Palästinensische Terroristen greifen an: Israelis in Gazastreifen verschleppt

Tel Aviv (Israel) - Israels Ministerpräsident Benjamin Netanjahu (73) hat nach tödlichen Raketenangriffen aus dem Gazastreifen auf Israel von einem Krieg gesprochen. "Bürger Israels, wir sind im Krieg", sagte er in einer Videobotschaft aus dem Militärhauptquartier in Tel Aviv.

Militante Palästinenser im Gazastreifen haben am frühen Samstagmorgen unerwartet Dutzende von Raketen auf Ziele in Israel abgefeuert und in mehreren Städten des Landes Warnsirenen ausgelöst, teilte die Armee mit.
Militante Palästinenser im Gazastreifen haben am frühen Samstagmorgen unerwartet Dutzende von Raketen auf Ziele in Israel abgefeuert und in mehreren Städten des Landes Warnsirenen ausgelöst, teilte die Armee mit.  © Ilia Yefimovich/dpa

In den frühen Samstagmorgenstunden wurden die Menschen in Israel von Sirenen geweckt. Dem folgte ein massiver Angriff aus dem Gazastreifen. Die radikalislamische Terror-Organisation Hamas erklärte den Beginn einer "Militäroperation" gegen Israel. Die israelische Armee rief den Kriegszustand aus.

"Es ist hart, so aufzuwachen", sagte ein Bewohner der Stadt Giv’atajim, östlich von Tel Aviv, gegenüber TAG24. "Wir haben eine Kriegssituation", fügte er hinzu. Die Lage sei katastrophal, äußerte er.

Mehr als 5000 Raketen sollen am Samstag innerhalb von 20 Minuten aus dem Gazastreifen auf Israel abgefeuert worden, teilte der bewaffnete Flügel der Hamas mit und erklärte, er habe mit einer Militäroperation begonnen.

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"Wir haben beschlossen, allen Verbrechen der Besatzung (Israel) ein Ende zu setzen. Ihre Zeit, ohne zur Rechenschaft gezogen zu werden, ist vorbei", zitierte AFP die Gruppe.

Die Raketen seien demnach von verschiedenen Orten im Gaza-Streifen aus abgefeuert worden. Auch in Tel Aviv waren über eine Stunde lang die Alarmsirenen zu hören. Ein Sprecher der israelischen Armee bestätigte, dass in der Stadt auch ein Haus getroffen wurde. Es habe eine schwere Explosion gegeben. Ob es Verletzte gab, war zunächst unklar.

Auch in Jerusalem gab es Raketenalarm.

Geiselnahmen und Entführungen in den Gazastreifen

Mitglieder der israelischen Sicherheitskräfte tragen in Ashkelon nach einem Raketenangriff aus dem Gazastreifen einen Verletzten auf einer Trage.
Mitglieder der israelischen Sicherheitskräfte tragen in Ashkelon nach einem Raketenangriff aus dem Gazastreifen einen Verletzten auf einer Trage.  © Ilia Yefimovich/dpa

Das israelische Militär erklärte, dass "eine Anzahl von Terroristen" aus dem von der Hamas kontrollierten Gazastreifen nach Israel eingedrungen sei. Die bewaffneten Palästinenser seien dabei über Land, See und Luft nach Israel gekommen. Es kommt weiterhin zu schweren Kämpfen mit israelischen Soldaten.

Berichten zufolge ist von Geiselnahmen und Entführungen in den Gazastreifen die Rede.

Hamas-Kämpfer haben ein Video mit drei Gefangenen in Zivilkleidung veröffentlicht. Schilder im Hintergrund, auf denen hebräische Schrift zu sehen ist, deuten darauf hin, dass die Aufnahme auf der israelischen Seite des Grenzübergangs Erez zwischen Israel und dem Gazastreifen entstanden ist.

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Wie die Angreifer trotz strenger Grenzkontrollen nach Israel vordringen konnten, ist noch unklar. Unter anderem seien Gleitflieger eingesetzt worden.

Der israelische Verteidigungsminister, Joav Galant (64), rief eine "außergewöhnliche Sicherheitssituation" im Umkreis von bis zu 80 Kilometern Entfernung vom Gazastreifen aus. Dadurch kann die israelische Armee Zivilisten besser schützen.

Die Leute, die rund um den Gaza-Streifen leben, wurden aufgefordert, zu Hause zu bleiben. In der Vergangenheit wurden bereits Menschen aus Israel von Palästinensern entführt.

Mindestens 100 Tote, mehr als 1000 Verletzte

Israelische Feuerwehrleute löschen ein Feuer, nachdem eine aus dem Gazastreifen abgefeuerte Rakete auf einem Parkplatz in Ashkelon eingeschlagen ist.
Israelische Feuerwehrleute löschen ein Feuer, nachdem eine aus dem Gazastreifen abgefeuerte Rakete auf einem Parkplatz in Ashkelon eingeschlagen ist.  © Tsafrir Abayov/AP/dpa

Wie der israelische Rettungsdienst "Magen David Adom" mitteilte, wurden mindestens 100 Menschen getötet. In weiteren Berichten war, unter Berufung auf mehrere behandelnde Krankenhäuser, von rund 1000 Verletzten die Rede.

Bei einem Schusswechsel mit einem Hamas-Eindringling sei zudem der israelische Lokalpolitiker und Vorsitzende der Region Scha'ar HaNegev, Ofir Liebstein, getötet, teilte der Regionalrat von Shaar Negev mit.

Inzwischen genehmigte Joav Galant die Mobilisierung von Reservisten. Die geschehe laut einer Sprecherin des Verteidigungsministeriums "entsprechend des Bedarfs der israelischen Armee".

Unterdessen bestätigte ein israelischer Armeesprecher, dass - als Reaktion auf die Raketenangriffe - die israelische Luftwaffe Ziele im Gazastreifen beschossen hat.

Zudem hat die israelische Armee am Samstag den Kriegszustand erklärt. Das ermöglicht ihr, außergewöhnliche Schritte zu ergreifen und Reservisten zu mobilisieren.

Die israelische Luftwaffe hat inzwischen militärische Ziele im Gazastreifen beschossen.

"Die Hamas hat heute Morgen einen schweren Fehler begangen und einen Krieg gegen den Staat Israel begonnen", sagte Galant. "Israel wird diesen Krieg gewinnen."

Zudem warnte ein israelischer Repräsentant, dass die Hamas mit ihrem Großangriff auf Israel "die Tore zur Hölle" geöffnet habe. Man werde die Terror-Organisation zur Rechenschaft ziehen.

Ähnlich äußerte sich der israelische Botschafter in Berlin, Ron Prosor (64). Er kündigte die Bestrafung der Verantwortlichen für den Großangriff auf Israel an. Ohne vorher provoziert worden zu sein, habe die Hamas-Führung den Angriff beschlossen. Im Deutschlandfunk sprach er von einem "monströsen" Angriff gegen Zivilisten. "Raketen fliegen ohne Pause, Wohnhäuser brennen und Zivilisten werden als Geiseln genommen", sagte er.

Unterdessen teilte das ägyptische Außenministerium mit, dass sich Ägypten intensiv um eine Beruhigung der Lage bemühe. Ägypten hat in der Vergangenheit bereits mehrfach zwischen Israel und militanten Palästinensern vermittelt.

Deutsche sollen in Schutzräumen bleiben, Lufthansa streicht Flüge

Nach einem Raketenangriff aus dem Gazastreifen versuchen Menschen in Ashkelon, das Feuer auf Autos zu löschen.
Nach einem Raketenangriff aus dem Gazastreifen versuchen Menschen in Ashkelon, das Feuer auf Autos zu löschen.  © Ilia Yefimovich/dpa

Am Vormittag wandte sich der deutsche Botschafter, Steffen Seibert (63), an Deutsche, die sich derzeit in Israel aufhalten, und rief sie auf, sich angesichts des Raketenbeschusses in der Nähe von Schutzräumen oder Bunkern aufzuhalten.

Auf der Plattform X (früher Twitter) schrieb er: "An alle Landsleute in Israel: Der Raketenbeschuss aus Gaza dauert an, es besteht insgesamt erhöhte Gefahr."

Touristen sollen sich unbedingt an die Anweisungen der Sicherheitskräfte halten.

Wer sich in einem Hotel aufhält, kann zudem Schutz im Inneren des Gebäudes suchen.

Wichtig: Weg vom Glas! Bei Explosionen können Scherben von zerspringendem Glas schwere Verletzungen verursachen.

Das Schweizer Außenministerium rät inzwischen von touristischen Reisen nach Israel dringend ab. "Eine Verschlechterung der Sicherheitslage ist nicht auszuschließen", hieß es auf der Webseite des Ministeriums. Wer bereits vor Ort ist, solle Reisen innerhalb des Landes auf ein Minimum reduzieren.

Aus Sicherheitsbedenken stellt die Schweizer Lufthansa-Tochter Swiss ihre Flüge nach Israel ab Samstagabend bis auf Weiteres ein. Jedoch seien noch zwei Flüge von Zürich nach Tel Aviv und zurück geplant. Vorher werde die Lage geprüft.

Auch die Lufthansa selbst hat mittlerweile reagiert und ihre Flüge, zumindest am Samstag, von und nach Tel Aviv gestrichen.

Die israelische Botschaft in Berlin informierte außerdem auf Facebook, dass sich Israelis, die sich derzeit in Deutschland aufhalten, bezüglich Flügen der israelischen Fluggesellschaft El Al unter der Telefonnummer 030 89045203 melden können. Kontakt ist auch über Facebook, Facebook Messenger und WhatsApp (039771111) möglich.

Hamas-Terroristen wollen die Zerstörung Israels

Palästinenser feiern an einem zerstörten israelischen Panzer am Zaun des Gazastreifens östlich von Khan Younis die blutigen Angriffe.
Palästinenser feiern an einem zerstörten israelischen Panzer am Zaun des Gazastreifens östlich von Khan Younis die blutigen Angriffe.  © Hassan Eslaiah/AP/dpa

Die islamistische palästinensische Terrororganisation Hamas wurde 1987 als Ableger der Muslimbruderschaft gegründet - kurz nach dem Beginn der ersten Intifada. Hamas ist die abgekürzte arabische Bezeichnung für "Islamische Widerstandsbewegung". Das Wort selbst bedeutet "Eifer". Ihr erklärtes Ziel ist die Zerstörung Israels sowie die Errichtung eines islamischen Staates Palästina.

Zuerst trat die Hamas als reine Wohltätigkeitsorganisation in Erscheinung. Sie errichtete Schulen und weitere soziale Einrichtungen. Das verschaffte ihr Ansehen in der zum Teil verarmten Bevölkerung in Gaza.

Nach 2006 verschärfte sich die Rivalitäten mit der Fatah-Partei von Palästinenserpräsident Mahmud Abbas (87) und nach Kämpfen übernahm die Hamas im Sommer 2007 die Kontrolle im Gazastreifen. Daraufhin verhängte Israel eine Blockade über das Gebiet.

In Israel, der EU und den USA gilt die Hamas als Terrororganisation. Ihr bewaffneter Arm der Hamas sind die Essedin-al-Kassam-Brigaden. Sie bekannte sich inzwischen auf den schweren Angriff am 7. Oktober.

Israelische Polizisten evakuieren in Ashkelon im Süden Israels eine Familie von einem Ort, der von einer aus dem Gazastreifen abgefeuerten Rakete getroffen wurde.
Israelische Polizisten evakuieren in Ashkelon im Süden Israels eine Familie von einem Ort, der von einer aus dem Gazastreifen abgefeuerten Rakete getroffen wurde.  © Tsafrir Abayov/AP/dpa
Menschen stehen vor einem zerstörten Haus in Ashkelon, das bei einem Raketenangriff aus dem Gazastreifen getroffen wurde.
Menschen stehen vor einem zerstörten Haus in Ashkelon, das bei einem Raketenangriff aus dem Gazastreifen getroffen wurde.  © Ilia Yefimovich/dpa
Ein getöteter Zivilist liegt auf einem Weg in der Stadt Sderot.
Ein getöteter Zivilist liegt auf einem Weg in der Stadt Sderot.  © Oren ZIV / AFP
In Sderot wurden mehrere Zivilisten von den palästinensischen Terroristen getötet.
In Sderot wurden mehrere Zivilisten von den palästinensischen Terroristen getötet.  © Oren ZIV / AFP
Ein getöteter Zivilist liegt zugedeckt auf einer Straße in Sderot.
Ein getöteter Zivilist liegt zugedeckt auf einer Straße in Sderot.  © Ohad Zwigenberg/AP/dpa
Menschen bringen sich in einem geschützten Raum in Tel Aviv in Sicherheit, nachdem Sirenenalarm ausgelöst wurde.
Menschen bringen sich in einem geschützten Raum in Tel Aviv in Sicherheit, nachdem Sirenenalarm ausgelöst wurde.  © Gideon Markowicz/JINI/XinHua/dpa
Israels Ministerpräsident, Benjamin Netanjahu (73), betonte, es handele sich nicht um eine neue Gewaltrunde oder ähnliches, sondern um einen Krieg.
Israels Ministerpräsident, Benjamin Netanjahu (73), betonte, es handele sich nicht um eine neue Gewaltrunde oder ähnliches, sondern um einen Krieg.  © Abir Sultan/EPA POOL/AP/dpa
Israelische Soldaten versammeln sich in der Nähe von Aschkelon. Sie würden an allen Stellen kämpfen, an denen in das Land eingedrungen werde, sagte der israelische Verteidigungsminister, Joav Galant (64). Die Bürger wurden aufgerufen, den Anweisungen der Behörden Folge zu leisten.
Israelische Soldaten versammeln sich in der Nähe von Aschkelon. Sie würden an allen Stellen kämpfen, an denen in das Land eingedrungen werde, sagte der israelische Verteidigungsminister, Joav Galant (64). Die Bürger wurden aufgerufen, den Anweisungen der Behörden Folge zu leisten.  © Ohad Zwigenberg/AP/dpa
Rauch steigt von einer Explosion auf, die durch einen israelischen Luftangriff im Gazastreifen verursacht wurde.
Rauch steigt von einer Explosion auf, die durch einen israelischen Luftangriff im Gazastreifen verursacht wurde.  © Hatem Moussa/AP/dpa
Bourj al-Barajneh, Libanon: Ein palästinensischer Junge in einer Armeeuniform hält eine Pistole in der Hand, während andere tanzen, um die Angriffe der militanten Hamas-Gruppe auf Israel zu feiern.
Bourj al-Barajneh, Libanon: Ein palästinensischer Junge in einer Armeeuniform hält eine Pistole in der Hand, während andere tanzen, um die Angriffe der militanten Hamas-Gruppe auf Israel zu feiern.  © Bilal Hussein/AP/dpa
In Israel ist am heutigen Samstag Feiertag. Ab dem Abend wird das jüdische Fest Simchat Tora (Tora-Freude) gefeiert.

Erstmeldung vom 7. Oktober 2023, 8.25 Uhr; zuletzt aktualisiert um 17.22 Uhr.

Titelfoto: Ilia Yefimovich/dpa

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