Ukraine-Krieg, Tag 106: 5,5 Millionen Ukrainer in EU-Länder geflohen

Kiew (Ukraine) - Seit 106 Tagen führt Russland inzwischen Krieg gegen die Ukraine. Ein Ende der Kämpfe ist nicht in Sicht. Alle aktuellen Entwicklungen findet Ihr hier im TAG24-Liveticker.

Nach mehr als drei Monaten der Gefechte könnte die Einnahme der strategisch wichtigen Stadt Sjewjerodonezk eine Vorentscheidung im Ringen um die Donbass-Region bringen.
Nach mehr als drei Monaten der Gefechte könnte die Einnahme der strategisch wichtigen Stadt Sjewjerodonezk eine Vorentscheidung im Ringen um die Donbass-Region bringen.  © -/Ukrinform/dpa

Der ukrainische Präsident Wolodymyr Selenskyj (44) nennt den erbitterten Kampf um Sjewjerodonezk eine der vielleicht schwersten Schlachten des Krieges mit Russland.

Nach den mehr als dreimonatigen Gefechten könnte die Einnahme der strategisch wichtigen Stadt eine Vorentscheidung bringen im Ringen um die Donbass-Region.

Während ein Sondergesandter Selenskyjs auf einen baldigen EU-Kandidatenstatus für die Ukraine setzt, kritisiert Polens Präsident Andrzej Duda die Gespräche von Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) und Frankreichs Präsident Emmanuel Macron mit Kremlchef Wladimir Putin.

Hamburgs Bürgermeister Tschentscher überraschend nach Kiew gereist
Ukraine Hamburgs Bürgermeister Tschentscher überraschend nach Kiew gereist

"Diese Gespräche bringen gar nichts", sagte er in einem "Bild"-Interview. Die Situation sei ähnlich wie mit Adolf Hitler im Zweiten Weltkrieg. "Und hat jemand während des Zweiten Weltkrieges auf diese Weise mit Adolf Hitler gesprochen?"

Die wichtigsten Geschehnisse des gestrigen Tages könnt Ihr im TAG24-Ticker vom Mittwoch nachlesen. Alle Entwicklungen im Zuge des Krieges in der Ukraine am heutigen Donnerstag (9. Juni) gibt es wie gewohnt hier in unserem Liveticker.

21.31 Uhr: Lage an der Front laut Verteidigungsminister schwierig

Der ukrainische Verteidigungsminister Olexij Resnikow (55) hat die Lage im Krieg gegen Russland als hart bezeichnet.

"Die Situation an der Front ist schwierig. Jeden Tag werden bis zu 100 unserer Soldaten getötet und bis zu 500 verwundet", schrieb Resnikow in einem Beitrag bei Facebook. Russland erleide zwar große Verluste. "Aber es gibt immer noch Kräfte, die in einigen Teilen der Front vorrücken", betonte er.

Die Ukraine brauche dringend schwere Waffen. "Wir haben bewiesen, dass wir im Gegensatz zu vielen anderen den Kreml nicht fürchten. Aber als Land können wir es uns nicht leisten, unsere besten Söhne und Töchter zu verlieren."

20.45 Uhr: Kiew streicht Städtepartnerschaft mit Minsk

Weil Belarus den russischen Angriffskrieg auf die Ukraine unterstützt, hat die ukrainische Hauptstadt Kiew der belarussischen Metropole Minsk die Städtepartnerschaft gekündigt.

Dies habe der Stadtrat von Kiew so entschieden, teilte Bürgermeister Vitali Klitschko (50) am Donnerstag mit. "Minsk kann man kaum noch eine Partnerstadt von Kiew nennen. Also hindert uns nichts daran, die Entscheidung zur Aufhebung des Status' für die Hauptstadt von Belarus zu treffen", betonte der frühere Box-Weltmeister. Von Belarus aus flögen Raketen in ukrainische Städte und Dörfer, zudem seien auch von dort aus russische Truppen in die Ukraine einmarschiert.

Kiews Bürgermeister Vitali Klitschko (50) teilte mit, dass die Städtepartnerschaft mit Minsk beendet wurde.
Kiews Bürgermeister Vitali Klitschko (50) teilte mit, dass die Städtepartnerschaft mit Minsk beendet wurde.  © dpa/Markus Schreiber

19.51 Uhr: Scholz unterstreicht Notwendigkeit der Russlandsanktionen

Bundeskanzler Olaf Scholz hat die Notwendigkeit harter Sanktionen gegen Russland unterstrichen.

Diese seien notwendig, um Russland von dem Angriffskrieg gegen die Ukraine abzubringen, sagte Scholz. Diese Sanktionen träfen jedoch nicht nur Russland, sondern hätten auch Auswirkungen im eigenen Land, so der Bundeskanzler. Deswegen sei er froh darüber, dass sich kaum jemand gegen diese Sanktionen gewandt habe. "Das zeigt, wie sehr alle das Notwendige tun wollen, um die Ukraine in ihrem Kampf um Unabhängigkeit und Freiheit zu unterstützen."

18.38 Uhr: Putin will wie Zar Peter der Große russische Erde "zurückholen"

Kremlchef Wladimir Putin (69) hat den von ihm befohlenen Krieg gegen die Ukraine auf eine Ebene mit dem Großen Nordischen Krieg unter Russlands Zar Peter I. gestellt und von einer Rückholaktion russischer Erde gesprochen.

Peter habe das Gebiet um die heutige Millionenstadt St. Petersburg nicht von den Schweden erobert, sondern zurückgewonnen. "Offenbar ist es auch unser Los: Zurückzuholen und zu stärken", zog Putin am Donnerstag Parallelen zum Krieg gegen die Ukraine.

18.10 Uhr: 5,5 Millionen Ukrainer in EU-Länder geflohen

Seit Beginn des russischen Angriffskriegs gegen die Ukraine haben sich nach Angaben der EU-Grenzschutzagentur Frontex mehr als 5,5 Millionen Ukrainer in EU-Mitgliedsländern in Sicherheit gebracht.

Unter Berücksichtigung der Geflüchteten mit nicht-ukrainischer Staatsangehörigkeit seien es insgesamt 7,3 Millionen Menschen, teilte die Behörde am Donnerstag mit.

Seit Kriegsbeginn am 24. Februar seien aber mittlerweile mehr als 2,6 Millionen Ukrainer aus EU-Ländern wieder in ihr Heimatland eingereist. Derzeit liege die tägliche Zahl der Ukraine-Rückkehrer höher als die Zahl derer, die aus dem vom Krieg verwüsteten Land in die EU ausreisen wollten.

Eine Mutter umarmt ihre Tochter, während sie auf einen Bus warten, um aus der Stadt Slowjansk im Bezirk Donezk zu fliehen.
Eine Mutter umarmt ihre Tochter, während sie auf einen Bus warten, um aus der Stadt Slowjansk im Bezirk Donezk zu fliehen.  © dpa/Petros Giannakouris

17.39 Uhr: Mindestens 13 Tote nach Beschuss von Separatistengebiet

Im ostukrainischen Separatistengebiet Luhansk sind in der Stadt Stachanow mindestens 13 Menschen durch Raketenwerferbeschuss getötet worden.

"Es sind etwa 20 Raketen des Typs Uragan eingeschlagen", teilte Republikchef Leonid Passetschnik russischen Medien am Donnerstag mit. Zudem seien mindestens sechs Verletzte aus den Trümmern geborgen worden.

Die moskautreuen Separatisten warfen der ukrainischen Armee vor, ein Wohngebiet beschossen zu haben. Ukrainische Stellungen befinden sich in etwa zwölf Kilometer Entfernung von der Industriestadt.

16.05 Uhr: Separatisten verurteilen Ausländer in ukrainischer Armee zum Tod

Das Oberste Gericht der separatistischen Donezker Volksrepublik (DVR) hat drei ausländische Kämpfer in den Reihen der ukrainischen Streitkräfte als Söldner zum Tode verurteilt.

Die Todesstrafe werde für "alle Verbrechen zusammengenommen" verhängt, heißt es laut der russischen Nachrichtenagentur Tass in der Urteilsbegründung. Bei den Angeklagten handelt es sich um zwei Briten und einen Marokkaner. Sie können innerhalb eines Monats gegen das Urteil noch Berufung einlegen.

Der Prozess gegen die drei Männer hatte am Mittwoch unter weitgehendem Ausschluss der Öffentlichkeit begonnen. Ihnen werden Handlungen zur gewaltsamen Machtergreifung vorgeworfen. Laut Gericht haben die Angeklagten "ihre Schuld gestanden". Einer der Männer habe zudem "zugegeben, in Terroranschlägen geschult worden zu sein".

Die beiden Briten waren Mitte April in der südostukrainischen Hafenstadt Mariupol von prorussischen Kräften gefangen genommen worden. Beide hatten laut Medienberichten schon vor dem Krieg in der Ukraine gelebt und auch dort geheiratet.

15.02 Uhr: EU stellt Ukraine weitere 205 Millionen Euro zur Verfügung

Die EU stellt der Ukraine aufgrund einer sich verschärfenden humanitären Notlage weitere 205 Millionen Euro zur Verfügung.

"Mit diesen Mitteln sorgen unsere humanitären Partner für Nahrungsmittel, Wasser, medizinische Versorgung, Unterkünfte, Schutz und Bargeldhilfen", sagte der für EU-Krisenmanagement zuständige Kommissar Janez Lenarcic (54) während eines Ukraine-Besuches. Man arbeite eng mit den ukrainischen Behörden zusammen, damit die Hilfe der EU-Mitgliedsstaaten den ständigen wechselnden Bedürfnissen entspreche, hieß es.

Bisher wurden im Zuge von Russlands Angriffskrieg gegen die Ukraine mehr als 700 Millionen Euro an EU-Hilfen bereitgestellt - 13 Millionen hiervon seien laut EU-Kommission für Projekte im benachbarten Moldau bestimmt.

Janez Lenarcic (54) ist der EU-Kommissar für Krisenmanagement.
Janez Lenarcic (54) ist der EU-Kommissar für Krisenmanagement.  © dpa/Lukasz Kobus

14.45 Uhr: EU-Kandidat Ukraine? Empfehlung der EU-Kommission steht bevor

Die EU-Kommission wird voraussichtlich kommende Woche Freitag (17. Juni) ihre Empfehlung darüber abgeben, ob der Ukraine der EU-Kandidatenstatus gewährt werden sollte.

Bereits am Montag werde das Kollegium der Kommissare eine Orientierungsdebatte darüber halten, sagte ein Sprecher der Brüsseler Behörde. Dabei werde es auch um die Beitrittsanträge von Moldau und Georgien gehen. Der Sprecher betonte, dass die Planung noch nicht endgültig sei.

Nach der Empfehlung der EU-Kommission will der EU-Gipfel am 23. und 24. Juni über den Antrag der Ukraine beraten. Eine Entscheidung darüber, ob der Kandidatenstatus gewährt wird, muss einstimmig von den EU-Staaten getroffen werden.

14.29 Uhr: Scholz befürchtet langwierigen Krieg in der Ukraine

Bundeskanzler Olaf Scholz (63, SPD) befürchtet einen langwierigen Verlauf des Krieges Russlands gegen die Ukraine.

Russlands Präsident Wladimir Putin (69) habe noch nicht verstanden, dass seine Pläne nicht aufgehen werden, sagte Scholz in einem Interview des Radiosenders Antenne Bayern.

"Nachdem es ihm nicht gelungen ist, die ganze Ukraine zu erobern und seine Truppen um Kiew herum zurückgezogen hat, bombardiert er jetzt die Regionen im Osten der Ukraine, vor allem den Donbass, und hat offenbar die Vorstellung, dass, wenn er da alles nieder gebombt hat, das dann ein Teil des russischen Imperiums werden kann", sagte Scholz. "Das wird aber nicht funktionieren."

Die vom Westen verhängten Wirtschaftssanktionen gegen Russland beeinträchtigten die Entwicklungsmöglichkeiten des Landes erheblich, sagte der Kanzler.

"Und die wird er nicht los, ohne das zu machen, wozu wir ihn die ganze Zeit auffordern, nämlich seine Truppen wieder zurückzuziehen und einen fairen Frieden mit der Ukraine zu vereinbaren", fügte Scholz hinzu.

Bundeskanzler Olaf Scholz (63, SPD).
Bundeskanzler Olaf Scholz (63, SPD).  © Michael Kappeler/dpa

13.57 Uhr: Keine weiteren Gas-Lieferstopps laut Kreml geplant

Polen, Bulgarien, Finnland, die Niederlande und Dänemark erhalten kein Gas mehr aus Russland – weitere Länder sollen Kreml-Angaben zufolge aber nicht hinzukommen.

Auf die Frage, ob neue Gas-Lieferstopps geplant seien, sagte Sprecher Dmitri Peskow am Donnerstag der Agentur Interfax zufolge: "Nein. Das System funktioniert, das System wurde angepasst, und diejenigen, die Gas erhalten, arbeiten bereits nach dem neuen System."

Titelfoto: dpa/Petros Giannakouris

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