Kaderplaner erklärt im TAG24-Interview: So scoutet Energie Cottbus
Cottbus - Maniyel Nergiz ist 42 Jahre alt, verheiratet, zweifacher Familienvater, seine Familie wohnt in Paderborn. Seit Jahresbeginn bekleidet er die neu geschaffene Stelle als Kaderplaner bei Energie Cottbus. Trotz laufender Transferphase nahm er sich für TAG24 Zeit, das neue Scouting-System des Drittligisten zu erklären.

TAG24: Hallo Maniyel, wie wird man eigentlich Kaderplaner?
Nergiz: Ich war früher Co-Trainer/Analyst in Verl, Paderborn, Ingolstadt und Osnabrück, habe da viele Berührungspunkte im Scouting, besonders im Datenscouting, gehabt, zumal ich einen mathematischen Hintergrund besitze.
TAG24: Beschreibe uns bitte einmal, wie dein Arbeitsalltag aussieht?
Nergiz: Meine Stelle sieht so aus, dass ich insbesondere Pele [Wollitz] unterstütze, was Vorfilterung von Spielern betrifft. Ich versuche das in drei Phasen zu gliedern, zunächst datenbasiert vorzufiltern, dann viel Video-Scouting und wenn das beides positiv war: das Live-Scouting.
Und wenn auch das positiv war, kläre ich die vertragliche Situation, führe Gespräche mit Beratern, spreche auch mit Spielern im Vorfeld.
Maniyel Nergiz spricht über Daten-Scouting, Video-Scouting und Live-Beobachtungen

TAG24: Sind die beschriebenen Schritte des Scoutings alternativlos?
Nergiz: Nein. Das ist eine Möglichkeit. Eine andere Möglichkeit ist, dass uns sehr viele Spieler angeboten werden, die ich dann prüfe. Es soll jetzt nicht den falschen Eindruck erwecken, dass wir hier nur datenbasiert arbeiten. Ganz im Gegensatz: Die wichtigste Phase ist das Live-Scouting. Alles andere ist eine Art Vorarbeit, weil wir nicht die Menpower besitzen.
Und da wir noch keine Scouting-Abteilung haben, bin ich nicht einfach so zu Spielen rausgefahren bin, sondern gezielt. Der Vorteil ist, wenn du dir nicht ein Spiel anschaust, sondern einen Spieler, dass du auf viel mehr Details wie zum Beispiel die Rückwärtsbewegung achten kannst.
TAG24: Hast du eine eigene Maßgabe, wo und wie oft du einen Spieler gesehen haben willst, bevor ihr ihn verpflichtet?
Nergiz: Ich habe probiert viele Topspiele zu schauen und Mannschaften, die Drucksituationen hatten. Aber das geht nicht immer, ich muss versuchen in einer Woche oder Wochenende mindestens dreimal gezielt rauszufahren.
Mittelfristig sollen für Energie Cottbus wieder ausländische Märkte ein Thema werden

TAG24: Wo warst du denn in den vergangenen Monaten unterwegs?
Nergiz: Die Regionalliga allgemein ist unser wichtigster Markt. Ich habe wirklich alle Regionalligen gesehen, aber auch viel 3. Liga.
TAG24: Hast du in den einzelnen Regionalligen einen Niveau-Unterschied gemerkt?
Nergiz: Es ging. Ich würde jetzt nicht sagen, dass die Unterschiede so gravierend waren wie man es häufig vermutet. Wahrscheinlich ist in der Breite die Regionalliga Bayern und Nord ein Stück weit schwächer.
TAG24: Ist auch das Ausland mit Blick auf die begrenzten Ressourcen ein realistischer Markt?
Nergiz: Ja, aber erst mittelfristig. Kurzfristig halte ich uns noch nicht für so weit, dass wir den polnischen, tschechischen Markt, vielleicht auch den von Österreich, der Schweiz und Holland in der Masse abbilden können. Wir haben hier in Cottbus einen kleinen Standortnachteil, mittelfristig müssen das für uns Optionen sein.
Wir versuchen für uns das Motto umzusetzen: Regional hat vor national vor international Priorität. Natürlich ist das nicht immer möglich, aber regionale Nähe kann ein paar Prozentpunkte mehr bringen - sei es die Sicherheit schnell wieder bei der Familie sein können oder dass jede zweite Woche Familie und Freude im Stadion sein können.
Hinweis: Teil zwei des Interviews zum Thema Transferphilosophie folgt am Montag.
Titelfoto: TAG24 / Lukas Schulze