Drogenkurier sitzt sieben Jahre im Knast und berät nun Führungskräfte

Konstanz - Marco Deutschmann (37) hat eine Lebensgeschichte, die man nicht alle Tage hört. Er wird in Paris am Flughafen mit über vier Kilo Kokain erwischt, sitzt rund sieben Jahre im Gefängnis und ist heute Motivationstrainer. Wie sein Leben diese Wende nimmt, hat er TAG24 im Interview erzählt. 

Ein Bild aus früheren Zeiten: Marco Deutschmann (37) an der Bar im Perkins Park.
Ein Bild aus früheren Zeiten: Marco Deutschmann (37) an der Bar im Perkins Park.  © www.party-cam.org

Rückblick: Es ist der 11. Dezember 2006. Marco Deutschmann landet im Flieger aus Brasilien am Flughafen Paris-Charles-de-Gaulle und wird gebeten, mitzukommen. In einem Büro wird ihm ein Koffer gezeigt, er bestätigt, dass dieser ihm gehört. In einem Tütchen wird die weiße Substanz aus seinem Koffer mit einem Testmittel gemischt und verfärbt sich. Es ist Kokain. 4695 Brutto-Gramm um genau zu sein. 

Zunächst macht er sich keine Sorgen, ist sicher, dass er schnell wieder in Freiheit ist. "Der Auftraggeber sagte mir: Die Polizei ist bezahlt, die Gerichte sind bezahlt, mach dir keine Sorgen", erinnert sich der Konstanzer. Angekommen in einer Zelle, dämmert ihm, dass er so schnell nicht mehr rauskommt. "Es war sehr schlimm", sagt er nachdenklich.

Marco Deutschmann wird innerhalb von drei Tagen zu vier Jahren Gefängnis in Frankreich verurteilt. Französisch spricht er nicht. 

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Wie kommt er dazu, Drogen zu schmuggeln? Deutschmann ist in der Gastronomie-Branche tätig. Während der WM 2006 spricht ihn ein Stammgast an, ob er Reiseleiter werden wolle. Deutschmann sagt zu, obwohl er weiß, dass irgendwas nicht stimmt. 

Er soll zwei Wochen Urlaub in Brasilien machen und dann einen Koffer mitbringen. "Ich war blauäugig und naiv", erinnert sich der Mann mit dem gewinnenden Lachen. "Es können eigentlich nur Drogen oder Edelsteine sein und für Edelsteine war der Koffer zu leicht". Doch das blendet der damals 23-Jährige aus. 

Nach zwei Flügen will er aussteigen. Sein Vater überwies ihm zuvor 10.000 Euro. Deutschmann zahlt mit dem Geld eine Autoreparatur, doch der Vater braucht die Kohle nach einem missglückten Selbstmordversuch zurück. 

Um es wiederzubeschaffen, will er nochmal eine Reise nach Brasilien wagen. Der Vater bekräftigt ihn sogar in seinem Vorhaben und will nach seiner dritten Reise selbst in das Geschäft einsteigen. Zur vierten Reise fliegen beide in das südamerikanische Land. Der Vater wird erst einige Tage später zurück in die Heimat fliegen. 

Sein Vater brachte sich um, die Nachricht erfuhr er hinter Gittern

Marco Deutschmann (37) bei einem seiner Vorträge. Nach seinem Gefängnisaufenthalt wurde er Motivationstrainer.
Marco Deutschmann (37) bei einem seiner Vorträge. Nach seinem Gefängnisaufenthalt wurde er Motivationstrainer.  © Marco Deutschmann

Deutschmann wird am Flughafen verhaftet und sein Vater nimmt sich das Leben. "Er konnte vielleicht nicht damit leben, dass er seinen eigenen Sohn ins Messer laufen hat lassen", sagt der ehemalige Drogenkurier nachdenklich.

Im Gefängnis wird ihm schnell klar, dass er seine Emotionen kontrollieren muss. Er hat fürchterliche Angst auf den Hof zu gehen, denn in dem französischen Knast geht es anders zu. Härter. Gewaltvoller. 

"Man ist eingesperrt. Natürlich macht das Angst oder man geht auf den Hof und neben sich wird wieder einer abgestochen."

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Der Drogenkurier schafft es, seine Angst zu kontrollieren und seine emotionale Energie umzuwandeln. Auch in Schlägereien, die in dem französischen Gefängnis offenbar unausweichlich sind, schafft es Deutschmann, die Kontrolle über sich zu behalten. "Man muss wissen, wann man stoppt, sonst ist einer sehr schwer verletzt".

In Frankreich sitzt er vier Jahre für eine Tat und in Deutschland wird er, obwohl er vor den Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte zieht, nochmal für drei weitere Taten verurteilt. Insgesamt etwa sieben Jahre sitzt er hinter Gittern und hatte viel Zeit, sich mit sich selbst auseinanderzusetzen. Deutschmann nutzt die Zeit, lernt vieles über sich und die Kommunikation mit anderen Menschen. 

So entwickelt er hinter Gittern den von ihm benannten "Shit-Test". Da Essen Mangelware ist, stellt er sich gut mit den Essensausgebern, die ihm daraufhin mal einen Löffel mehr auf den Teller geben oder einen Joghurt zusätzlich auf das Tablett stellen. Dann folgt der sogenannte Shit-Test. Bei der nächsten Essensausgabe bekommt er weniger. Jetzt testet das Gegenüber den wahren Zweck der Freundlichkeit. Wird er zornig oder unfreundlich, weiß das Gegenüber, woran er wirklich ist.

"Das ist ein normales Verhalten bei Menschen, so testen sie, ob man nur nett zu ihnen ist, weil man etwas will oder des Menschen wegen. Die Situation lässt sich überall hin übertragen: im Arbeitsleben - mal bekommt man ein gutes Projekt, mal ein schlechtes und so weiter", erklärt Deutschmann. 

Im Gefängnis lernt der Drogenkurier gut mit seinen Emotionen umzugehen

Marco Deutschmann (37) hält einen Workshop.
Marco Deutschmann (37) hält einen Workshop.  © Marco Deutschmann

Sein Gefängnisaufenthalt soll für ihn noch nützlich werden. Die harten Erfahrungen und sein Talent, das Positive zu sehen sowie gute Beziehungen aufzubauen, geben den Startschuss für sein neues Leben.

"Nur weil ich eingesperrt bin, muss ich nicht schlecht gelaunt sein und wenn ich so bin, wie die Loser um mich herum, wird mein Leben nicht besser. Ich habe das Beste aus der Situation gemacht", berichtet Deutschmann mit den blauen Augen und dem dunklen Haar.

Er lernt Französisch im Gefängnis, macht drei Schulabschlüsse und eine schulische Ausbildung zum Buchhalter.

Heute nennt er sich selbst "Emotionologe". "Den Begriff habe ich entwickelt", sagt Deutschmann. Es gehe darum, seine Emotionen zu steuern und zu kontrollieren. Das lehrt er in Seminaren und Vorträgen. Zudem studiert der Motivationstrainer und Coach nebenbei Psychologie.

Zu seinen besten Kunden gehören heute die Behörden, wie die Landratsämter, die Führungskräfte, Nachwuchsführungskräfte und Azubis gerne in seine außergewöhnlichen Seminare schicken. Viele Unternehmen buchen ihn für Veranstaltungen, denn seine Geschichte kommt an. Das Feedback sei durch alle Altersklassen ähnlich: Seine Geschichte mache das vermittelte Wissen erst authentisch und glaubwürdig. "Ich bekomme mit meiner Geschichte den Zugang zu den Herzen", sagt der Motivationscoach. 

Auf die Frage, ob er bereut, was er getan hat, antwortet Deutschmann: "Wenn ich andere voranbringen kann, hat es sich wenigstens gelohnt. Ich, für mich selbst, hätte es nicht gebraucht. Dafür war es zu schmerzhaft", erklärt er und senkt seinen Blick. Als er wieder nach oben blickt, lächelt er. "Ich habe eine begrenzte Zeit auf Erden und ich will etwas Gutes zurücklassen".

Titelfoto: Marco Deutschmann

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