Streitthema Nummer 1 in vielen Familien: Hilfe, mein Kind ist handysüchtig!

Dresden - Was früher die Glotze war, ist inzwischen das Handy: Mach doch endlich mal das Ding aus, flehen viele Eltern. Kinder fühlen sich gegängelt. In der Pandemie wurde alles nur noch schlimmer. Verbote? Die werden schnell zur Familienkrise. Doch wo liegt das richtige Maß, wann wird's gefährlich? Was hilft wirklich gegen Handysucht? Und wie findet man überhaupt heraus, ob Kinder nur emsig am Handy für die Schule arbeiten oder schon handysüchtig sind? Hier erfahrt Ihr es.

Nix für Kinderaugen: Auf allen Smartphones lassen sich Kindersicherungen gegen jugendgefährdende Inhalte und Bezahlfallen aktivieren. (Symbolbild)
Nix für Kinderaugen: Auf allen Smartphones lassen sich Kindersicherungen gegen jugendgefährdende Inhalte und Bezahlfallen aktivieren. (Symbolbild)  © imago images/Westend61

Ab welchem Alter sollten Kinder überhaupt ein Smartphone besitzen? Richtwert ist für viele Experten der Übergang von Grund- zu Haupt-, Realschule oder Gymnasium. "Aber jedes Kind ist anders. Eltern sollten das individuell von der jeweiligen Reife des Kindes abhängig machen", rät Medienexperte und Buchautor Thomas Feibel (59).

In jedem Fall gilt: Kommt das Handy, kommt auch der Frust darüber, wenn Kinder zu oft und zu lange am Handy hängen.

Feibels aktuelles Buch "Jetzt pack doch mal das Handy weg" ist ein Ratgeber für genervte Eltern. Darin rät er, gemeinsam mit jedem Kind einen Mediennutzungsvertrag auszuhandeln: "Damit spricht man auf Augenhöhe mit dem Kind. Es fühlt sich ernst genommen."

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Im Vertrag werden in gemeinsamer Abstimmung Regeln ausgehandelt - ganz individuell je nach Alter der Kinder: Man legt zum Beispiel Handynutzungszeiten fest, schließt sie direkt vorm Schlafengehen generell aus. Außerdem wird festgezurrt, ob besonders zeitintensive Apps wie TikTok, Instagram oder YouTube geladen werden dürfen.

Richtwert für die Mediennutzung: Bei jüngeren Kindern reicht eine tägliche Bildschirmzeit von ungefähr einer halben Stunde aus - für Handy, TV und Spielkonsole zusammen! Mit fortschreitendem Alter kann sie auf anderthalb Stunden pro Tag ausgeweitet werden.

Medienexperte rät: Gütige und großzügige Reaktion bei Verstößen

Eltern sollten die Mediennutzung ihrer Kinder unbedingt überwachen und gegebenenfalls einschränken. (Symbolbild)
Eltern sollten die Mediennutzung ihrer Kinder unbedingt überwachen und gegebenenfalls einschränken. (Symbolbild)  © imago images/Westend61

Bei älteren und erfahreneren Kindern und Jugendlichen kann eine wöchentliche Bildschirmzeit sinnvoll sein, die sie frei auf die Wochentage verteilen können. Feibel: "Damit lernen sie, ihre Mediennutzung eigenverantwortlich zu regeln."

Außerdem müssen Filme oder Spiele nicht abrupt abgebrochen werden. Zu bedenken ist auch, dass Schüler ihr Smartphone längst auch für die Schule brauchen.

Am Ende bürgen Kinder wie Eltern mit ihrer Unterschrift. Wird gegen den Eltern-Kinder-Vertrag verstoßen, sollte man konsequent bleiben. "Denn Kinder testen gern ständig Spielräume aus", weiß Feibel. "Doch sie mögen auch gute, autoritäre Eltern, die eine Haltung haben und zu ihr stehen."

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Feibel ist kein Fan von Strafen und rät, bei Verstößen nicht fallbeilartig, sondern gütig und großzügig zu reagieren: "Wenn das Kind heute eine halbe Stunde Handyzeit überzieht, wird sie morgen um eine halbe Stunde gekürzt."

Bei Feibel hing genau so ein Mediennutzungsvertrag mit seiner ältesten Tochter am Kühlschrank: "Wichtig war, dass wir die Regeln alle sechs Monate überprüft haben, denn Kinder werden älter und auch ihre Ansprüche und die App-Angebote ändern sich. Außerdem müssen Eltern mit gutem Beispiel vorangehen und Handys nicht als eine Art Babysitter verwenden."

Doch viele hätten bei ihrer eigenen Handynutzung selbst noch nicht die richtige Balance gefunden. Für Feibel ist klar: "Übermäßige Handynutzung bei Kindern ist weniger ein Sucht- als ein Erziehungsproblem."

Ausreden gibt's immer - und so kann man sie entschärfen

Smarte Regeln statt Verbote: Nur wer ihre Selbstregulation fördert, kann bei Kindern einen kritischen Blick für Nutzungsgewohnheiten und -zeiten entwickeln. (Symbolbild)
Smarte Regeln statt Verbote: Nur wer ihre Selbstregulation fördert, kann bei Kindern einen kritischen Blick für Nutzungsgewohnheiten und -zeiten entwickeln. (Symbolbild)  © imago images/Westend61

Kinder kennen zig Ausreden, um ihr Handy weiter nutzen zu dürfen. Keine Chance! So entkräftet Ihr die Tricks der Kleinen:

  • "Ich brauche das Handy, um Vokabeln zu lernen."

Gut, stoppt die Zeit, die das Kind mit dem Handy zum Lernen von 30 Vokabeln braucht. Am nächsten Tag werden dann Vokabeln ohne Handyhilfe gelernt. "Lassen Sie das Kind selbst erkennen, was am Ende schneller geht", rät der Medienexperte Thomas Feibel.

  • "Ich muss nur noch ein Foto auf Instagram posten."

Vorbild sein. "Eltern verfolgen jeden Entwicklungsschritt ihres Kindes von klein auf mit der Handykamera und wundern sich dann, wenn sie später auf Instagram ihr jahrelang antrainiertes 'Fotogesicht' zeigen wollen", sagt Feibel.

  • "Ich brauche ein Smartphone, um für meine Eltern erreichbar sein zu können."

Nein, dafür reicht ein Tastenhandy! Feibel: "Das ist für Kinder in der Grundschule völlig ausreichend. Sie sollten nicht zu früh mit internetfähigen Medien in Berührung kommen."

  • "Ich möchte nur noch mit einem neuen Freund chatten."

Internet und Chats sind für Unter-Achtjährige zu früh. Feibel: "Wenn Kinder in diesem Alter chatten, dann nur mit persönlich bekannten Freunden. Außerdem laufen solche Unterhaltungen im Netz auch schnell aus dem Ruder. Es wird munter gekränkt und beleidigt - Cybermobbing droht! Aus Gewalt im Netz kann echte Gewalt werden."

  • "Ich brauche einen Datentarif, um auch unterwegs surfen zu können."

Jüngere Kinder sollten nur das heimische WLAN nutzen.

Ein Ratgeber ganz ohne Zeigefinger

Thomas Feibel (59) hat in seinem Buch "Mach deinen Medienführerschein" den Umgang mit technischen Geräten kindgerecht aufgearbeitet.
Thomas Feibel (59) hat in seinem Buch "Mach deinen Medienführerschein" den Umgang mit technischen Geräten kindgerecht aufgearbeitet.  © PR

Wie Fahrradfahren müssen Kinder auch den Umgang mit dem Smartphone erst lernen und üben.

In seinem Buch "Mach deinen Medienführerschein" beschreibt Thomas Feibel, wie das gehen kann - ein vernünftiger Umgang mit Smartphone, Tablet und Internet.

Kindgerecht aufbereitet geht es darum, wie Medieninhalte einzuordnen sind, kritisch hinterfragt und Fake-News erkannt werden können. Das Buch ist nicht der x-te Ratgeber für Eltern, sondern richtet sich an Kinder ab acht Jahren.

Auf den 62 Seiten erfahren sie auch, mit welchen Symptomen sich eine Handysucht bemerkbar macht. Tipp: Der kindgerechte Ratgeber ist eine gute Lektüre, noch bevor die Kleinen ein Smartphone besitzen.

Ihr wollt mehr erfahren? TAG24 verlost drei Exemplare. Schreibt einfach eine E-Mail an gewinnspiel@tag24.de oder eine Postkarte an die Adresse "Morgenpost am Sonntag, Ostra-Allee 18, 01067 Dresden". Kennwort: Handysucht. Einsendeschluss ist der kommende Mittwoch, 15. September.

Test: Schon abhängig oder noch nicht?

Der Kopf nach unten geneigt, der Blick auf dem Handy eingefroren: So sieht man viele Menschen auf der Straße laufen. (Symbolbild)
Der Kopf nach unten geneigt, der Blick auf dem Handy eingefroren: So sieht man viele Menschen auf der Straße laufen. (Symbolbild)  © Christoph Schmidt/dpa

Ja, bin ich denn schon handysüchtig? Mit diesem kleinen Psychotest für Kinder und Jugendliche findet man es heraus.

1. Eine WhatsApp-Nachricht kommt. Ich...

  • A ...muss sofort nachschauen, könnte ja etwas Wichtiges sein.
  • B ...schaue nicht sofort nach, aber es macht mich schon unruhig.
  • C ...schaue erst nach, wenn ich Zeit habe

2. lch spiele gerade am Smartphone. "Bäng-Bumm-Autsch". Meine Eltern wollen, dass ich sofort aufhöre, weil das Essen auf dem Tisch steht. lch habe aber gerade den Endgegner am Wickel.

  • A JA, HALLO? SPINNEN DIE??? HABE JETZT ECHT KEINE ZEIT FÜR SO EINEN SCHEISS!!!
  • B lch erkläre die Sache mit dem Endgegner, spiele weiter und mache danach aus.
  • C So wichtig ist mir das nicht. lch kann den auch ein anderes Mal besiegen.

3. Auf dem Weg zur Schule merke ich, dass ich mein Smartphone vergessen habe.

  • A lch kehre noch mal um, egal, ob ich dann zu spät komme.
  • B Ich gehe weiter, aber ich fühle mich den ganzen Tag, als ob was fehlt.
  • C Kann ja mal passieren. Nachmittags habe ich es ja wieder.
Das sind nur einige von unzähligen Social-Media-Plattformen, mit denen man sich auf dem Handy beschäftigen kann.
Das sind nur einige von unzähligen Social-Media-Plattformen, mit denen man sich auf dem Handy beschäftigen kann.  © PR

4. ln der Schule findet ein Experiment statt: vier Wochen ohne Smartphone. Mitmachen?

  • A Niemals! Eher vier Wochen ohne Jacke.
  • B Vier Wochen sind ganz schön lang. Vielleicht probiere ich es aber aus.
  • C Ui! Das ist lang. Aber mich würde es echt interessieren, wie ich darauf reagiere.

5. Bei meinem Smartphone ist in letzter Zeit ständig der Akku leer.

  • A Klarer Fall, Akku hin.
  • B Das muss ich mal im Auge behalten. Vielleicht bin ich zu viel am Handy.
  • C lst ein klares Anzeichen dafür, dass ich es übertreibe.

6. lch schlafe schlecht. Woran könnte das liegen?

  • A Ganz klar, die Matratze taugt nix.
  • B lch habe das Smartphone lautlos gestellt, bin aber trotzdem unruhig.
  • C lch teste mal, wie ich schlafe, wenn ich mein Smartphone eine halbe Stunde vor dem Schlafengehen rausbringe.

Auswertung

Sehr oft A

Oje, Du willst es vielleicht nicht wahrhaben, aber Du bist schon viel zu eng mit Deinem Smartphone verwachsen. Es muss zwar nicht gleich Sucht sein, aber Du verbringst deutlich mehr Zeit damit, als es Dir guttut! Fahre Deine Nutzung etwas herunter.

Sehr oft B

Dir ist immerhin klar, dass Du da ein kleines Problem hast, und Du versuchst, es in den Griff zu bekommen. Vielleicht musst Du etwas aufmerksamer sein, denn Du unternimmst erst dann etwas, wenn jemand anderes es von Dir verlangt. Es wäre gut, wenn Du selbst auf Dich aufpassen könntest.

Sehr oft C

Hui, Du bist ja richtig cool. Du nutzt, was Dir nützt. Und Du kannst sehr gut auf Dich selbst aufpassen und Wichtiges von Unwichtigem trennen. Weiter so!

Titelfoto: Bildmontage: imago images/Westend61, Christoph Schmidt/dpa

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