Bayerns Landesbischof Bedford-Strohm für Waffenlieferungen an Ukraine

München/Freiburg - Der bayerische Landesbischof Heinrich Bedford-Strohm (62) spricht sich für Waffenlieferungen an die Ukraine aus.

Heinrich Bedford-Strohm (62), Landesbischof der Evangelisch-Lutherischen Kirche in Bayern und Vorsitzender des Rates der Evangelischen Kirche in Deutschland (EKD).
Heinrich Bedford-Strohm (62), Landesbischof der Evangelisch-Lutherischen Kirche in Bayern und Vorsitzender des Rates der Evangelischen Kirche in Deutschland (EKD).  © Sebastian Gollnow/dpa

Er sieht angesichts des russischen Angriffskrieges gegen das Land einen Reformbedarf der evangelischen Friedensethik.

"Ihre Reflexion des Umgangs mit faktischer militärischer Aggression bedarf der Weiterentwicklung", schreibt er in einem Beitrag für die neue Ausgabe der in Freiburg erscheinenden "Herder Korrespondenz" mit dem Titel "Gerechter Friede und militärische Gewalt".

"Wenn es keine moralische Pflicht gibt, eine militärische Aggression ohne wirksame Gegenwehr hinzunehmen und damit unter der Besatzung
des Aggressors zu leben (...), dann ist es moralisch legitim, sich mit Waffen zu verteidigen", schreibt der frühere Ratsvorsitzende der Evangelischen Kirche in Deutschland (EKD).

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"Ebenso legitim ist es, ein angegriffenes Volk unter Beachtung des Grundsatzes der Verhältnismäßigkeit in seiner Verteidigung zu unterstützen, etwa durch Lieferung entsprechender Waffen."

Es herrsche "in der evangelischen Friedensethik eine große Nachdenklichkeit", schreibt Bedford-Strohm. "Das Bewusstsein ist groß, dass eine bloße Berufung auf die Gewaltlosigkeit Jesu jedenfalls dann nicht ausreicht, wenn sie aus einer eigenen sicheren Position heraus anderen gravierende Opfer, vielleicht das Opfer des eigenen Lebens, abverlangen würde."

Bedford-Strohm kritisiert gestiegene Rüstungsausgaben bei gekürztem Entwicklungsetat

Die Bilder aus der Ukraine sind schrecklich: Ein Mann und ein Kind fahren auf einem Fahrrad, während die Leiche eines Zivilisten auf der Straße im ehemals russisch besetzten Kiewer Vorort Butscha liegt.
Die Bilder aus der Ukraine sind schrecklich: Ein Mann und ein Kind fahren auf einem Fahrrad, während die Leiche eines Zivilisten auf der Straße im ehemals russisch besetzten Kiewer Vorort Butscha liegt.  © Vadim Ghirda/AP/dpa

Ihm selbst seien bei dem Bild einer hochschwangeren Frau, die aus den Ruinen einer Geburtsklinik in Mariupol getragen wurde, "die Tränen gekommen".

"Wäre die schwangere Frau auf der Bahre in Mariupol – so habe ich mich gefragt – noch am Leben, wenn eine Flugabwehrrakete die tödliche Bombe auf die Geburtsklinik vorher zerstört hätte?"

Militärische Gewalt sei nie "gerecht" und Krieg "immer eine Niederlage", schreibt Bedford-Strohm. "Aber es kann eben auch Situationen geben, wo der Verzicht auf sie noch schrecklicher ist."

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Und Putins Krieg habe eine solche Situation geschaffen. "Die Wahrscheinlichkeit, (...) dass ein Mann, der die Welt über Jahre hinters Licht geführt hat, sich allein durch gewaltfreien Widerstand stoppen lässt, geht gegen null."

Gleichzeitig blickt Bedford-Strohm in dem Beitrag allerdings auch skeptisch auf hohe Rüstungsausgaben. Abrüstung müsse insgesamt das Ziel bleiben. Es sei ein "fatales Zeichen", dass die Ausgaben der Bundesregierung für Rüstung stiegen - während zeitgleich der Entwicklungsetat gekürzt werde.

Denn: "Noch immer sterben jeden Tag weltweit um die 20.000 Menschen, weil sie nicht genug Nahrung oder Medizin haben."

Titelfoto: Sebastian Gollnow/dpa

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