Bomben-Anschlag in Istanbul: Polizei nimmt Person fest - Verbindung zu syrischer YPG

Istanbul - Nach dem Bombenanschlag in der türkischen Metropole Istanbul mit sechs Todesopfern und über 80 Verletzten haben die Behörden nach eigener Darstellung die Person festgenommen, die die Bombe auf der Einkaufsstraße Istiklal hinterlegt haben soll.

Sicherheitskräfte und ein Krankenwagen am Ort des Anschlags auf der beliebten Fußgängerzone Istiklal in Istanbul.
Sicherheitskräfte und ein Krankenwagen am Ort des Anschlags auf der beliebten Fußgängerzone Istiklal in Istanbul.  © Emrah Gurel/AP/dpa

Das teilte Innenminister Süleyman Soylu am frühen Montagmorgen nach Angaben des staatlichen Senders TRT mit. Es gebe Verbindungen zur verbotenen kurdischen Arbeiterpartei PKK. Soylu kündigte laut TRT Vergeltung an.

Die türkische Regierung hatte zuvor von einer verdächtigen Frau gesprochen. Auf Videos sei zu sehen, dass die Frau etwa 40 Minuten lang auf einer Bank auf der Einkaufsstraße gesessen habe und kurz vor der Detonation aufstand, so Justizminister Bekir Bozdag.

Bei dem Anschlag am Sonntagnachmittag starben nach offiziellen Angaben mindestens sechs Menschen, weitere 81 wurden verletzt. Vizepräsident Fuat Oktay (58) sprach am Abend von einem "Terroranschlag". Präsident Recep Tayyip Erdogan (68) sprach von einem "hinterhältigen Anschlag" auf die Metropole, in der rund 16 Millionen Menschen leben.

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Unter anderem Bundesaußenministerin Annalena Baerbock (41, Grüne) drückte ihr Mitgefühl aus. "Furchtbare Bilder kommen aus Istanbul", erklärte die Grünen-Politikerin über Twitter. "Meine Gedanken sind bei den Menschen, die einfach nur an einem Sonntag auf der Einkaufsstraße Istiklal flanieren wollten und nun Opfer einer schweren Explosion wurden."

Die Sprecherin von US-Präsident Joe Biden (79), Karine Jean-Pierre (48), verurteilte die "Gewalttat". "Wir stehen im Kampf gegen Terrorismus Seite an Seite mit unserem Nato-Verbündeten Türkei", erklärte sie weiter für das Weiße Haus.

Berichterstattung zum Anschlag größtenteils eingestellt

Bewaffnete Sicherheitskräfte am Tatort. Bei dem Anschlag gab es mehrere Tote und etliche Verletzte.
Bewaffnete Sicherheitskräfte am Tatort. Bei dem Anschlag gab es mehrere Tote und etliche Verletzte.  © Francisco Seco/AP/dpa

Die Einkaufsstraße Istiklal ist ein touristischer Hotspot im Zentrum des europäischen Teils der türkischen Metropole, auf der auch am Sonntag häufig großes Gedränge herrscht. Ob Deutsche oder Angehörige anderer Nationen unter den Opfern waren, war zunächst unklar.

In türkischen Medien wurde die Berichterstattung zu dem Anschlag größtenteils eingestellt. Die Rundfunkbehörde Rtük verhängte eine vorläufige Nachrichtensperre für Medien. Berichte über die Explosion sollten vermieden werden, um nicht für Angst und Panik in der Bevölkerung zu sorgen, hieß es in dem Schreiben am Nachmittag.

Die Behörde für Informationstechnologie und Kommunikation (BTK) reduzierte am Abend Berichten zufolge zudem die Bandbreite für Social-Media-Plattformen.

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Für Nutzer bedeutete das, dass Seiten deutlich langsamer oder nur noch via VPN erreichbar waren.

Immer wieder Anschläge in der Türkei

Mitarbeiter der Spurensicherung nehmen ihre Arbeit auf. Der Grund für die Explosion, die sich am Sonntagnachmittag zutrug, ist noch immer unklar.
Mitarbeiter der Spurensicherung nehmen ihre Arbeit auf. Der Grund für die Explosion, die sich am Sonntagnachmittag zutrug, ist noch immer unklar.  © Francisco Seco/AP/dpa

In der Türkei ist es in der Vergangenheit immer wieder zu Anschlägen gekommen - auch im Zentrum Istanbuls. 2016 hatte sich etwa ein Selbstmordattentäter auf der Istiklal in die Luft gesprengt und vier Menschen getötet, 39 weitere wurden verletzt.

Nach Angaben der türkischen Regierung hatte der Attentäter Verbindungen zur Terrormiliz Islamischer Staat (IS). Die Gruppe selbst bekannte sich damals nicht zu der Tat.

Auch die verbotene kurdische Arbeiterpartei PKK verübt immer wieder Anschläge in der Türkei. Die PKK steht in der Türkei, Europa und den USA auf der Terrorliste und unterhält Stellungen in der Südosttürkei und im Nordirak. Ihr Hauptquartier liegt in den nordirakischen Kandil-Bergen. Ankara geht regelmäßig gegen die PKK vor und unterhält seit 2016 auch Militärposten im Nordirak.

Der seit 1984 andauernde Konflikt kostete bislang Zehntausenden Menschen das Leben. Ein Waffenstillstand war im Sommer 2015 gescheitert.

Video von Festnahme im Netz, neue Details

Ein Mann trauert am Ort der Explosion, immer wieder legen Menschen Blumen nieder.
Ein Mann trauert am Ort der Explosion, immer wieder legen Menschen Blumen nieder.  © Khalil Hamra/AP/dpa

Nach dem Anschlag haben Medien Videos von der Festnahme einer Verdächtigen veröffentlicht. Der Staatssender TRT veröffentlichte etwa am Montagmorgen ein Einsatzvideo von Sicherheitskräften, das eine auf dem Boden liegende und mit Handschellen fixierte Frau zeigt. Dem Bericht zufolge soll sie die am Sonntag detonierte Bombe auf der belebten Einkaufsstraße Istiklal deponiert haben.

Auch die Polizei hat weitere Details veröffentlicht. Die mutmaßliche Attentäterin sei Syrerin und habe Verbindungen zur syrischen Kurdenmiliz YPG zugegeben, teilte die Polizei am Montag mit. Die Türkei setzt die YPG mit der verbotenen kurdischen Arbeiterpartei PKK gleich.

Die PKK steht in der Türkei, Europa und den USA auf der Terrorliste. Die Kurdenmiliz YPG wiederum wird von den USA nicht als Terrororganisation angesehen, sondern ist für sie Partner im syrischen Bürgerkrieg im Kampf gegen die Terrormiliz Islamischer Staat (IS).

Die Attentäterin gestand nach Angaben der Polizei auch, über Syrien illegal in die Türkei eingereist zu sein. Es habe im Zusammenhang mit dem Anschlag am Sonntag bislang 46 Festnahmen gegeben.

PKK weist Verantwortung für Anschlag zurück

Die Arbeiterpartei Kurdistans (PKK) hat jegliche Verantwortung für den tödlichen Anschlag von Istanbul zurückgewiesen. "Unser Volk und die demokratische Öffentlichkeit wissen genau, dass wir nichts mit diesem Vorfall zu tun haben, dass wir nicht direkt auf Zivilisten zielen und dass wir Aktionen nicht akzeptieren, die auf Zivilisten abzielen", schrieb die in der Türkei verbotene Organisation in einer von der Nachrichtenagentur Firat am Montag veröffentlichten Erklärung.

Firat steht der PKK nahe, die von der Türkei und ihren westlichen Verbündeten als "Terrororganisation" eingestuft wird.

Erstmeldung 6.40 Uhr, letzte Aktualisierung: 13.58 Uhr

Titelfoto: Emrah Gurel/AP/dpa

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