Missbrauch in Evangelischer Kirche: Mehr als 1259 Beschuldigte dokumentiert!

Hannover - Eine Studie zu sexualisierter Gewalt in der Evangelischen Kirche in Deutschland (EKD) und der Diakonie hat für die vergangenen Jahrzehnte mindestens 1259 Beschuldigte dokumentiert.

Detlev Zander, Mitglied im Beirat des Forschungsverbundes und Sprecher der Betroffenenvertretung im Beteiligungsforum der EKD, stellte die Ergebnisse der Untersuchung vor.
Detlev Zander, Mitglied im Beirat des Forschungsverbundes und Sprecher der Betroffenenvertretung im Beteiligungsforum der EKD, stellte die Ergebnisse der Untersuchung vor.  © Julian Stratenschulte/dpa

Die am heutigen Donnerstag in Hannover vorgestellte Untersuchung unabhängiger Wissenschaftler spricht von der "Spitze des Eisbergs".

Die ermittelten Fallzahlen von 2225 Betroffenen basieren auf Akten der Landeskirchen und der Diakonie, außerdem flossen den Landeskirchen und diakonischen Werken bekannte Fälle ein. Die Wissenschaftler kommen auf Grundlage ihrer Methode auf eine geschätzte Gesamtzahl von 3497 Beschuldigten.

Allein die evangelische Landeskirche in Bayern (ELKB) hat für die Studie 129 Beschuldigte und 226 Taten an die zuständigen Forscher gemeldet.

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Die EKD hatte die Studie 2020 initiiert. Ziel war, evangelische Strukturen zu analysieren, die Gewalt und Machtmissbrauch begünstigen. Die Wissenschaftler konnten nicht die Personalakten aller Pfarrer und Diakone auswerten, sondern in erster Linie Disziplinarakten.

Die Studie wurde mit 3,6 Millionen Euro finanziert. Als Dachorganisation von 20 Landeskirchen vertritt die EKD bundesweit 19,2 Millionen evangelische Christinnen und Christen.

Schmerzensgeld von 5000 bis 50.000 Euro

Katharina Kracht, Vertreterin der Betroffenen und Mitglied im Beirat des Forschungsverbundes, während der Pressekonferenz zur Präsentation der Studie.
Katharina Kracht, Vertreterin der Betroffenen und Mitglied im Beirat des Forschungsverbundes, während der Pressekonferenz zur Präsentation der Studie.  © Julian Stratenschulte/dpa

Betroffene sexualisierter Gewalt können bislang einen Antrag auf individuelle freiwillige Leistungen stellen. Diese orientieren sich laut EKD an Schmerzensgeldzahlungen und liegen in der Regel zwischen 5000 und 50.000 Euro. Bis Ende 2022 hatten die Landeskirchen der EKD 858 Anträge auf derartige Anerkennungsleistungen gemeldet.

Die Fallzahlen sind nicht direkt vergleichbar mit den Ergebnissen einer Studie zu sexualisierter Gewalt in der Katholischen Kirche, die 2018 veröffentlicht wurde.

Nach der Auswertung von fast 40.000 Personalakten aus der Zeit zwischen 1945 und 2014 wurden 1670 katholische Priester und Diakone beschuldigt, denen 3677 Kinder und Jugendliche als Betroffene zugeordnet werden konnten. Damals betonten die Wissenschaftler, dass die Zahl "eine untere Schätzgröße" sei.

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Die Forum-Studie nahm alle Beschäftigten im evangelischen Leben in den Blick, auch Heimerzieher, Kirchenmusiker oder ehrenamtliche Jugendleiter. Erwartet wird, dass sich weitere Betroffene melden.

Titelfoto: Fotomontage: Julian Stratenschulte/dpa

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