Krawalle in Frankreich: Wohnhaus eines Bürgermeisters angegriffen

Paris/Lausanne - Frankreich kommt auch in der fünften Nacht nach dem Tod eines Jugendlichen durch eine Polizeikugel nicht zur Ruhe. Während in einigen Städten die Lage weniger angespannt schien als in den Nächten zuvor, kam es vor allem in Paris, Marseille und Lyon erneut zu Krawallen. In einem Pariser Vorort wurde das Haus eines Bürgermeisters angegriffen. Nun haben die Unruhen auch die Schweiz erreicht.

Polizisten patrouillieren vor dem Arc de Triomphe auf der Champs Élysées. Aufgrund der anhaltenden Unruhen in Frankreich waren in der Nacht zum Sonntag erneut 45.000 Polizisten im Einsatz sein.
Polizisten patrouillieren vor dem Arc de Triomphe auf der Champs Élysées. Aufgrund der anhaltenden Unruhen in Frankreich waren in der Nacht zum Sonntag erneut 45.000 Polizisten im Einsatz sein.  © Christophe Ena/AP

Mindestens 427 Menschen seien landesweit festgenommen worden, schrieb Innenminister Gérald Darmanin (40) am frühen Sonntagmorgen auf Twitter.

Die weltberühmte Pariser Einkaufsmeile Champs Élysées wurde von einem großen Polizeiaufgebot unter Einsatz von Tränengas geräumt, wie Le Figaro berichtete. Auch in Lyon und Nizza kam es erneut zu Plünderungen. Angesichts der Unruhen sagte Präsident Emmanuel Macron (45) seinen Staatsbesuch in Deutschland ab.

Darmanin schrieb weiter, trotz alledem sei die Nacht "dank des entschlossenen Vorgehens der Ordnungskräfte" eine ruhigere gewesen.

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Premierministerin Élisabeth Borne lobte die Einsatzkräfte: Angesichts der Gewalttätigkeiten zeigten sie beispielhaften Mut, schrieb sie auf Twitter. 45.000 Polizisten und Tausende Feuerwehrleute seien im Einsatz gewesen, um die Ordnung zu schützen.

In Marseille sei die Lage angespannt, aber unter Kontrolle, teilte die Stadtverwaltung am Abend mit. Den ganzen Abend über hätten sich Gruppen gebildet, um Schaden anzurichten, teilte die Präfektur Bouches-du-Rhône laut Le Parisien mit. Die Polizei habe versucht, die Menschen mit Tränengas auseinanderzutreiben.

Besonders in Marseille, Lyon und Grenoble wurde die Polizeipräsenz massiv verstärkt. Nachdem in Marseille zuvor eine Waffenkammer geplündert worden war, war die Polizei dort nun mit gepanzerten Fahrzeugen, Hubschraubern und Spezialtruppen im Einsatz.

Sicherheitshinweis des Auswärtigen Amtes

Der französische Präsident, Emmanuel Macron (45), forderte in einer Ansprache Eltern auf, Teenager zu Hause zu behalten, um die Krawalle einzudämmen.
Der französische Präsident, Emmanuel Macron (45), forderte in einer Ansprache Eltern auf, Teenager zu Hause zu behalten, um die Krawalle einzudämmen.  © Yves Herman/Pool Reuters/dpa

Der Jugendliche wurde am Samstagnachmittag in seinem Heimatort Nanterre nahe Paris beigesetzt. Beobachter hatten zuvor befürchtet, dass die Beerdigung erneut Öl ins Feuer gießen könnte. Doch in Nanterre blieb es "Le Parisien" zufolge bis Mitternacht ruhig.

Wegen der Unruhen sagte Präsident Macron seinen Staatsbesuch in Deutschland am Samstag ab. Auch mehrere Konzerte, Modeschauen und andere Kulturveranstaltungen wurden in Frankreich abgesagt. Busse und Straßenbahnen fahren derzeit nur tagsüber, der Verkauf und das Mitführen von Feuerwerkskörpern und brennbaren Stoffen wurden verboten.

Den nationalen Notstand rief die Regierung allerdings bislang nicht aus, auch Ausgangssperren wurden nur vereinzelt in kleineren Orten verhängt.

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Das Auswärtige Amt hatte am Samstag seine Reise- und Sicherheitshinweise angesichts der Ausschreitungen aktualisiert. Reisende wurden aufgefordert, sich über die jeweilige Lage zu informieren und weiträumig Orte gewalttätiger Ausschreitungen zu meiden.

Zudem sollten je nach Reiseziel deutliche Einschränkungen bei der Programmgestaltung einkalkuliert werden, vor allem in den Abend- und Nachtstunden. Das Auswärtige Amt wies darauf hin, in einigen Stadtvierteln und Vororten von Paris sowie auch in anderen größeren Städten Frankreichs sei es heftigen gewalttätigen Ausschreitungen gekommen.

Einige Städte hätten nächtliche Ausgangssperren zwischen 21 beziehungsweise 23 und 6 Uhr verhängt. Diese gelte oft nur für Minderjährige unter 16 Jahren.

Wohnhaus eines Bürgermeisters angegriffen

Ein Polizist steht vor dem Haus des Bürgermeisters Vincent Jeanbrun. Randalierer hätten das Haus in der Nacht zu Sonntag mit einem Auto gerammt und Feuer gelegt.
Ein Polizist steht vor dem Haus des Bürgermeisters Vincent Jeanbrun. Randalierer hätten das Haus in der Nacht zu Sonntag mit einem Auto gerammt und Feuer gelegt.  © Nassim Gomri/AFP/dpa

Bei den Krawallen in Frankreich ist das Wohnhaus eines Bürgermeisters in einem Pariser Vorort angegriffen worden, während dessen Familie zu Hause schlief. Randalierer hätten das Haus in der Nacht zu Sonntag mit einem Auto gerammt und Feuer gelegt, schrieb Vincent Jeanbrun, Bürgermeister von L'Haÿ-les-Roses, auf Twitter.

Seine Frau und eines seiner Kinder seien verletzt worden. Nach Angaben des Fernsehsenders BFMTV leitete die Staatsanwaltschaft eine Untersuchung wegen versuchten Mordes ein.

Der Bürgermeister selbst befand sich in der Nacht noch im Rathaus. Das Gebäude der Behörde war wegen versuchter Angriffe mit Stacheldraht verbarrikadiert und von Polizisten bewacht. Das Privathaus, in dem die Frau des Bürgermeisters mit ihren zwei kleinen Kindern schlief, war jedoch nicht gesichert.

Die Täter rammten mit einem Auto das Tor zu seinem Haus und zündeten dann das Auto, den Wagen der Familie und mehrere Mülltonnen an. Frau und Kinder flohen laut dem Fernsehsender franceinfo durch den Garten, während die Angreifer sie mit Feuerwerkskörpern beschossen.

Macron will am Abend Lagebericht abgeben

Angesichts der anhaltenden Unruhen in Frankreich will Präsident Emmanuel Macron am Sonntagabend einen Lagebericht abgeben. Das teilte der Elysée-Palast laut der Nachrichtenagentur AFP mit. Zuletzt hatte sich Macron am Freitag dazu geäußert.

Angesichts des sehr jungen Alters vieler Randalierer appellierte er an das Verantwortungsgefühl der Eltern.

Ausschreitungen in Schweiz als Reaktion auf Unruhen in Frankreich

Die Unruhen in Frankreich haben nun auch die Schweiz erreicht. Die Polizei nahm am Samstagabend in der Stadt Lausanne nahe der Grenze zu Frankreich sieben Menschen fest, wie die Nachrichtenagentur Keystone-SDA berichtete.

Nach Angaben der Polizei hatten sich mehr als 100 Jugendliche als Reaktion auf die Krawalle in Frankreich versammelt. Es kam zu Sachbeschädigungen an Geschäften.

Die sieben Festgenommenen seien auf eine Polizeistation gebracht worden, hieß es in einer Mitteilung der Polizei weiter. Es handle sich um sechs Minderjährige im Alter von 15 bis 17 Jahren und einen 24-Jährigen.

Erstmeldung von 8.55 Uhr, zuletzt aktualisiert um 13.55 Uhr.

Titelfoto: Nassim Gomri/AFP/dpa

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