Schlaganfall auf dem Spinning-Rad: Die bewegende Geschichte einer deutschen Para-Ruderin

Köln - Den Traum von Olympischen Sommerspielen erfüllte sie sich bereits zweimal, doch der 1. September 2021 änderte ihr Leben drastisch: Kathrin Marchand (33) erlitt einen Schlaganfall. Jetzt nimmt sie an den Paralympics in Paris teil. Ihre Geschichte ist die einer niemals aufgebenden Kämpferin, denn trotz Berufsunfähigkeit-Bescheinigung arbeitet sie als Ärztin.

Kathrin Marchand (33) träumt nach ihrem Schicksalsschlag von einer Medaille bei den Paralympics in Paris.
Kathrin Marchand (33) träumt nach ihrem Schicksalsschlag von einer Medaille bei den Paralympics in Paris.  © Bildmontage: EPA/FRANCK ROBICHON, IMAGO / Aleksandar Djorovic

"Da hat irgendwie jemand einen Lichtschalter ausgeknipst und ich habe nichts mehr gesehen. Ich habe gar kein Gefühl mehr gehabt auf meiner linken Seite", sagte die Ruderin anlässlich des "Tags gegen Schlaganfall" im Mai dieses Jahres.

Sie habe gar kein Gefühl mehr auf der linken Seite gehabt und habe relativ schnell gewusst, was das sein könnte, "aber dachte mir dann halt auch, ich bin ja erst 30".

Sie vermutet, dass die hohe berufliche Belastung ein Grund für den 1. September sein gewesen könnte, der Tag, an dem sie einen Schlaganfall erlitt, während sie auf einem Spinning-Rad saß. "Ich habe drei Jahre in der Notaufnahme gearbeitet, das war unfassbar stressig. Und dann hatte ich einen Schlaganfall", sagt Marchand in der MDR-Dokumentation "Wer braucht die Paralympics? fragt Gina Rühl".

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Ihre linke Körperhälfte wurde mit einem Mal taub, sie sah plötzlich schlecht. Später rief sie den Notarzt und kam ins Krankenhaus, wo ihr die niederschmetternde Diagnose mitgeteilt wurde.

Im ersten Moment war ihr gar nicht klar, was das für ihr Leben bedeutet, dass sie auf beiden Augen nur noch wenig sieht und ihre linke Körperhälfte nicht mehr so stark werden wird wie die rechte.

Kathrin Marchand arbeitet trotz bescheinigter Berufsunfähigkeit als Ärztin und liefert authentische Einblicke

In Rio de Janeiro 2016 saß Kathrin Marchand (33, r.) mit Kerstin Hartmann (36) im Boot.
In Rio de Janeiro 2016 saß Kathrin Marchand (33, r.) mit Kerstin Hartmann (36) im Boot.  © EPA/FRANCK ROBICHON

Doch nach einer Phase der körperlichen und mentalen Erholung stieg sie wieder in ein Ruderboot. "Ich habe gemerkt: boah, ich kann das noch und ich kann das nicht besser als vorher, aber ich bin jetzt im Parasport besser als ich früher im olympischen Bereich war", sagt sie in der Doku.

Das Rudern habe ihr auch wahnsinnig in Sachen Konzentration generell geholfen. Am Sonntag geht sie in Paris im gemischten Vierer mit Steuermann an den Start und will nach WM-Bronze 2023 nun erneut Edelmetall holen.

Auf Instagram gibt die 33-Jährige regelmäßig einen mutigen Einblick in die Herausforderungen des Alltags. Sie postete nicht nur eine Ansicht, wie sie aufgrund ihrer Seheinschränkung nicht einmal die Hälfte eines Steuerbescheides erkennen kann.

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Sie postete auch ein Foto, auf dem Tränen in ihrem Gesicht zu sehen sind. An einem Tag in der orthopädischen Praxis sei eine alte Dame mit einem Oberschenkelhalsbruch gekommen, ihre Versorgung machte eine "6 Stunden Spezialbetreuung" nötig.

"Obwohl mein Gehirn mir sagte, ich solle aufhören, musste ich weitermachen, weil ich in dieser Situation nicht weglaufen konnte. Einfache Dinge wurden zu großen Herausforderungen für mich. Nur für mich. Ein gesundes Gehirn würde nicht leiden, aber ich tat es. Obwohl ich versuchte, konzentriert zu bleiben, lagen meine Nerven blank. Ich weinte vor dem Ehemann der Dame, weil ich völlig überfordert war. Meine linke Seite war taub und ich fühlte mich blind", gibt sie einen offenen Einblick.

Sie ergänzt zu dem Vorfall im Mai, dass sie immer noch nicht unter Druck arbeiten könne, sie aber nicht wie eine "80-jährige Frau in einem 33-jährigen Körper enden will". Sie nimmt die Herausforderung an, kämpft und möchte sich am Sonntag den nächsten Traum auf ihrem steinigen Weg verwirklichen.

Titelfoto: Bildmontage: EPA/FRANCK ROBICHON, IMAGO / Aleksandar Djorovic

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