Rechte von Schwulen und Lesben: Darum ist der Regenbogen-Hype blanke Heuchelei

Stuttgart - Ob EM-Spiel oder Facebook-Auftritt: Überall wird derzeit fleißig die Regenbogen-Fahne gezeigt. Doch das vermeintliche "Flagge zeigen" ist bei genauerem Hinschauen blanke Heuchelei, findet TAG24-Redakteur Patrick Hyslop.

Liebe ist Liebe: Männer küssen sich in Taipeh beim "Taiwan Pride March for the World". (Archiv)
Liebe ist Liebe: Männer küssen sich in Taipeh beim "Taiwan Pride March for the World". (Archiv)  © Chiang Ying-Ying/AP/dpa

Wer in den vergangenen Wochen im Netz unterwegs war, der sah vor allem eines: jede Menge Regenbogenfarben.

Wenig verwunderlich, immerhin ist "Pride Month", da gehört es zum erwartbaren Ritual, dass sich von Hinz und Kunz bis zum internationalen Großkonzern alle anschicken, um zu zeigen, wie wichtig ihnen die Rechte von Schwulen und Lesben sind.

Entsprechend änderten viele etwa auf Facebook ihre Profilbilder, färbten sich bunt ein und betonten die Vielfalt. Manche inszenieren sich gar als Kämpfer fürs Gute und Richtige. So weit, so unspektakulär.

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Doch wie viel Substanz haben all diese Solidaritätsbekundungen tatsächlich? Bei genauerem Hinschauen bleibt nämlich oft nicht viel davon übrig.

Vor Kurzem schrieb ich einem Kollegen, dass sich das derzeitige "Flagge zeigen" für mich anfühlt, wie der Muttertag. Da kann ich an einem Tag im Jahr mal so richtig zeigen, was ich für ein gutes Kind bin. Öffentlichkeitswirksam.

Blumen, Einladung zum Essen: Schaut her, ich kümmere mich um meine Mama! Aber was ist mit den übrigen 364 Tagen? Wie schaut es da aus? Und: Ist es nicht unterm Strich wichtiger, was ich den Rest des Jahres über mache? Ob ich da helfe, unterstütze und Liebe zeige?

Und das bringt mich zum Regenbogen-Hype zurück: Die Frage danach, was davon eigentlich am Ende übrig bleibt, was echt ist - und was nur "virtue signaling", also die Zurschaustellung der eigenen (vermeintlichen) Tugendhaftigkeit nach außen.

Beim Geld hört der Gratis-Mut auf

Glänzt durch Abwesenheit des Regenbogens: Der Facebook-Auftritt der Mercedes-Seite für Saudi-Arabien.
Glänzt durch Abwesenheit des Regenbogens: Der Facebook-Auftritt der Mercedes-Seite für Saudi-Arabien.  © Screenshot Facebook.com/Mercedes-Benz KSA

Vor Wochen begann der "Pride Month" und wie zahlreiche andere Großkonzerne änderte der Stuttgarter Autobauer Daimler seinen Facebook-Auftritt ab. Regenbogen statt Silberpfeil. Mit einer Ausnahme: die Facebook-Seite für Saudi-Arabien.

Dabei könnten die Schwaben doch gerade dort für die Rechte von homosexuellen Menschen eintreten, also im wahrsten Sinne des Wortes "Flagge zeigen". Bei den Saudis sind homosexuelle Handlungen strafbar, es drohen Peitschenhiebe, Gefängnisstrafen und auch der Tod.

Doch da ist man lieber still. Beim Geld hört er auf, der Gratis-Mut. Hier in der westlichen Welt ist es halt leichter, sich zu Rechten für Schwule und Lesben zu bekennen, da drohen keine Konsequenzen.

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Bei den Saudis könnte jedoch der Absatz von Benz und AMG leiden. Dort dann lieber nicht zu bunt.

Keine Sorge, Daimler ist mit seiner heuchlerischen Art nicht alleine.

Am Mittwochabend trafen Deutschland und Ungarn beim EM-Spiel in München aufeinander. Ums Spiel an sich ging es höchstens noch am Rande.

Das mediale Getöse im Vorfeld der Partie drehte sich vor allem um Gesetze in Ungarn und um Regenbogen-Fahnen. Ums "Flagge zeigen". Ums Eintreten für Werte. Zumindest war das immer wieder zu lesen.

Ob Katar-WM oder schwule Profis: Wie schaut's beim Fußball aus?

TAG24-Redakteur Patrick Hyslop.
TAG24-Redakteur Patrick Hyslop.  © privat

Doch werden die gleichen Akteure, die beim EM-Spiel (vornehmlich) für die Rechte von Schwulen und Lesben einstanden, dann auch im kommenden Jahr Haltung bewahren?

Dann geht's nämlich zur WM nach Katar. Homosexuellen droht dort der Knast.

Und Fifa-Präsident Joseph Blatter war sich zuletzt nicht zu blöd, Homosexuelle darum zu bitten, aus Respekt gegenüber dem WM-Gastgeber in dem Emirat nicht zu schnackseln. Nach dem Motto: "Bitte seid später wieder schwul, jetzt passt das gerade nicht so gut."

Gerade der Fußball ist eh in einer äußerst unrühmlichen Rolle: Denn wo sich kein aktiver Profi aus Angst vor möglichen Folgen zu seiner Homosexualität bekennen kann, da nützen all die Regenbogen-Fahnen der Welt wenig.

Da ist es wie der Muttertag: "Schaut her, ich mach' was! Und guckt bitte den Rest des Jahres nicht so genau hin."

Oder wie Jogi Löw jüngst sagte: "Bei aller Wichtigkeit von Symbolen: Wichtig ist für mich, dass diese Werte gelebt werden." Und solange dies nicht der Fall ist, bleibt es oftmals nur heuchlerische, inhaltsleere Symbolpolitik.

Titelfoto: Montage: privat, Chiang Ying-Ying/AP/dpa

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