Landwirt erklärt, wo der Schuh gerade drückt: "Es geht doch längst nicht nur um Diesel ..."

Dresden - Zehntausende Landwirte gingen diese Woche auf die Straße - auch in Sachsen! Ein wahrer Bauernaufstand, der sich anfänglich an geplanten Subventionskürzungen entzündet hatte. Doch spätestens bei den Protesten war zu spüren und zu hören: Es geht um mehr. Wie tief der Frust sitzt, hat uns mal ein Betroffener aus Bannewitz bei Dresden erklärt. Dabei geht es um gefühlten Bürokratie-Zuwachs, Ämter-Irrsinn und fehlenden Respekt.

Als Forst- und Landwirt in Personalunion bleiben Stephan Holfert (43) manche Vergünstigungen verwehrt.
Als Forst- und Landwirt in Personalunion bleiben Stephan Holfert (43) manche Vergünstigungen verwehrt.  © Holm Helis

Stephan Holfert (43) ist ein studierter Mann: Diplom-Forstingenieur und Landespfleger. Aber auch Landwirt.

Gemeinsam mit seiner Frau Elena (42) betreibt er ein kleines Unternehmen, das Land- und Forstwirtschaft auf eigenen Flächen und als Dienstleistung betreibt. Auch für Kommunen ist man tätig, zum Beispiel mit Mäharbeiten. Eine Art Bauchladen-Firma, die sich aber seit der Gründung 2014 durchaus "gerechnet" hat.

"Beschweren konnten wir uns nicht", sagt Holfert. "Wir hatten Aufträge ohne Ende."

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Zu den 35 Hektar Grünfläche gilt es sieben Hektar eigenen Wald zu bewirtschaften. Knapp 70 Schafe - eine kräftige Rasse mit gutem Fleisch - gibt es auch. Alles gut so weit. Doch seit ein paar Jahren häufen sich die Ärgernisse.

Holfert zählt sie beim Feierabend-Kaffee mal auf ...

Die Teuerung!

Papierkram und kein Ende! Phil Dohlich (29, v.l.n.r.), Elena (42) und Stephan Holfert verbringen mehr Zeit im Büro, als ihnen lieb ist.
Papierkram und kein Ende! Phil Dohlich (29, v.l.n.r.), Elena (42) und Stephan Holfert verbringen mehr Zeit im Büro, als ihnen lieb ist.  © Holm Helis

In allen Bereichen. "Das ging schon vor Corona los", glaubt sich Stephan Holfert zu erinnern. Zum Beispiel für Ersatzteile, die dann auch noch wegen Lieferschwierigkeiten wochenlang auf sich warten lassen, Teile seines Fuhrparks (drei Traktoren, Ballenpressen, Mulcher etc.) lahmlegen. Aber auch Zwangsmitgliedschaften und -beiträge.

"In die Unfallkasse müssen wir als Waldbesitzer und als Firma gleich doppelt einzahlen", ärgert sich der Unternehmer. Dabei könne er ein und denselben Baum doch nur einmal fällen.

"Gebäude- und Gewerbehaftpflicht kommen noch obendrauf", ergänzt Ehefrau Elena. Macht schon mal einige Tausend Euro im Jahr.

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"Das Geld will erst einmal erwirtschaftet sein", sagt Holfert.

Die Grundsteuer!

Eigentlich soll sich ja bei der Grundsteuerreform, die ab 2025 gilt, niemand schlechter stellen, hieß es aus der Politik. Doch letztlich entscheiden auch die Kommunen darüber.

Holfert bekam gerade Bescheid aus der Gemeinde Klingenberg, wo sein Unternehmen eine Weidefläche hat.

Dort muss er künftig fast das Doppelte bezahlen.

Die Dieselsteuer!

Stephan Holfert ist jemand, der lieber macht als meckert. Doch mittlerweile ist auch er ganz schön bedient.
Stephan Holfert ist jemand, der lieber macht als meckert. Doch mittlerweile ist auch er ganz schön bedient.  © Holm Helis

Beziehungsweise deren Rückerstattung, die die Ampelregierung bekanntlich abschaffen möchte. "Ein übelst kompliziertes Verfahren", stöhnt Stephan Holfert.

Kassenzettel müssten gesammelt, in eine Tabelle getippt, ein Antrag eingereicht werden.

Außerdem brauche man vom Finanzamt ein Zertifikat und eine Freischaltung vom Zoll. Beides müsse zeitlich zusammenpassen - super kompliziert und zeitaufwendig!

"Ich wurde auch schon mal vom Finanzamt gefragt, ob ich unsere Kinder ab und an mit dem Trecker zur Schule fahre", wundert sich Holfert.

In dem Fall hätte man die Rückerstattung ersatzlos gestrichen.

Die Kfz-Steuer!

Für einige Anhänger braucht man jetzt eigene Kennzeichen. Natürlich kostet auch das wieder Geld.
Für einige Anhänger braucht man jetzt eigene Kennzeichen. Natürlich kostet auch das wieder Geld.  © Holm Helis

Bislang waren alle Anhänger bis 25 km/h steuerbefreit, konnten mit denselben Kennzeichen fahren, die auch die Traktoren hatten. Vorbei!

Wegen der Bauernproteste hat die Regierung die geplante Einführung jetzt zwar wieder gestrichen.

"Aber nur für Vollerwerbslandwirte", klagt Holfert.

Da er aber Land- und Forstwirtschaft betreibe, müsse sein Betrieb zahlen - etwa 4800 Euro zusätzlich im Jahr.

Kleine Flächen!

Bislang wurde die Bewirtschaftung von sogenannten Wildwiesen (meist im Wald gelegene Lichtungen) von der EU mit Ausgleichszahlungen bezuschusst.

Stichwort Artenschutz!

Für Flächen unter einem Hektar falle dieser Zuschuss nun weg, sagt Holfert, der gleich mit mehreren Wiesen betroffen ist.

Weniger Ausgleichszulage!

Mit dem Heu teils ziemlich abgelegener Wiesen beliefert der Betrieb zum Beispiel Pferdebesitzer in Dresden.
Mit dem Heu teils ziemlich abgelegener Wiesen beliefert der Betrieb zum Beispiel Pferdebesitzer in Dresden.  © Holm Helis

Auch wer schlecht erreichbare Flächen bewirtschaftet, zum Beispiel am Hang oder mit feuchten Böden, bekommt als Landwirt eine Zulage. Damit die Flächen als Kulturlandschaft erhalten bleiben.

"Diese Zulage wurde nun gekürzt und soll überhaupt erst ab 5000 Euro ausgezahlt werden", hat Stephan Holfert lesen müssen.

Damit ist er draußen.

Teure Tierhaltung!

Die firmeneigenen Shropshire-Schafe sind genügsame Tiere, brauchen im Winter aber auch ihr Heu.
Die firmeneigenen Shropshire-Schafe sind genügsame Tiere, brauchen im Winter aber auch ihr Heu.  © Holm Helis

67 dauerhungrige Shropshire-Schafe halten die kleine Weihnachtsbaum-Schonung der Holferts frei von allzu hohem Gras.

Tierhalterhaftpflicht, Tierseuchenkasse, Grundbeiträge für die Tierkörperbeseitigung sind da zu zahlen (noch ehe ein Tier stirbt!).

Außerdem kaufte man vor Jahren zum Schutz vor Wölfen einen 90 Zentimeter hohen Zaun. "Inzwischen muss der aber laut neuer Vorschrift einen Meter hoch sein", sagt Stephan Holfert.

Damit bei einem Wolfsriss Entschädigung gezahlt wird, muss der Betrieb einen neuen kaufen, bleibt auf dem alten sitzen.

Kosten, Kosten, Kosten ...

Weitere Ärgernisse kommen hinzu

Den Protesten in Dresden schlossen sich Holfert und Dohlich mit "kleinen Grußbotschaften" an.
Den Protesten in Dresden schlossen sich Holfert und Dohlich mit "kleinen Grußbotschaften" an.  © Holm Helis

Das Anlegen von Hecken werde plötzlich nicht mehr gefördert, weshalb der Firma künftig Aufträge wegbrechen könnten. Neue Vorschriften z. B. für das Mähen von öffentlichen Flächen machen längerfristige Verträge weniger attraktiv. Ach ja, und auch Rasentraktoren brauchen künftig Kennzeichen.

Holfert: "Unsere haben nicht mal eine Vorrichtung dafür."

Rund 20 Stunden Minimum verbringt Stefan Holfert derzeit mit Papierkram und am Rechner. Viel zu viel Büromief für jemanden, der seinerzeit bewusst einen naturnahen Beruf gewählt hat.

Der Bannewitzer und einige Kollegen seiner achtköpfigen Belegschaft waren diese Woche bei den Bauernprotesten in Dresden vor Ort.

"Aber nicht, weil wir einfach keine Steuern zahlen wollen", stellt der Land- und Forstwirt klar. Steuern seien sinnvoll, schließlich müssten Schulen, Kitas und Straßen bezahlt werden.

Aber man wolle eben auch, dass die Dinge dann funktionieren. Und das sehe man derzeit gerade nicht.

Titelfoto: Bildmontage: Holm Helis (2)

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