichs seit April die erste Inklusionsmannschaft des VFL Oldenburg.  © privat

Vor drei Jahren hat Andi das "Projekt Handicap 2020" gegründet. Damals war er noch Assistenztrainer bei der Inklusionsmannschaft des VFL Edewecht. Doch der gebürtige Norddeutsche wollte mehr Möglichkeiten für Menschen mit Behinderung schaffen und war lange Zeit auf der Suche nach einem größeren Verein für sein Projekt.

"Ich hätte nie gedacht, dass der VFL Oldenburg sagt 'Ja, wir machen das mit dir'. Oft haben die Vereine Hemmungen und nennen als Gegenargumente, es sei zu viel Aufwand und man habe die entsprechenden Trainer nicht", erklärte Andi im Gespräch mit TAG24. "Es engagieren sich aber auch immer noch zu wenige in diesem Bereich."

Er selber engagiert sich seit Jahren aufgrund seiner Familiengeschichte:

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"Meine Tochter hat eine geistige Behinderung und deswegen habe ich dieses Projekt für Menschen wie sie gegründet, damit diese auch ihre Anerkennung in der Gesellschaft, aber auch im Sport zurückbekommen. Es geht ja nicht nur im Fußball, sondern es ist ein soziales Projekt."

"Es ist ganz wichtig, dass die Hemmungen auf beiden Seiten fallen."

Andi Hinrichs besuchte zusammen mit Tochter Svenja und Ehefrau Heike die TAG24-Redaktion in Hamburg, um sein Projekt vorzustellen.
Andi Hinrichs besuchte zusammen mit Tochter Svenja und Ehefrau Heike die TAG24-Redaktion in Hamburg, um sein Projekt vorzustellen.  © Madita Eggers/TAG24

Svenja Hinrichs (25) spielt seit 14 Jahren mit großer Leidenschaft Fußball, und seit ein paar Wochen auch in der Mannschaft ihres Vaters.

"Uns als Familie hat das sehr geholfen, wir sind Vorbilder geworden. Vor allem meine Tochter hat ziemlich viele Fans, sie setzt sich auch ganz schön durch mir gegenüber", so Hinrichs amüsiert. Ehefrau Heike will eher im Hintergrund bleiben, sie macht lieber die Fotos und Videos.

Allgemein seien alle Beteiligten des Projekts wie eine große Familie: "Wir halten alle zusammen!" Ohne den engen Kontakt zu den Eltern oder den Betreuern wäre ein solches Projekt aber auch nicht umsetzbar, so Andi. Zu seinem Job als Trainer – den er mit "viel Herzblut" und auf ehrenamtlicher Basis ausübt - gehörten viel Einfühlungsvermögen und Vertrauen.

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"Das Training ist sehr speziell. Wir haben Menschen dabei, die noch nie Fußball gespielt haben. Man muss die Leute erstmal kennenlernen, sich behutsam annähern und dann bringen wir ihnen die Ballführung bei. Also, wie man überhaupt schießt und zielt. Und irgendwann merken sie: Hey, ich kann das ja auch."

Nach eineinhalb Monaten gebe es bereits keine Berührungsängste mehr zwischen den Menschen mit und ohne Behinderung. "Es ist ganz wichtig, dass die Hemmungen auf beiden Seiten fallen."

"Wir wollen keine Weltmeister werden, sondern Aufmerksamkeit erregen!"

Die neue Inklusionsmannschaft des VFL Oldenburgs freut sich über neue Mitglieder.
Die neue Inklusionsmannschaft des VFL Oldenburgs freut sich über neue Mitglieder.  © privat

Trainiert wird momentan einmal die Woche. Tendenz steigend. Wobei hier nicht die Leistung, sondern die Freude an der Bewegung im Vordergrund steht.

Obwohl es dennoch ein Traum von Andi ist, einmal mit seiner Mannschaft einen Pokal zu gewinnen. Und die Chancen dafür stehen nicht schlecht, noch dieses Jahr soll in Kooperation mit dem SV Werder Bremen und anderen Inklusionsmannschaften aus ganz Deutschland ein Turnier stattfinden.

"Wir wollen keine Weltmeister werden, sondern Aufmerksamkeit erregen", betont Andi. So ein Projekt zu leiten, bedeute hartnäckige Überzeugungsarbeit, aber er macht es gern: "Mein Lohn ist das Lachen der Menschen!"

Für die Zukunft hat der Oldenburg-Trainer noch ganz viele Pläne, die er "nach und nach" angehen will. Dabei geht es vor allem darum, für mehr Vielfalt und Toleranz im Fußball aber auch in der Gesellschaft an sich zu kämpfen.

"Wir wollen über die Grenzen hinausgehen, nur so kann man etwas erreichen. Nur dafür müssen andere Vereine auch mitmachen". Auch eine Kooperation mit dem Hamburger SV oder dem FC St. Pauli kann sich Hinrichs vorstellen, schließlich ginge es im Fußball in erster Linie nicht um Konkurrenz, sondern um Spaß und Gemeinschaft. Gerne stehe er auch beratend anderen Vereinen zur Seite.

Beim "Projekt Handicap 2020" und beim VFL Oldenburg ist jeder willkommen. Trainiert wird immer mittwochs von 17.30 bis 18.30 Uhr. Wer Interesse hat oder mehr über das Projekt wissen will, kann sich bei Trainer Andi Hinrichs per Mail oder auf vfl-oldenburg-fussball.de informieren.

Titelfoto: privat

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