Ukraine-Krieg, Tag 105: Russland kontrolliert Großteil von Sjewjerodonezk
Ukraine - Seit 105 Tagen führt Russland inzwischen Krieg gegen die Ukraine. Im Donbass gibt es weiterhin Straßenkämpfe. Alle aktuellen Entwicklungen findet Ihr hier im TAG24-Liveticker.

Die erbitterten Kämpfe in der Ostukraine gehen weiter. Trotz ihrer Überlegenheit haben die russischen Truppen nach Darstellung des ukrainischen Präsidenten Wolodymyr Selenskyj (44) bisher keinen Durchbruch erzielt.
"Die Situation an der Front hat in den letzten 24 Stunden keine wesentlichen Änderungen erfahren", sagte der 44-Jährige in seiner abendlichen Videobotschaft am Dienstag.
"Die äußerst heldenhafte Verteidigung des Donbass wird fortgesetzt." Selenskyj nannte die Städte Sjewjerodonezk, Lyssytschansk und Popasna als Schwerpunkte. "Es ist zu spüren, dass die Besatzer nicht geglaubt haben, dass der Widerstand so stark sein wird", erklärte der Präsident.
Die wichtigsten Geschehnisse des gestrigen Tages könnt Ihr im TAG24-Ticker vom Dienstag nachlesen. Alle Entwicklungen im Zuge des Krieges in der Ukraine am heutigen Mittwoch (8. Juni) gibt es wie gewohnt hier in unserem Liveticker.
22.10 Uhr: Russland kontrolliert laut Gouverneur Großteil der Stadt Sjewjerodonezk
Nach schweren Kämpfen um das ostukrainische Sjewjerodonezk kontrolliert die russische Armee nach ukrainischen Angaben nun den größten Teil der strategisch wichtigen Stadt.
Das teilte der Gouverneur der Region Luhansk, Serhij Hajdaj, am Mittwoch in seinem Telegramkanal mit. Das Industriegebiet der Stadt werde aber noch von ukrainischen Kräften gehalten - ebenso wie das benachbarte Lyssytschansk, teilte Hajdaj mit. Dort gebe es durch russischen Beschuss jedoch enorme Zerstörungen in Wohngebieten.
"Was das Industriegebiet (von Sjewjerodonezk) anbelangt: Dort halten sich unsere Verteidiger. Aber die Kämpfe gehen nicht nur in der Industriezone weiter - die Kämpfe finden eben in der Stadt statt", betonte Hajdaj. Die Lage im Industriegebiet sei jedoch nicht wie in der Stadt Mariupol, wo die Kämpfe direkt im Azovstal-Werk stattgefunden hatten.
Der Gouverneur hatte bereits am Montag eingeräumt, dass sich die ukrainischen Truppen in das Industriegebiet zurückgezogen haben. "Stand heute besteht keine Gefahr der Einkesselung. Es ist eine schwierige Lage, die aber komplett unter Kontrolle unserer Verteidiger ist", meinte Hajdaj am Mittwoch. "Zum heutigen Tag sind leider über 90 Prozent des Luhansker Gebiets von Russland besetzt."

21.36 Uhr: UN: Wegen Ukraine-Krieg größte Kostensteigerung seit einer Generation
Russlands Krieg in der Ukraine hat den UN zufolge zusammen mit anderen Krisen zu den größten Kostensteigerungen seit einer Generation geführt.
"Für Menschen auf der ganzen Welt droht der Krieg in der Ukraine eine beispiellose Welle von Hunger und Elend auszulösen und ein soziales und wirtschaftliches Chaos zu hinterlassen", teilten die Vereinten Nationen am Mittwoch mit und sprachen von 1,6 Milliarden Menschen weltweit, die von der vielschichtigen Krise aus Krieg, Covid-19 und Klimawandel betroffen seien.
Weltweit würden mehr Menschen hungern, die Kosten von Energieträgern stiegen drastisch an, während die Einnahmen bei einer Vielzahl von Arbeiterinnen und Arbeitern zurückgegangen seien. Die Zahl der Menschen, die von mangelhafter Versorgung mit Nahrungsmitteln betroffen seien, habe sich in den vergangenen zwei Jahren verdoppelt, sagte UN-Generalsekretär António Guterres. "Es gibt nur einen Weg, diesen aufziehenden Sturm zu stoppen: Die russische Invasion in der Ukraine muss beendet werden."
20.57 Uhr: Ukraine und Russland tauschen weitere Leichen von Soldaten aus
Die Ukraine und Russland haben nach Behördenangaben aus Kiew der jeweils anderen Seite die Leichen von 50 Soldaten übergeben.
Unter den getöteten Ukrainern seien 37 "Helden", die sich an der Verteidigung des Azovstal-Werks beteiligt hätten, teilte das ukrainische Ministerium für die Wiedereingliederung der vorübergehend besetzten Gebiete am Mittwoch in Kiew mit. Die Kämpfer hatten im Stahlwerk Azovstal in Mariupol die Stellung gehalten, bis Kiew die Stadt im Mai aufgab.
Der Austausch fand nach ukrainischen Angaben entlang der Frontlinie im Gebiet Saporischschja im Süden des Landes statt. An der Aktion seien ukrainische Geheimdienste und der Generalstab der Streitkräfte sowie weitere Sicherheitsstrukturen beteiligt gewesen, hieß es.
20.04 Uhr: Gesundheitsminister Lauterbach reist Donnerstag in die Ukraine
Bundesgesundheitsminister Karl Lauterbach bricht am Donnerstag zu einer Reise in die Ukraine auf. Das kündigte der SPD-Politiker am Mittwoch bei einem von der "Rheinischen Post" veranstalteten Ärzte-Netzwerktreffen in Düsseldorf an.
Er werde sich dort mit dem ukrainischen Gesundheitsminister treffen. Ihm gehe es unter anderem darum, wie verletzte Menschen besser versorgt werden könnten. Er wolle herausfinden, wie Menschen, die im Krieg Beine oder Arme verloren hätten, besser mit Prothesen ausgestattet werden könnten, sagte Lauterbach.
Besonders gehe es auch um verletzte Kinder. Lauterbach nannte den russischen Krieg gegen die Ukraine einen "barbarischen, vernichtenden und ungerechten Angriffskrieg". Er betonte: "Das ist ohne Zivilisation und muss verurteilt werden in jeder Form."

18.52 Uhr: Russland bleibt im Arktischen Rat wegen Ukraine-Krieg isoliert
Wegen des Angriffskriegs gegen die Ukraine bleibt Russland im Arktischen Rat isoliert.
"Wir beabsichtigen eine begrenzte Wiederaufnahme unserer Arbeit im Arktischen Rat in Projekten, die keine Beteiligung der Russischen Föderation beinhalten", teilten die restlichen Mitglieder Schweden, Dänemark, Finnland, Island, Kanada, Norwegen und die USA am Mittwoch mit. Anfang März hatten die Regierungen der Länder mitgeteilt, dass sie ihre Teilnahme an Aktivitäten des Rats aussetzen.
Russland hält derzeit den Vorsitz im Arktischen Rat. Das Gremium gilt als wichtigstes Forum zur Zusammenarbeit in der Region rund um den Nordpol. Deutschland hat einen Beobachterstatus.
17.19 Uhr: Laut US-Diplomatin war der Ukraine-Krieg Deutschlands 11. September
Eine US-Topdiplomatin hat die politischen Folgen des Ukraine-Kriegs für Deutschland mit denen der Anschläge vom 11. September 2001 für die USA verglichen.
"Das war sicherlich Deutschlands 9/11", sagte die Top-Diplomatin des US-Außenministeriums für Europa, Karen Donfried, am Mittwoch vor Journalisten in Washington. Sie verwies auf die "Zeitenwende"-Rede von Bundeskanzler Olaf Scholz nach Kriegsbeginn, bei der er unter anderem mit der Regel gebrochen habe, dass Deutschland keine Waffen in Konfliktgebiete liefert.
Donfried begrüßte auch die Steigerung der Verteidigungsausgaben durch die Bundesregierung.

16.48 Uhr: Polens Grenzschutz zählt 3,9 Millionen Einreisen aus der Ukraine
Seit Beginn des russischen Angriffs auf die Ukraine hat der polnische Grenzschutz 3,9 Millionen Einreisen aus dem Nachbarland registriert.
Am Dienstag kamen 22.100 Menschen über die Grenze nach Polen, wie die Behörde am Mittwoch per Twitter mitteilte. In die umgekehrte Richtung überquerten am Dienstag 21.300 Menschen die Grenze aus Polen in die Ukraine. Insgesamt sind seit Kriegsbeginn am 24. Februar rund 1,92 Millionen von Polen aus in die Ukraine eingereist. Dabei handelte es sich nach Angaben der Behörden zum Großteil um ukrainische Staatsbürger.
Sie reisen meist in Gebiete, die die ukrainische Armee zurückerobert hat. Es gibt keine offiziellen Angaben, wie viele der Kriegsflüchtlinge in Polen geblieben und wie viele in andere EU-Staaten weitergereist sind. Polens Regierungschef Mateusz Morawiecki sagte kürzlich, sein Land habe mehr als zwei Millionen Ukraine-Flüchtlinge aufgenommen.
14.41 Uhr: G7-Gespräche mit ukrainischem Wissenschaftsminister
Beim Treffen der G7-Wissenschaftsminister in der kommenden Woche in Frankfurt am Main wird auch der ukrainische Ressortchef Serhij Schkarlet zugeschaltet.
Er werde virtuell an den Gesprächen seiner Amtskollegen teilnehmen, kündigte ein Sprecher des Bundesbildungsministeriums am Mittwoch in Berlin an. Wegen des russischen Angriffs auf die Ukraine seien Fragen wie die Sicherheit und Integrität der Wissenschaftsgemeinschaft in den Fokus gerückt.
Im Rahmen der deutschen G7-Präsidentschaft hatte Bildungsministerin Bettina Stark-Watzinger (FDP) ihre Amtskollegen aus Frankreich, Großbritannien, Italien, Japan, Kanada und den USA eingeladen. Auf der Tagesordnung stehen unter anderem die Forschung zur Bekämpfung des Klimawandels und zu den Folgen von Corona-Erkrankungen.
12.55 Uhr: Ukraine lehnt Minen-Räumung vor Hafen von Odessa ab
Aus Angst vor russischen Angriffen ist die Ukraine nach eigenen Angaben nicht dazu bereit, den Hafen von Odessa von Minen zu befreien, um den Export von Getreide zu ermöglichen.
"Sobald die Zufahrt zum Hafen von Odessa von Minen geräumt wird, wird die russische Flotte dort sein", sagte der Sprecher der Regionalverwaltung von Odessa, Serhij Bratschuk, in einer Videobotschaft im Online-Dienst Telegram.
12.50 Uhr: Olaf Scholz spricht mit Wolodymyr Selenskyj über weitere Unterstützung für Ukraine
Bundeskanzler Olaf Scholz (63, SPD) hat mit dem ukrainischen Präsidenten Wolodymyr Selenskyj (44) über weitere deutsche Unterstützung für die Ukraine gesprochen.
In einem Telefonat am Mittwoch sei es zudem darum gegangen, wie Getreideexporte aus der Ukraine auf dem Seeweg ermöglicht werden könnten, teilte Regierungssprecher Steffen Hebestreit (50) mit. Die russische Blockade ukrainischer Häfen hat zu einem Stopp dieser Exporte geführt, die zu steigenden Lebensmittelpreisen führt und die Ernährungskrise in vielen armen Ländern vor allem in Afrika verschärft.
Scholz unterrichtete Selenskyj auch über sein Telefonat mit dem französischen Präsidenten Emmanuel Macron (44) und dem russischen Präsidenten Wladimir Putin (69) vor zwei Wochen.

11.33 Uhr: Moskau meldet hohe Verluste für ukrainisches Militär im Donbass
Die ukrainischen Streitkräfte verzeichnen nach russischen Angaben hohe Verluste bei den Kämpfen um die Region Donbass im Osten des Landes.
Allein bei Gefechten um die Stadt Swjatohirsk habe die Ukraine innerhalb von drei Tagen mehr als 300 Kämpfer verloren, sagte der Sprecher des Verteidigungsministeriums, Igor Konaschenkow, am Mittwoch in Moskau. Zudem seien 15 Kampffahrzeuge und 36 Waffensysteme zerstört worden. Die Angaben ließen sich nicht unabhängig überprüfen.
10.52 Uhr: Mehr als 23 Millionen Tonnen Getreide und Ölsaaten blockiert
Wegen der Blockade von Schwarzmeer-Häfen durch Russland kann die Ukraine nach eigenen Angaben mehr als 23 Millionen Tonnen Getreide und Ölsaaten nicht exportieren.
Dies teilte Ministerpräsident Denys Schmyhal (46) am Mittwoch auf seinem Telegram-Kanal mit. Trotz des seit mehr als drei Monaten dauernden russischen Angriffskriegs seien aber 75 Prozent der Vorjahresflächen bestellt worden. Das Landwirtschaftsministerium arbeite nun an der Einrichtung mobiler Silos, um die Lagerkapazitäten um zehn bis 15 Millionen Tonnen zu erhöhen.

10.42 Uhr: Ukrainische Truppen müssen sich möglicherweise aus Sjewjerodonezk zurückziehen
Die ukrainischen Streitkräfte müssen sich nach Angaben eines Regionalgouverneurs möglicherweise aus der heftig umkämpften Stadt Sjewjerodonezk im Osten der Ukraine zurückziehen.
Die strategisch wichtige Stadt werde "rund um die Uhr bombardiert", sagte der Gouverneur der Region Luhansk, Serhij Gajdaj, am Mittwoch dem Sender 1+1. "Es ist möglich, dass wir uns zurückziehen müssen" in besser befestigte Stellungen.
9 Uhr: Kampf um Sjewjerodonezk gleicht "Mission Impossible"
Die Ukraine hat russische Angaben zurückgewiesen, wonach russische Truppen die strategisch wichtige ostukrainische Stadt Sjewjerodonezk weitgehend unter Kontrolle haben.
"Sie kontrollieren die Stadt nicht", sagte der Gouverneur der Region Luhansk, Serhij Gajdaj, am Dienstag auf Telegram. Er räumte jedoch ein, dass es "sehr schwierig ist, Sjewjerodonezk zu halten", und sprach sogar von einer "Mission Impossible".
Russlands Verteidigungsminister Sergej Schoigu (67) hatte zuvor gesagt, die russischen Streitkräfte hätten die Wohngebiete der Stadt voll unter Kontrolle. Die russische Armee versuche jedoch weiterhin, das Industriegebiet und die umliegenden Siedlungen zu erobern.

6.30 Uhr: Tote bei Angriffen im Gebiet Charkiw
Im ostukrainischen Gebiet Charkiw wurden nach Angaben von Gouverneur Oleh Synjehubow (38) mindestens drei Menschen durch russischen Beschuss getötet und sechs weitere verletzt.
Abends sei eine weitere Person bei Angriffen getötet worden, hieß es. In der Stadt Baschtanka im südukrainischen Gebiet Mykolajiw wurden nach Angaben der ukrainischen Generalstaatsanwaltschaft bei russischen Raketenangriffen zwei Menschen getötet und drei verletzt. In der Gebietshauptstadt Mykolajiw soll es heftige Detonationen gegeben haben. Auch die prorussischen Separatisten meldeten Opfer. Bei ukrainischem Beschuss sei im Ort Perwomajsk nahe der Frontlinie ein Mann getötet worden.

5.38 Uhr: Ukraine startet Informationssystem zu Kriegsverbrechen
In seiner Videobotschaft am Dienstagabend kündigte Selenskyj ein neues Informationssystem zu Kriegsverbrechen an.
In einem "Buch der Folterer" sollen bestätigte Informationen über Kriegsverbrecher und Kriminelle der russischen Armee gesammelt werden. "Ich habe wiederholt betont, dass sie alle zur Rechenschaft gezogen werden. Und wir gehen das Schritt für Schritt an", sagte der Präsident. Nicht nur direkte Täter wie etwa Soldaten sollen zur Verantwortung gezogen werden, sondern auch deren Befehlshaber, die die Taten ermöglicht hätten - "in Butscha, in Mariupol, in all unseren Städten".

5.11 Uhr: Russische Besatzungskräfte planen Referenden in Südukraine
In den von russischen Truppen besetzten Gebieten planen die neuen Machthaber offenbar den Beitritt zu Russland.
Die Vorbereitungen für ein Referendum hätten begonnen, sagte die prorussische Statthalterin in der Stadt Melitopol, Halyna Danyltschenko (58).
Nach Angaben eines russischen Abgeordneten war der Vizechef der russischen Präsidialverwaltung, Sergej Kirijenko (59), zu Gesprächen sowohl in Melitopol, der zweitgrößten Stadt des Gebiets Saporischschja, als auch in Cherson, der Hauptstadt des angrenzenden gleichnamigen Gebiets. Nach ukrainischen Informationen soll in Cherson bis Herbst ein Referendum über eine Angliederung an Russland vorbereitet werden.
3.37 Uhr: Gefangene ukrainische Kämpfer nach Russland gebracht
Mehr als 1000 ukrainische Kriegsgefangene aus dem eroberten Stahlwerk Azovstal in Mariupol sind mittlerweile nach Russland gebracht worden.
Die russischen Strafverfolgungsbehörden beschäftigten sich derzeit mit ihnen, meldete die russische Staatsagentur Tass in der Nacht zum Mittwoch unter Berufung auf Sicherheitskreise. Unter ihnen könnten mehr als 100 ausländische "Söldner" sein. Insgesamt hatten sich mehr als 2400 ukrainische Kämpfer in dem Werk ergeben.

2.07 Uhr: Russisch-amerikanische Beziehungen kaum noch existent
Der bilaterale Dialog zwischen Moskau und Washington ist nach russischen Angaben fast zum Erliegen gekommen.
"Vertrauen wurde untergraben, die Zusammenarbeit zerfällt selbst in Feldern mit beidseitigem Interesse, die Kommunikation zwischen den Seiten ist gering und vornehmlich reduziert auf eine Debatte technischer Probleme", sagte der russische Botschafter in den USA, Anatoli Antonow (67), dem russischen Staatsfernsehen. Allerdings würden die Verteidigungsminister und Generalstabschefs noch "gelegentliche Telefongespräche" halten - diese seien äußerst wichtig, um eine direkte militärische Konfrontation zu verhindern.
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