Schädlich für Jung und Alt: Umweltbundesamt entdeckt gefährliche Substanz im Urin vieler Menschen!

Dessau-Roßlau - Es ist eine Detektivgeschichte: Behörden in Deutschland weisen eine gefährliche Substanz in teils jahrealten Urinproben in ungewöhnlich hoher Menge nach. Der Stoff ist seit Langem großteils verboten - wie kommt es zu der Belastung?

Die Rede ist bereits von einem "Problem größeren Ausmaßes": Das Umweltbundesamt (Uba) hat in Urinproben Hinweise auf einen gefährlichen Weichmacher entdeckt. Der Stoff ist in Deutschland größtenteils verboten.
Die Rede ist bereits von einem "Problem größeren Ausmaßes": Das Umweltbundesamt (Uba) hat in Urinproben Hinweise auf einen gefährlichen Weichmacher entdeckt. Der Stoff ist in Deutschland größtenteils verboten.  © Robert Michael/dpa-Zentralbild/ZB

Das Umweltbundesamt (Uba) hat im Urin zahlreicher Menschen in Deutschland Hinweise auf einen gefährlichen Weichmacher entdeckt, der seit Jahren streng reglementiert und großteils verboten ist.

In der aktuell noch laufenden 6. Deutschen Umweltstudie zur Gesundheit sei bislang in 28 Prozent der Proben der Metabolit MnHexP entdeckt worden, sagte Uba-Toxikologin Marika Kolossa. Er ist ein Abbauprodukt des Weichmachers Di-n-hexyl-Phthalat (DnHexP). Der fortpflanzungsschädigende Metabolit sei erstmals 2023 in Proben entdeckt worden. "So einen Stoff dürfte man nicht im Körper finden und wir finden ihn", sagte Kolossa.

Kürzlich waren Ergebnisse einer Untersuchung zu Proben in Nordrhein-Westfalen bekannt geworden. "Es ist ein Problem größeren Ausmaßes", sagte Kolossa nun. Die Herkunft des Weichmachers sei bisher unbekannt. "Das ist eine richtige Detektivgeschichte. Wir suchen jetzt auf voller Ebene in Deutschland."

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Das Umweltbundesamt arbeite auch eng mit EU-Behörden zusammen, um die Quelle ausfindig zu machen.

Konzentrationen so hoch, "dass eine Gesundheitsgefährdung nicht auszuschließen ist"

Das Uba versucht nun, die Quelle des Stoffes herauszufinden. Dabei arbeiten die Forscher eng mit EU-Behörden zusammen.
Das Uba versucht nun, die Quelle des Stoffes herauszufinden. Dabei arbeiten die Forscher eng mit EU-Behörden zusammen.  © Sebastian Willnow/dpa

Der Metabolit sei nach Ergebnissen von Tierversuchen ein fortpflanzungsschädigender Stoff, sagte Kolossa. Er wirke vor allem auf die Fortpflanzungsorgane männlicher Föten im Mutterleib. Er könne aber auch für Erwachsene schädlich sein und das Risiko für Diabetes, Bluthochdruck und Fettleibigkeit erhöhen, was aus weiteren Tierversuchen hervorgehe.

In einzelnen Menschen seien Konzentrationen entdeckt worden, "die so hoch sind, dass eine Gesundheitsgefährdung nicht auszuschließen ist".

DnHexP ist in der EU seit vielen Jahren stark beschränkt beziehungsweise verboten. Unter bestimmten Umständen könne die Substanz dennoch in der EU auftreten, etwa in Importerzeugnissen, die den Stoff enthalten, sagte Chemikalienexperte Lars Tietjen vom Uba.

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Er könne auch in alten, in der EU produzierten Produkten erhalten sein. "Hinweise auf größere verarbeitete Mengen liegen mir nicht vor, aber ausschließen kann man es nicht."

Ursache für das Auftreten des Stoffs unklar

In Nordrhein-Westfalen waren Experten in alten Urinproben von Kindergartenkindern auf den Stoff gestoßen. Die Konzentration bei hochbelasteten Kindern soll sich dabei im Untersuchungszeitraum verzehnfacht haben.
In Nordrhein-Westfalen waren Experten in alten Urinproben von Kindergartenkindern auf den Stoff gestoßen. Die Konzentration bei hochbelasteten Kindern soll sich dabei im Untersuchungszeitraum verzehnfacht haben.  © Monika Skolimowska/dpa-Zentralbild/dpa

In Nordrhein-Westfalen hatten Experten des Landesamtes für Natur, Umwelt und Verbraucherschutz (Lanuv) rückwirkend alte Urinproben von Kindergartenkindern untersucht. Ergebnis: Im Untersuchungszeitraum habe sich der Anteil der mit MnHeP belasteten Proben von 26 Prozent (2017/18) auf 61 Prozent (2020/21) erhöht, heißt es einer Mitteilung des Lanuv vom 31. Januar.

Die Konzentration bei hochbelasteten Kindern habe sich in etwa verzehnfacht. Die Ursache dafür sei völlig unklar.

Die Ergebnisse hingen nicht mit den Wohnorten der Kinder zusammen, sagte eine Lanuv-Sprecherin. Deutlich erhöhte Werte gebe es im ganzen Bundesland.

Seit dem Jahr 2013 steht der Weichmacher DnHexP in der Europäischen Union laut Lanuv auf der Liste der besonders besorgniserregenden Stoffe.

Als Weichmacher sei dieses Phthalat in kosmetischen Mitteln, Lebensmittelkontaktmaterialien und in Spielzeug deshalb nicht mehr zugelassen.

Titelfoto: Monika Skolimowska/dpa-Zentralbild/dpa

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