Dynamo-Doc Al-Sadi schlägt Alarm: Immer mehr Kopfverletzungen mit Langzeitfolgen

Dresden - Jeder erinnert sich noch an die tragische Szene, als Dirk Carlson (24) vom FC Erzgebirge Aue am 8. Mai, dem vorletzten Spieltag der 2. Bundesliga gegen Werder Bremen, mit dem eigenen Mitspieler Prince Owusu (25) in der Luft zusammen knallte. Bewusstlos wurde der Abwehrspieler in der 75. Minute aus dem Stadion getragen. Auch Dynamo Dresden erwischte es. Paul Will (23) musste im Hinspiel der Relegation gegen den 1. FC Kaiserslautern früh nach einer Gehirnerschütterung runter. Das Thema Kopfverletzungen kommt immer mehr auf den Prüfstand.

Auch Dynamos Verteidiger Michael Sollbauer (32, r., hier gegen Lauterns Terrence Boyd) erwischte es heftig - Nasenbeinbruch.
Auch Dynamos Verteidiger Michael Sollbauer (32, r., hier gegen Lauterns Terrence Boyd) erwischte es heftig - Nasenbeinbruch.  © IMAGO/Michael Täger

Ein anderes Beispiel waren die Dresdner Michael Sollbauer (32) und Brandon Borrello (26). Beide brachen sich im Herbst daheim gegen den Karlsruher SC das Nasenbein, waren danach beide lange mit Maske unterwegs.

Oder Sebastian Rode (31) von Eintracht Frankfurt. Er spielte im Europa-League-Finale nach einem Tritt gegen den Kopf mit Turban weiter. Er wurde als harter Hund gefeiert.

Doch mit Heldentum hat das nichts zu tun. Ein Reporter-Team des MDR hat eine Doku zu diesem Thema gedreht. "Kopfbälle mit Folgen - wie groß sind die Risiken im Fußball?" heißt sie.

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Gesprächspartner suchten sie in Vereinen und unter Profis. Reden wollte kaum einer über dieses Thema. Doch dieses ist brisant. In der abgelaufenen Saison zählten die Reporter nur in der 1. Bundesliga an 34 Spieltagen 22 Gehirnerschütterungen.

Kopfverletzungen sind im Spiel schwer einzuschätzen

Dynamo-Arzt Dr. Onays Al-Sadi (41, 2.v.l.) eilte zum verletzten Paul Will (23, 3.v.l.).
Dynamo-Arzt Dr. Onays Al-Sadi (41, 2.v.l.) eilte zum verletzten Paul Will (23, 3.v.l.).  © IMAGO/René Schulz

Knapp sieben Prozent aller Verletzungen passieren mittlerweile am Kopf - die meisten nach Fuß und Knie. Eine englische Studie besagt, bei Profis ist die Gefahr, an Alzheimer oder Parkinson zu erkranken, dreimal so hoch wie bei "normalen" Menschen.

Einen Gesprächspartner fand das Team in Dresden bei Dynamos Mannschaftsarzt Dr. Onays Al-Sadi (41). "Die Kopfverletzung ist eine Verletzung, die häufig fehl eingeschätzt wird, weil es sehr schwer ist, sie einzuschätzen und dann die richtigen Entscheidungen zu treffen. Bei den Spielern ist Adrenalin drin. Sie sind naturgemäß immer geneigt weiterzuspielen", sagt er.

Eine Möglichkeit, die Jungs bei Kopfverletzungen sofort vom Feld zu nehmen, wäre ein zusätzlicher Wechsel, der das eigentliche Wechselkontingent von fünf Kickern nicht beansprucht.

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Al-Sadi würde genau das begrüßen. "Die Diskussionen darum sind gut. Das würde den Druck von dem Spieler nehmen, aber auch vom Trainerteam. Es ist immer eine schwierige Entscheidung, aber manchmal muss man sie treffen", so der Team-Arzt.

Die Fußballverbände steuern im Nachwuchs bereits dagegen

Aues Dirk Carlson (24, am Boden) brach am 8. Mai bewusstlos zusammen.
Aues Dirk Carlson (24, am Boden) brach am 8. Mai bewusstlos zusammen.  © IMAGO/Michael Täger

Verbieten lässt sich das Kopfballspiel nicht, in der abgelaufenen Bundesliga-Saison wurden 954 Tore erzielt, 164 per Kopf. Standards werden immer wichtiger, es wird täglich trainiert.

"Es gibt Hinweise darauf, dass eine kräftige Nacken-Schulter-Muskulatur ein wesentlicher Faktor ist, wie schwere Kopfverletzungen verhindert werden können", so Al-Sadi.

Den Fußballverbänden in Deutschland ist das Problem bekannt. Sie steuern im Nachwuchs bereits dagegen.

Es gibt mittlerweile Spielformen bei den ganz Kleinen, bei denen lange und hohe Bälle verboten sind. Der flache Pass steht im Vordergrund. So sollen Kopfverletzungen im jungen Alter vermieden werden.

Titelfoto: IMAGO/Michael Täger, IMAGO/René Schulz

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