Neugebauer ist Zehnkampf-Weltmeister! Deutscher trotzt dem Favoritensterben
Tokio - Zehnkampf-Wahnsinn am letzten Tag der Leichtathletik-WM: Leo Neugebauer (25) hievte den Diskus auf eine Fabelweite, zeigte am Speer eine neue Bestleistung - und kämpft sich auf den 1500 Metern zum Weltmeistertitel! Er ist der erste deutsche Zehnkampf-Weltmeister seit dem Sieg von Niklas Kaul (27), der in Tokio starker Vierter wurde, vor sechs Jahren.

Neugebauer nutzte die Gunst der Stunde - das Ausscheiden vieler Konkurrenten. Den Diskus schleuderte er auf 56,15 Meter, der weiteste Wurf eines Zehnkämpfers überhaupt bei einer Leichtathletik-WM. Beim Stabhochsprung schaffte er im dritten Versuch noch 5,10 Meter und am Speer zauberte er in der vorletzten Disziplin eine neue Bestleistung (PB) in die Arena.
Am Ende standen weltmeisterliche 8804 Punkte zu Buche! Auf den Silbermedaillengewinner Ayden Owens-Delerme (25) aus Puerto Rico bedeutete das nur einen hauchdünnen Vorsprung von 20 Punkten, den der Deutsche sich auf der letzten Runde des 1500-Meter-Laufs (ebenfalls neue PB) hart erarbeiteten musste. Bronze gewann der US-Amerikaner Kyle Garland (25).
"Die 1500, so schlecht habe ich mich danach noch nie gefühlt", gestand Neugebauer nach dem Gewinn seines ersten großen Titels am ARD-Mikrofon. "Der zweite Tag war echt geil. Ich war einfach locker, hab die Crowd ausgenutzt, weil die einfach geil drauf waren", freute sich der frischgebackene Weltmeister.
Die Ausfallflut hatte zuvor das nächste Level erreicht: Von ursprünglich 24 Zehnkämpfern waren nur noch 14 für die zwei finalen Disziplinen angetreten! Vize-Weltmeister und Tokio-Olympiasieger Damian Warner (35) und Olympiasieger Markus Rooth (23) waren wegen Verletzungen erst gar nicht dabei.


Niklas Kaul über Ausfallflut bei der WM: "Zehnkampf, wie ich ihn noch nie erlebt habe"

Auch für den Weltjahresbesten Sander Skotheim (23) war schon nach 110 Meter Hürden Schluss. Der Norweger blieb an einer Hürde hängen, stieß die nächste Hürde mit der Hand um und wurde disqualifiziert.
Niklas Kaul, der traditionell einen sehr starken zweiten Tag hat, konnte selbst mit einem Monster-Speerwurf nicht mehr in das Medaillen-Rennen eingreifen und seinen miesen Hochsprung ausgleichen. Er wurde am Sonntagabend (Ortszeit) Vierter.
"Heute bin ich noch ein bisschen enttäuscht, morgen bin ich den auch wieder stolz darauf", sagte er im Gespräch mit dem Ersten. "Auch vierter Platz bei 'ner Weltmeisterschaft ist schon in Ordnung", so der Europameister von 2022.
Schon am Vormittag hatte er angemerkt: "Das ist ein Zehnkampf, wie ich ihn noch nie erlebt habe, wir haben so viele Ausfälle. Das ist schon extrem krass, wie viele hier rausfliegen."

Der dritte deutsche Zehnkämpfer, Till Steinforth (23), hatte bereits am Vortag zehn Wochen nach einer Leisten-OP unter Schmerzen abbrechen müssen. "Die Hüfte tut noch ganz schön weh von der OP. Es geht einfach nicht mehr", sagte er am Samstag im ZDF.
Erstmeldung 8.38 Uhr, letztes Update 14.40 Uhr.
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