Bergwacht fassungslos: Vater befestigt Kind mit Kleiderbügel im Steig
Von Christiane Oelrich, Sabine Dobel und Matthias Röder
Genf/Wien/München - Wenig Wissen, wenig Kondition, wenig Umsicht: Immer wieder geraten Bergwanderer in höchste Not, weil sie zu unbedacht unterwegs sind. Der Deutsche Alpenverein (DAV) registriert eine "Zunahme von leichtfertigem Verhalten", wie Stefan Winter vom DAV der Deutschen Presse-Agentur sagt.
Alles in Kürze
- Bergwanderer geraten oft in Not durch unbedachtes Verhalten
- Vater befestigt Tochter mit Kleiderbügel im Steig
- Ehrgeiz und Egoismus erhöhen Risiko-Bereitschaft
- Hobby-Wanderer gehen abends in die Berge, trotz Gefahren
- Uneinsichtigkeit bringt Bergretter an Limit, Kosten können hoch sein

Ein unglaubliches Beispiel: Ein Tourist aus den Niederlanden wollte 2024 mit seiner acht Jahre alten Tochter in Kärnten in Österreich einen Klettersteig bewältigen.
Er band ihr ein Seil um den Bauch und befestigte daran einen Kleiderbügel aus Draht. Mit dem gebogenen Ende sollte sie sich im Führungsseil einhängen. "Das war nur für die Psyche, meine Tochter klettert gut", rechtfertigte sich der Vater, als beide in Not gerieten und gerettet werden mussten.
Was macht die Menschen für die Gefahren in den Bergen so blind? Ehrgeiz und Egoismus, sagt Richard Lehner, Bergführer und -retter aus Zermatt. "Da wird eine Tour auf Biegen und Brechen durchgeführt", sagt er. Der Handy-Empfang praktisch überall erhöhe die Risiko-Bereitschaft. "Im Hinterkopf haben die Leute: Wenn es nicht mehr geht, rufe ich an, dann kommt der Hubschrauber und holt mich raus."
Das stimmt aber nur bedingt. Das Handy funktioniert eben doch nicht überall, und der Hubschrauber kann nicht bei jedem Wetter fliegen.
Gefährlichen Trend: Hobby-Wanderer gehen abends in die Berge

Dabei sind die Voraussetzungen für eine Tour ohne Alptraum gut. Nie seien die Qualität der Ausrüstung, die Verfügbarkeit von Informationen wie Wegbeschreibungen und die Wettervorhersagen so gut gewesen wie heute, sagt Roland Ampenberger, Sprecher der Bergwacht Bayern.
Er sieht einen gefährlichen Trend: Noch Spätnachmittags nach der Arbeit wollten Leute auf den Berg. Seit Jahren mehrten sich Einsätze zwischen 18 Uhr abends und 6 Uhr morgens. Im Sommer 2024 mussten die Retter bei rund 480 von insgesamt 3640 Einsätzen in dieser Zeit ausrücken.
Unter Umständen bleiben gerettete Berggänger auf hohen Kosten sitzen - je nach Versicherung und Lage des Falles.
"Speziell, wenn der Hubschrauber unterwegs ist, können die Kosten schnell mehrere tausend Euro pro Einsatz betragen", sagt Ampenberger.
Krasse Fälle: Uneinsichtigkeit bringt Bergretter an Limit

2025: Im Juli versteigt sich ein Bergsteiger - alleine unangeseilt unterwegs - im Nebel auf dem Weg zur Zugspitze. Er gerät in steiles Gelände und stürzt zehn Meter kopfüber in eine Gletscherspalte. Nur, weil gerade der Nebel aufreißt und aus der Ferne ein anderer Bergsteiger den Mann in der Spalte verschwinden sieht und die Bergwacht alarmiert, kann er gerettet werden.
2025: Auf der Monte Rosa Hütte (2883 Metern) bei Zermatt macht Lehner sich Sorgen um einen Vater mit zwei Kindern. "Wir haben ihn mit Ferngläsern entdeckt, kontaktiert und Hilfe angeboten, aber er wollte nicht", berichtet er. Völlig erschöpft kommen Vater und Kinder nach zwölf statt der üblichen vier Stunden Aufstieg an. Der Vater will tags darauf mit den Kindern auf demselben Weg wieder absteigen. "Ich habe ihm gesagt: Sie können alleine gehen, für die Kinder bestelle ich den Hubschrauber", sagt Lehner.
2022: Ein Mann baumelt am Matterhorn stundenlang über Kopf am Seil. Mit Lauf- statt Bergschuhen und leicht bekleidet ist er auf 4200 Meter gestürzt. Für eine Rettung ist es in der Nacht zu windig und zu nebelig. Am nächsten Morgen kann ein Retter den Mann bergen - mit Seil an einem Hubschrauber.
2022: 99 Schüler und acht Lehrkräfte aus dem Raum Ludwigshafen müssen im Kleinwalsertal in Österreich teils per Hubschrauber aus Bergnot gerettet werden. Sie wollten ohne passende Schuhe und Bekleidung über den schmalen, 1794 Meter hohen Heuberggrat.
Ein Lehrer hatte die Route im Internet ausgesucht, die sich als viel zu schwer erwies.
Titelfoto: Bildmontage: Peter Kneffel/dpa, Matthias Bein/dpa