Vom Bett aufs Oktoberfest: VR-Brille hilft kranken Kindern
Von Daniel Löb und Elke Richter
München - Münchner Kinder, die um diese Jahreszeit im Krankenhaus liegen, vermissen eines oft ganz besonders: die Wiesn. Eine VR-Brille schafft nun Abhilfe und entführt auch Kranke, Alte oder anderweitig Beeinträchtigte mitten hinein in das wuselige Oktoberfest, ohne dass diese ihr Zuhause verlassen müssen.

"Wir haben Kinder, die unglaublich viel Zeit in dieser Klinik verbringen, die gar nicht am normalen Leben teilhaben können", schildert Oberarzt Carsten Krohn von der München Klinik Schwabing.
Dank Virtueller Realität (VR) könnten die Mädchen und Jungen dennoch "in der Realität virtuell dabei sein". Auch ambulante Patienten lenke es vor unangenehmen Untersuchungen ab. "Schmerzen können Sie mit einer VR-Brille nicht nehmen, aber die Kinder haben vorwiegend Angst, und die Angst können sie durch Ablenkung durch Schwimmen mit Delfinen oder ähnlichem nehmen."
In der Brille können die Kinder durch verschiedene Welten bummeln, ganz neu auch über die Wiesn. "Wir haben mitten auf dem Oktoberfest produziert", erzählt Christoph Ostler, der als VR-Experte die Initiative "VR4Kids" gegründet hat.
Nachdem der fast zehnjährige Kenan die Brille zum ersten Mal aufgesetzt hat, dauert es nur wenige Sekunden, bis er tief in die Welt des Oktoberfests eingetaucht ist. "Ich finde es toll, dass die Kinder das hier auf dem Gerät anschauen können", sagt Kenan hinterher. Richtig echt habe es sich zwar nicht immer angefühlt, aber "im Teufelsrad hat es mich so schwindelig gemacht, weil es immer schneller wurde".
Da sei die Kameraversion schon fast zu 100 Prozent an die echte Realität herangekommen.
VR-Brille lenkt ab: Von der ersten Klasse bis ins hohe Alter geeignet

Oberarzt Krohn lobt die positiven Folgen der Technik. "Natürlich kann ich damit keine Krankheiten heilen." Aber Langeweile, Unzufriedenheit und Angst seien keine guten Begleiter im Heilungsprozess der Kinder.
"Wenn sie durch eine VR-Brille zum Beispiel einfach glücklich sein können, dann ist es ein Baustein einer guten Therapie", findet Krohn.
Der Kinderchirurg ist Fachmann für Kinder mit schweren Brandverletzungen und setzt die VR-Brille gerne bei Verbandswechseln ein.
Auf dem virtuellen Oktoberfest werden die jungen Nutzer von zwei Kindern begleitet, von denen eines auch Gebärdensprache verwendet.
"Also die Reaktionen sind immer die gleichen: Die Kinder sind begeistert, die strahlen, die lachen, die gehen mit den anderen, die sprechen die Kinder an, die sie da drin sehen, die sind tief im Erlebnis drin und freuen sich und verweilen da auch ziemlich lange", bilanziert Initiator Ostler.
Der Unternehmer beschäftigt sich schon seit vielen Jahren intensiv mit Virtueller Realität und hat erkannt, dass die Technik auch einen inklusiven Aspekt hat. Gedacht war "VR4Kids" für Kinder mit Behinderung sowie anderweitigen Benachteiligungen - doch dann stellte sich heraus, dass die Zielgruppe viel breiter ist. "Gerade vorgestern hatten wir einen Herrn, der wahnsinnig gern normalerweise auf die Wiesn ging", schildert Ostler.
Jetzt, mit 92, müsse der Senior leider auf einen Besuch auf der Theresienwiese verzichten. Doch die VR-Brille brachte ihm zumindest das Gefühl zurück.
Titelfoto: Daniel Löb/dpa