"Sittenverfall" in deutschen Zügen: Starker Anstieg bei Übergriffen auf Zugpersonal
Von Dorothea Hülsmeier
Düsseldorf - Die Übergriffe auf Fahrpersonal in Regionalzügen in Nordrhein-Westfalen sind stark angestiegen.
Alles in Kürze
- Übergriffe auf Zugpersonal in NRW stark angestiegen.
- 1300 Bedrohungen und 905 Körperverletzungen im Jahr 2023.
- Sicherheitsbericht zeigt Anstieg um 17 Prozent gegenüber Vorjahr.
- VRR-Vorstandssprecher spricht von "Verfall der Sitten".
- Forderung nach konsequenter Ahndung von Übergriffen und Schwarzfahren.

Im vergangenen Jahr gab es mehr als 1300 Bedrohungen in Zügen, von denen sich die allermeisten gegen Kontroll- und Sicherheitskräfte richteten, wie aus dem neuen Sicherheitsbericht 2024 für den Regionalverkehr in NRW hervorgeht.
Das ist ein Anstieg um 17 Prozent gegenüber dem Vorjahr. Auch die Zahl der Körperverletzungen im Regionalverkehr stieg von 823 auf 905 erfasste Taten. Die meisten dieser Taten richteten sich ebenfalls gegen das Kontroll- und Sicherheitspersonal.
Insgesamt stieg die Zahl der sogenannten sicherheitsrelevanten Vorfälle im Schienennahverkehr auf fast 43.000 im vergangenen Jahr (2023: rund 38.500). Die Steigerungen seien größtenteils auf eine verbesserte Datenerfassung zurückzuführen, heißt es in dem Bericht.
Den größten Teil macht nach wie vor das Schwarzfahren aus. Das sogenannte Erschleichen von Leistungen, also Fahren ohne Ticket, erreichte allein in Regionalzügen mit fast 15.000 erfassten Fällen einen neuen Höchststand (2023: rund 12.870).
Wenn Busse, Straßenbahnen und U-Bahnen hinzukämen, lägen die Zahlen noch höher.
VRR-Vorstandssprecher Oliver Wittke bemängelt "Verfall der Sitten"

Der Sicherheitsbericht wird jährlich in Zusammenarbeit aller Verkehrsverbünde und dem NRW-Verkehrsministerium erstellt. In ihn fließen von Verkehrsunternehmen gemeldete Straftaten, Ordnungswidrigkeiten und Auffälligkeiten ein.
Der Vorstandssprecher des einwohnerstärksten Verkehrsverbundes Rhein-Ruhr (VRR), Oliver Wittke, führte den Anstieg bei Übergriffen auf Fahrpersonal auf einen "Verfall der Sitten" zurück.
"Das ist nicht die konkrete Wut über eine schlechte Leistung, das ist nicht die konkrete Wut über irgendein Ereignis, sondern das ist ein Stück weit Widerstand gegen Autoritäten", sagte Wittke bei der Vorstellung des Berichts.
Ähnliche Übergriffe seien auch bei Feuerwehren, Rettungskräften und der Polizei zu beobachten.
Wittke forderte eine konsequente Ahndung von Übergriffen, Schwarzfahren und auch Anzeigen bei Beleidigungen von Zugpersonal. Zum Fahren ohne Ticket sagte Wittke: "Wir sind ausdrücklich dagegen, dass das bagatellisiert oder gar straffrei gestellt wird, denn das wäre eine Kapitulation vor dem Rechtsbruch."
Titelfoto: Roland Weihrauch/dpa