Blutjunge VfB-Truppe vor verflixtem zweiten Jahr: Abstiegsangst oder Europatraum?

Stuttgart - Vergangene Saison gelang dem VfB Stuttgart der Klassenerhalt noch mit links. Wie schlagen sich die Schwaben aber im meist schwierigen zweiten Jahr nach dem Aufstieg? Abstiegskampf oder Europatraum? Alles dazu in der TAG24-Bundesliga-Vorschau.

Florian Müller ist der Top-Transfer des VfB Stuttgart

Ein Top-Transfer aus der Not heraus! Schmerzlich musste der VfB Stuttgart seinen Stammkeeper Gregor Kobel (23) zu Borussia Dortmund ziehen lassen. Doch Sportdirektor Sven Mislintat (48) hatte schnell einen Plan B parat: Florian Müller (23).

Rund fünf Millionen Euro sollen die Schwaben für den Tormann an den 1. FSV Mainz 05 überwiesen haben. Ein Schnäppchen, sollte der 23-Jährige die Leistungen der vergangenen Saison bestätigen, als er zum SC Freiburg ausgeliehen war. Dort kam er zu 31 Bundesliga-Einsätzen, sechsmal behielt er dabei eine weiße Weste.

Im Vergleich zum "Lautsprecher" Kobel ist Müller ein eher ruhiger Typ. Mit dem Ball am Fuß ist der Ex-Mainzer jedoch ähnlich stark, was ihm im offensiven sowie variablen System von VfB-Coach Pellegrino Matarazzo (43) zugutekommt. Wermutstropfen: Müller reiste mit der deutschen Nationalmannschaft zu den Olympischen Spielen in Tokio, weshalb er den Großteil der Vorbereitung verpasste.

Zudem war seine Olympia-Leistung durchwachsen. Beim VfB muss er nun erst wieder beweisen, was in ihm steckt.

Die neue Nummer eins beim VfB: Florian Müller (23).
Die neue Nummer eins beim VfB: Florian Müller (23).  © Kiichiro Sato/AP/dpa

VfB hält sich auf dem Transfermarkt zurück, Neuzugang Chris Führich schon schwer verletzt

Ansonsten blieb der durch die Pandemie finanziell stark gebeutelte VfB passiv auf dem Transfermarkt. Mit Chris Führich (23) verpflichtete man nur einen weiteren Profi, der von Beginn an das Potenzial zum Stammspieler hat.

Führich, der für circa 2,5 Millionen Euro vom SC Paderborn nach Stuttgart kam, ist offensiv variabel einsetzbar und kann auf dem Flügel sowie im Zentrum agieren. Zudem ist er torgefährlich. Vergangene Saison traf er für die Westfalen in der 2. Bundesliga satte 13 Mal. Er soll vor allem die Lücke füllen, die der abgewanderte Nicolas Gonzalez (23) hinterließ. Problem: Führich brach sich in der Vorbereitung das Schlüsselbein und fällt mehrere Monate aus.

Während VfB-Sportdirektor Mislintat hinsichtlich neuem Stammpersonal sparsam blieb, war er in Sachen Transfers für die Zukunft aktiv wie eh und je. So wurde der bislang nur ausgeliehene Naouirou Ahamada (19) von Juventus Turin für 1,5 Millionen Euro fest verpflichtet. Für ihn gab es eine Kaufverpflichtung.

Außerdem lotsten die Schwaben Ömer Beyaz (17) von Fenerbahce Istanbul an den Neckar, der allerdings erst ab seinem 18. Geburtstag am 29. August für die Profis spielberechtigt ist.

Für eine Überraschung könnte Hiroki Ito (22) sorgen. Der Japaner kam auf Leihbasis vom japanischen Zweitligisten Jubilo Iwata zum VfB und ließ sein Potenzial bereits in der Vorbereitung aufblitzen.

Derweil gehört nun Mohamed Sankoh (17) zum Bundesliga-Team, der vergangene Spielzeit noch regelmäßig für die VfB-Reserve kickte und Nikolas Nartey (21) kehrte nach seiner Leihe vom SV Sandhausen nach Stuttgart zurück.

Sportdirektor Sven Mislintat (48, l.) stellt Chris Führich (23, r.) vor.
Sportdirektor Sven Mislintat (48, l.) stellt Chris Führich (23, r.) vor.  © VfB Stuttgart

VfB stopft mit Transfers von Gregor Kobel (BVB) und Nicolas Gonzalez (AC Florenz) das Corona-Loch

Weil die Pandemie den VfB finanziell bis ins Mark traf, waren die Schwaben auf lukrative Abgänge angewiesen. Dementsprechend von Vorteil war es, dass sich in einer fulminanten Saison einige Akteure ins Rampenlicht spielten.

Einer von ihnen war der schon erwähnte Tormann Kobel. Für satte zwölf Millionen Euro verließ er den VfB in Richtung BVB. Der Schweizer Keeper ist nun nach Manuel Neuer (35), der für rund 28 Millionen Euro vom FC Schalke 04 zum FC Bayern München wechselte, der zweitteuerste Keeper der Bundesliga-Geschichte.

Noch mehr Geld bekamen die Schwaben für den zum AC Florenz abgewanderten Gonzalez, dessen Ablöse auf 23,5 Millionen Euro geschätzt wird. Ebenfalls ein gutes Geschäft für Stuttgart, denn der argentinische Angreifer spielte in der abgelaufenen Saison verletzungsbedingt kaum eine Rolle.

Mit diesen zwei Hammer-Transfers in Höhe von rund 40 Millionen Euro hat Sportdirektor Mislintat sein Soll erfüllt und das finanzielle Corona-Loch gestopft. Dementsprechend entspannt reagiert der 48-Jährige auf die Gerüchte rund um Stürmerstar Sasa Kalajdzic (24). Der umworbene Österreicher verzichtete bislang auf ein klares Bekenntnis zum VfB. Eins ist aber klar: Für Kalajdzic müsste ein Klub circa 50 Millionen Euro hinblättern.

Neben den Top-Abgängen sorgte eine weitere Personalie bei den Schwaben für Furore: Gonzalo Castro (34). Seinen Vertrag ließ man einfach auslaufen, wodurch sich der VfB zum einen ein teures Gehalt spart. Zum anderen will Stuttgart vor allem auf seine Youngster setzen und ihnen mehr Raum zur Entfaltung geben.

In diesem Zuge trennte sich der VfB außerdem von einigen Akteuren, die sich unter Coach Matarazzo nicht durchsetzten. So wechselte Marcin Kaminski (29) ablösefrei zum FC Schalke 04 und Luca Mack (21) zum ungarischen Erstligisten Ujpest FC. Der langjährige dritte Torwart Jens Grahl (32) entschied sich dagegen aus persönlichen Gründen für eine neue Herausforderung bei Eintracht Frankfurt.

Maxime Awoudja (23, WSG Tirol) und Antonis Aidonis (20, Dynamo Dresden) wurden derweil verliehen. So wie Dauer-Leihspieler Pablo Maffeo (23), den es dieses Mal zum RCD Mallorca zog.

Nicolas Gonzalez (23) startet jetzt für den AC Florenz durch.
Nicolas Gonzalez (23) startet jetzt für den AC Florenz durch.  © Matthias Balk/dpa

Starke Form des VfB Stuttgart wird von Corona- und Verletzungspech überschattet

Ergebnistechnisch hat der VfB Stuttgart eine so gut wie reibungslose Vorbereitung hinter sich. Die Schwaben gewannen zum Auftakt die Partien gegen den FSV Hollenbach (10:1) und dem FC St. Gallen 1879 (3:0) deutlich, ehe ein mageres 1:1 gegen den SV Darmstadt 98 folgte.

Im Trainingslager trotzten sie dem FC Liverpool dann ein starkes 1:1 ab und gewannen im Duell mit Wacker Innsbruck verdientermaßen mit 1:0. Zum Abschluss des Aufenthalts in Kitzbühel schlugen die Schwaben Arminia Bielefeld mit 5:2.

Generell überzeugte der VfB in der Vorbereitung mit großer taktischer Variabilität. Allerdings wurden die guten Leistungen von Verletzungsproblemen sowie Corona-Fällen überschattet. So verlor die Stuttgarter Notelf die Generalprobe gegen den FC Barcelona deutlich mit 0:3.

Auch zum Pflichtspielauftakt beim BFC Dynamo fehlten den Schwaben verletzungs- und coronabedingt 13 Spieler. Dennoch überzeugten die Schützlinge von Coach Matarazzo und gewannen beim Regionalligisten mit 6:0.

Silas Katompa Mvumpa (22) wird den Schwaben nach seinem Kreuzbandriss noch mehrere Monate fehlen.
Silas Katompa Mvumpa (22) wird den Schwaben nach seinem Kreuzbandriss noch mehrere Monate fehlen.  © Tom Weller/dpa

TAG24-Prognose: Greift ein Rad ins andere, kann es für den VfB Stuttgart hoch hinausgehen!

Das Ziel für den VfB Stuttgart wird in der zweiten Saison nach dem Bundesliga-Aufstieg erneut der Klassenerhalt sein. Diesem Anspruch dürfte der Kader mindestens gerecht werden.

Als Nummer eins im Tor ist Neuzugang Müller gesetzt. Der 23-Jährige dürfte sein kleines Olympia-Tief schnell vergessen und ein starker Rückhalt für die Schwaben werden. Im Notfall steht Fabian Bredlow (26) parat, der nach seiner guten Performance in der Vorbereitung sowie im DFB-Pokal beim BFC Dynamo zumindest auf weitere Pokaleinsätze hoffen kann. Mit welchem dritten Keeper die Stuttgarter in die Saison gehen, war zunächst ungewiss.

Gewaltige Defensiv-Power! In der Dreierabwehrkette haben sich Konstantinos Mavropanos (23), Waldemar Anton (25) und Marc Oliver Kempf (26) etabliert. Außerdem bewies Neuzugang Ito im Pokal, dass er sich vor den Stammkräften nicht verstecken braucht - besonders seine intelligente Spieleröffnung begeisterte!

Als Backup fungiert derweil Pascal Stenzel (25), der außerdem auf der rechten Außenbahn den defensiven Part spielen kann.

Atakan Karazor (24), der auch schon in der Innenverteidigung eingesetzt wurde, wird aufgrund der Verletzungssorgen zunächst im defensiven Mittelfeld gebraucht. Dort dürfte er zum Bundesliga-Auftakt an der Seite des Kapitäns und "Mister Zuverlässig" Wataru Endo (28) auflaufen. Alternativen wären Philipp Klement (28), der im Pokal ein gutes Spiel machte, und Youngster Ahamada. Auch Nartey war nah dran an der Startelf, doch der Däne fällt aufgrund einer Corona-Infektion vorerst aus. Noch länger muss der VfB sogar auf seinen eigentlichen Stammsechser Orel Mangala (23) verzichten, der mit einer hartnäckigen Muskelverletzung im Oberschenkel zu kämpfen hat.

Auf der linken Außenbahn setzt Coach Matarazzo auf seinen Traumvorlagengeber Borna Sosa (23). Der ist derzeit so gut wie konkurrenzlos, da Erik Thommy (26) beim Coach keinen guten Stand hat und Clinton Mola (20) sich nach langer Verletzungspause erst wieder heranarbeiten muss.

Die Position auf dem rechten Flügel ist dagegen umkämpft. Aufgrund der schweren Verletzung von Silas Katompa Mvumpa (22, Kreuzbandriss) und der Corona-Infektion von Tanguy Coulibaly (20) duellieren sich Roberto Massimo (20) sowie Darko Churlinov (21) vorerst. Ersterer hat aktuell die Nase vorn. Beyaz könnte ebenfalls die rechte Außenbahn beackern.

Auch im zentraloffensiven Mittelfeld geht es bei den Schwaben eng zu. Gesetzt ist einzig Philipp Förster (26), der in der kommenden Spielzeit deutlich mehr Torgefahr versprühen muss. Um den Platz neben ihm fighten zunächst Oldie Daniel Didavi (31) und Mateo Klimowicz (21). Ein heißer Kandidat für die Startelf wäre außerdem Neuzugang Führich gewesen, der sich in der Vorbereitung allerdings verletzte. Zum erweiterten Kreis sind Talente wie Jordan Meyer (19), Sankoh und Momo Cisse (18) zu zählen. Dazu gehört auch Lilian Egloff (18), der nach langer Verletzungspause (Operation am Mittelfuß) im September zurückkehren könnte.

Im Sturm hat VfB-Star Kalajdzic seinen Platz sicher. Immerhin schoss der Österreicher in der vergangenen Saison satte 16 Bundesliga-Tore. Zuletzt hatte er sich jedoch mit dem Coronavirus infiziert, sodass sein Einsatz zum Start gegen die SpVgg Greuther Fürth noch fraglich ist.

Ansonsten vertritt ihn Hamadi Al Ghaddioui (30), auf den immer Verlass ist. Beim Sieg im Pokal beim BFC Dynamo erzielte er das 1:0-Führungstor.

Sasa Kalajdzic (24) will mit dem VfB Stuttgart hoch hinaus.
Sasa Kalajdzic (24) will mit dem VfB Stuttgart hoch hinaus.  © Tom Weller/dpa

Der VfB Stuttgart wird in dieser Saison den Klassenerhalt erneut schaffen. Die Lebensversicherung dafür ist die starke Defensive.

Ob es über die Plätze zwischen 15 und 13 hinausgeht, wird die Stärke in der Offensive entscheiden - und wie die Schwaben die Anzahl der Verletzten kompensieren. Greift ein Rad ins andere und den Youngstern wie Coulibaly, Klimowicz und Massimo gelingt der nächste Schritt, kann es hoch hinausgehen. Kalajdzic wird erneut zweistellig treffen, sodass sogar von Europa geträumt werden darf. Der Kader ist zwar blutjung, hat jedoch die Qualität, um zumindest die Conference League zu erreichen.

Am Ende wird dieser Traum zwar platzen, doch ein Rang im gesicherten Mittelfeld wird für Zufriedenheit beim VfB sorgen.

Titelfoto: Tom Weller/dpa

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