Womit wird das Auto der Zukunft fahren? Dresdner Verkehrsexperte im TAG24-Interview

Dresden - Ab 2035 sollen keine Verbrennungsmotoren mehr verkauft werden. In vier Jahren wird die Entscheidung zwar noch einmal überprüft, aber so will es die EU. Sachsen, Deutschland und Europa werden auch zukünftig Verbrenner brauchen, sagt dagegen Frank Atzler (59), Professor für Verbrennungsmotoren und Antriebssysteme an der TU Dresden, im TAG24-Interview.

Prof. Frank Atzler (59) forscht seit Jahren zu Motoren - seit 2019 am Lehrstuhl für Verbrennungsmotoren und Antriebssysteme an der TU Dresden.
Prof. Frank Atzler (59) forscht seit Jahren zu Motoren - seit 2019 am Lehrstuhl für Verbrennungsmotoren und Antriebssysteme an der TU Dresden.  © Eric Münch

TAG24: Herr Atzler, welchen Wagen fährt eigentlich ein Professor für Antriebssysteme?

Professor Frank Atzler: Ich fahre auf meinen langen Strecken einen Diesel, der wenig Sprit verbraucht und deshalb vergleichsweise wenig CO2 ausstößt.

TAG24: Das klingt wie die Argumentation eines Ewiggestrigen ...

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Atzler: Durchaus nicht! Der Diesel ist nur deshalb zum Auslaufmodell geworden, weil einige Hersteller betrogen und die Glaubwürdigkeit der gesamten Autoindustrie zerstört haben. Das ist eine moralische Frage, keine des Klimaschutzes. Mit Euro 6d ist der Diesel auch richtig sauber geworden!

TAG24: Trotzdem setzt die europäische Autoindustrie überwiegend auf E-Autos. Ist das der richtige Weg in die automobile Zukunft?

Atzler: Es ist nicht der alleinige Weg. Für alle, die ihren Wagen überwiegend für Kurzstrecken brauchen, ist das E-Auto perfekt. Auf Langstrecke und bei schweren Lastwagen komme ich mit einem vollen Tank einfach viel weiter als mit einer vollen Batterie. Von Ladezeiten und der teuren Ladeinfrastruktur mal ganz abgesehen.

Treibstoff aus CO2 könnte "der neue deutsche Exportschlager" werden

Stromer sind seit Tesla groß im Kommen. Die europäische Autoindustrie setzt weitgehend auf diese Technologie.
Stromer sind seit Tesla groß im Kommen. Die europäische Autoindustrie setzt weitgehend auf diese Technologie.  © picture alliance/dpa/Julian Stratenschulte

TAG24: Europa will weg vom Verbrenner und von fossilen Brennstoffen, weil sie die Umwelt belasten, aber auch, weil Öl und Gas in starkem Maße abhängig machen von "bösen" Förderländern wie den Golfstaaten oder Russland. Mit grünem Strom und Wasserstoff wäre das anders.

Atzler: Stimmt! Aber sowohl Strom als auch Wasserstoff lassen sich nur mit sehr hohem Aufwand speichern. Und wir haben für grünen Strom einfach nicht genügend Fläche für eine Selbstversorgung! Deutschland hat letztes Jahr nur 16 Prozent seines Gesamtenergiebedarfs mit Strom aus Erneuerbaren gedeckt.

TAG24: Erklären Sie gerade die Energiewende für gescheitert?

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Atzler: Keineswegs. Strom und Wasserstoff sind die Basis. Und mit flüssigem Methanol aus H2 plus CO2 wird das ganze System viel einfacher. Der weltweite grüne Energiehandel wird stark vereinfacht. Das CO2 können Sie heute aus Industrieabgasen und mittelfristig direkt aus der Luft "einsammeln". So bekommen wir einen nachhaltigen Kohlenstoffkreislauf. Dazu brauchen wir mehrere Zigtausend Elektrolyseure für das H2. Das wäre dann der neue deutsche Exportschlager!

"Werden den Verbrenner auch noch in Zukunft brauchen"

E-Fuels sind synthetische Kraftstoffe, die auf Basis erneuerbarer Energien hergestellt werden. Ob sie erlaubt bleiben sollen, will die EU zu einem späteren Zeitpunkt entscheiden.
E-Fuels sind synthetische Kraftstoffe, die auf Basis erneuerbarer Energien hergestellt werden. Ob sie erlaubt bleiben sollen, will die EU zu einem späteren Zeitpunkt entscheiden.  © picture alliance/dpa/Tom Weller

TAG24: Womit, glauben Sie, wird das Auto der Zukunft fahren?

Atzler: Mit grünem Strom und künstlichen grünen Brennstoffen, den sogenannten E-Fuels, also zum Beispiel Methanol. Beides wäre dann klimaneutral!

TAG24: Nicht nur der Grünen-Europaabgeordnete Michael Bloss ist anderer Meinung. Wer jetzt noch auf Verbrenner setze, schade der Industrie, dem Klima und verstoße gegen europäisches Recht, sagte er nach dem Aus für Verbrenner.

Atzler: Das ist realitätsfernes Wunschdenken! Ich bin überzeugt davon, dass wir den Verbrennungsmotor in ganz unterschiedlichen Anwendungen auch in Zukunft brauchen. China entwickelt bereits jetzt supersparsame und abgasarme Motoren, wir dagegen sprechen in Europa nur über Verbote. Wenn hier nicht bald ein Umdenken einsetzt, werden wir in Zukunft auch unsere Verbrenner in China kaufen.

Titelfoto: Montage: Eric Münch, picture alliance/dpa/Julian Stratenschulte, picture alliance/dpa/Tom Weller

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