Die Frau, die mit Raubtieren lebt: "Fehler verzeihen Wölfe nicht, niemals"
Hanstedt - Tanja Askani ist in eine Welt eingetaucht, die vielen verborgen bleibt. Die Pflegerin zieht wilde Wölfe groß, kuschelt mit ihnen, ist Bezugsperson. Und kennt die Gefahren.

Seit über 30 Jahren arbeitet Askani im Wildpark Lüneburger Heide. Sie fing als Falknerin an, baute zusammen mit ihrem Mann die erste Falknerei in Norddeutschland mit auf.
Damals habe es kaum Wildtierauffangstationen gegeben, und so kamen viele Tiere zu ihnen – besonders im Frühjahr sei ihre "Kinderstube" regelmäßig voll gewesen. "1992 hielt ich meinen ersten Wolfswelpen im Arm, spürte das erste Mal ein kleines Wolfsherz schlagen", so die Falknerin.
Ihre Leidenschaft für diese Tiere war entfacht. Einige Jahre später rettete sie ein wenige Stunden altes, verwaistes Wolfsbaby. "Da war mir schlagartig klar: Ich möchte meinen weiteren Lebensweg mit Wölfen gehen. Ich habe es wie eine Berufung erlebt", erinnert sich die Hanstedterin.
Askani ist im Wildpark alleine für die Wölfe verantwortlich und immer für sie da, rund um die Uhr. "Nicht nur, wenn sie mich brauchen", sagt sie. Vor allem Jungtiere erfahren bei ihr eine sehr intensive Betreuung.
Das Vertrauen eines Wolfes bekomme man nicht geschenkt. "Man muss es täglich pflegen und erneuern. Wenn das Vertrauen einmal durch einen menschlichen Fehler, vielleicht eine winzige Entscheidung, beschädigt wird, ist es für immer beschädigt. Fehler verzeihen Wölfe nicht, niemals", betont Askani.
Tanja Askani zieht Wolfswelpen mit der Flasche groß
Tanja Askani fasziniert, dass Wölfe sanft und wild zugleich sind

"Im Laufe von zwei Jahren verändert sich die Beziehung zwischen mir und dem Pflegling. Dann sind wir auf Augenhöhe, geprägt von gegenseitigem Respekt", erklärt sie.
Trotz der engen Beziehung weiß Aksani, wo die Grenzen abgesteckt sind.
"Wir leben nicht zusammen. Ein Wolf möchte mit anderen Wölfen leben, in der Nähe anderer Wölfe sein und weiß genau, dass ich ein Mensch und kein Wolf bin", sagt die Wölfe-Flüsterin.
Die Tiere würden sie trotz all der Jahre immer wieder überraschen. "Besonders faszinierend ist für mich, wie sie gleichzeitig sanft und wild, eigenständig und doch sozial verbunden sein können. Jede Begegnung zeigt mir, wie komplex, feinfühlig und beeindruckend diese Tiere sind", schwärmt die Tierpflegerin.
"Für mich ist es ein besonderes Geschenk, dieses Vertrauen zu erleben. Momente, in denen sich ein Wolf völlig auf mich verlässt, sind einzigartig und zeigen, wie tief die Bindung zwischen Mensch und Tier sein kann", so Askani.
Tanja Askani hat eine enge Beziehung zu ihren Tieren
Tanja Askani: "Wölfe sehen in ihrem menschlichen Betreuer keinen Sozialpartner"

Dass bei ihrer Arbeit mit den Tieren trotz des innigen Verhältnisses Gefahren lauern, ist der Norddeutschen bewusst.
"Natürlich sind 'meine' Wölfe keine Pudel oder Dackel geworden. Sie sind nach wie vor Wölfe – mit Zähnen, Krallen, viel Muskelmasse und unverfälschten Instinkten", sagt sie.
Jeder Wolf sei einzigartig. Es gebe den Draufgänger, den Sanftmütigen, den Ängstlichen, den Spaßmacher und viele mehr.
"Mir persönlich fällt es leichter, die Wölfe zu verstehen und ihr Verhalten einzuschätzen als das Verhalten vieler Menschen", gesteht Askani.
Als Teil des Rudels versteht sich die Wolfsexpertin hingegen nicht. Zwischen Wölfen und Wolf passe kein Blatt Papier.
"Wölfe sehen in ihrem menschlichen Betreuer keinen Sozialpartner, auch nicht, wenn man rund um die Uhr im Gehege ist, vielleicht sogar auf allen Vieren kriecht und an Rohfleisch kaut, oder zumindest so tut als ob", erklärt sie. Wer das behaupte, verkenne die Tiere – und sich selbst.
Doch dass auch zwischen Askani und die Wölfe kein Blatt Papier passt, zeigt die Antwort auf die Frage nach ihrem Lieblingswolf.
"So wie eine Mutter nicht sagen kann, welches Kind sie am meisten liebt, geht es mir auch. Jeder Wolf ist einzigartig, und mit jedem verbindet mich eine eigene Geschichte. Auch die Wölfe, die uns inzwischen verlassen haben, bleiben unvergessen", sagt sie.
Titelfoto: Tanja Askani