Sehen wir Skispringen demnächst ganz ohne Schnee?

Engelberg - Wenn am 28. Dezember die 71. Vierschanzentournee in Oberstdorf startet, werden sicher wieder zig Wintersportfans vor den TV-Geräten hocken und das alljährliche Spektakel verfolgen. Doch kann Skispringen auch fernab der Wintersaison existieren? Norwegens Skisprungtrainer Alexander Stöckl (49) vertritt eine ganz spezielle Meinung dazu.

Norwegens Skisprungtrainer Alexander Stöckl (49) möchte das Skispringen als Ganzjahres-Sport etablieren. Von den Bedingungen wäre das möglich.
Norwegens Skisprungtrainer Alexander Stöckl (49) möchte das Skispringen als Ganzjahres-Sport etablieren. Von den Bedingungen wäre das möglich.  © Daniel Karmann/dpa

Globale Klimaerwärmung, Schneearmut, steigende Energiepreise - Wintersportarten kämpfen mehr denn je um ihre Daseinsberechtigung und Finanzierung.

Im Skispringen ging das so weit, dass beim Weltcup-Start in Wisla/Polen am ersten November-Wochenende erstmals hybrid gesprungen wurde, was bedeutete: Es war das erste Weltcup-Springen auf Matten!

Der zweifache deutsche Olympiasieger Andreas Wellinger (27) sah diese Lösung ganz gelassen, denn "im Training machen wir das eh schon", sagte der DSV-Adler gegenüber Sport1. In der Tat hat der Skisprung gegenüber den anderen Wintersportarten ein entscheidendes Attraktivitätsmerkmal, das die Sportart bisher kaum auszuspielen wusste.

Beim Saisonfinale! Deutsche Skispringerin nach Sturz-Schock schwer verletzt
Skispringen Beim Saisonfinale! Deutsche Skispringerin nach Sturz-Schock schwer verletzt

"Wir nutzen die Skier nicht hauptsächlich zum Skifahren, sondern um durch die Luft zu fliegen. Unsere Ausrüstung, unsere Athleten und unsere Wettkampfstätte sind zu jeder Jahreszeit genau gleich", sagte FIS Renndirektor Sandro Pertile (51) dem Skisprung-Magazin Berkutschi.

Das bringt einige Protagonisten, wie Norwegens Skisprungtrainer Alexander Stöckl (49), auf einen Plan: "Ich glaube, dass es gut ist, wenn wir versuchen, ein Ganzjahresdenken reinzubringen", sagte Stöckl am Rande des Springens in Engelberg. Doch wie stehen andere Funktionäre dazu?

Am ersten November-Wochenende wurde erstmals hybrid - also auf Matten - gesprungen.
Am ersten November-Wochenende wurde erstmals hybrid - also auf Matten - gesprungen.  © Hendrik Schmidt/dpa

DSV-Bundestrainer Stefan Horngacher: "Das könnte richtungsweisend für unseren Sport sein"

Der deutsche Bundestrainer Stefan Horngacher (53) sieht gute Zukunftschancen für mehr Skispringen auf Matten.
Der deutsche Bundestrainer Stefan Horngacher (53) sieht gute Zukunftschancen für mehr Skispringen auf Matten.  © Hendrik Schmidt/dpa

Für den deutschen Bundestrainer Stefan Horngacher (53) stellt sich in jedem Fall die Zukunftsfrage. "Das könnte richtungsweisend für unseren Sport sein", bewertete er die Matten-Variante von Wisla.

Rein pragmatisch bedarf es tatsächlich nur die Eisspur auf der Schanze zum Anfahren. Für das Landen ist gar keine Eis- und Schneedecke nötig. Die eingesetzten grünen Matten tun es auch - so skurril das klingen mag!

FIS Renndirektor Sandro Pertile spricht bereits davon, dass "Skispringen nicht nur ein Wintersport, sondern ein 'Vier-Jahreszeiten-Sport' ist".

"Total leer": Skisprung-Star zieht sofort die Reißleine
Skispringen "Total leer": Skisprung-Star zieht sofort die Reißleine

Darum wird die Systemdiskussion um Skispringen jetzt immer heißer. Norwegens Stöckl meint: "Ich glaube, dass es gut ist, wenn wir wegkommen von dem Begriff Wintersport." Doch gehe nicht damit auch ein ästhetischer-romantischer Aspekt verloren?

Stöckl sieht es nüchtern: "Entweder wir nennen uns weiter Wintersport und sterben im Winter - weil den gibt es irgendwann nicht mehr. Oder wir nennen uns Extremsport und sind offener für neue Destinationen."

TV-Übertragung & Termine der 71. Vierschanzentournee 2022/23

Zumindest für diese Saison sind derartige Zukunftspläne noch nicht angedacht. Fachverbandsdirektor Pertile betont nochmal, dass "wir für diese Saison keine weiteren Veranstaltungen auf Kunststoffmatten planen."

Speziell die in Deutschland gern gesehene Vierschanzentournee können alle eingefleischten Sportfans wie gewohnt auf glitzernd-weißem Schnee verfolgen.

Am 28. Dezember startet der erste Qualifikationsdurchlauf in Oberstdorf. Am darauffolgenden Tag findet das Wertungsspringen statt. Weitere Standorte und Termine sind:

Garmisch-Partenkirchen: 31. Dezember 2022: Qualifikation; 1. Januar 2023: Wettkampf.

Innsbruck: 2. Januar 2023: Qualifikation; 3. Januar 2023: Wettkampf.

Bischofshofen: 5. Januar 2023: Qualifikation; 6. Januar 2023: Wettkampf und Abschlussspringen.

Alle Springen werden im Öffentlich Rechtlichen und bei Eurosport übertragen.

Titelfoto: Hendrik Schmidt/dpa

Mehr zum Thema Skispringen: