"Pieces of a Woman" bei Netflix: Der Tod ihres Babys treibt die Eltern in die Verzweiflung!

Deutschland - Intensiv! Das Familien- und Beziehungsdrama "Pieces of a Woman" läuft seit dem 7. Januar bei Netflix und ist einer der großen Kandidaten für die "Oscar"-Verleihung 2021 - und zwar völlig zu Recht!

Martha (Vanessa Kirby) liegt mit Wehen in der Badewanne. Sean (l., Shia LaBeouf) steht ihr bei.
Martha (Vanessa Kirby) liegt mit Wehen in der Badewanne. Sean (l., Shia LaBeouf) steht ihr bei.  © PR/Benjamin Loeb / Netflix

Im Werk von Kornél Mundruczó ("Jupiter's Moon") stehen Martha (Vanessa Kirby) und Sean (Shia LaBeouf) im Mittelpunkt.

Sie sind ein Paar, obwohl sie aus unterschiedlichen Gesellschaftsschichten stammen. Er kommt aus der Arbeiterklasse, sie aus einer gut betuchten Familie.

Dennoch sind sie glücklich und erwarten ihr erstes Kind. Das soll zu Hause geboren werden. Als bei Martha die Wehen einsetzen, rufen sie ihre Hebamme an - die ist jedoch mitten in einer anderen Geburt und daher unabdinglich!

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Deshalb kommt deren Vertretung Eva (Molly Parker) schnell zu ihnen. Das Problem: Sie kennen sich nicht, sind nicht aufeinander eingespielt und dennoch müssen Martha und Sean ihr bei diesem intimen Erlebnis vertrauen.

Die Geburt läuft dementsprechend hektisch ab, doch am Ende kommt das Baby lebend zur Welt. Allerdings weint es nur wenig und läuft blau an. Sean ruft auf Evas Hinweis schnell den Notarzt.

Doch alle Hilfe kommt zu spät. Nach wenigen Augenblicken stirbt das Neugeborene und lässt seine Eltern entsetzt zurück. Kann ihre Beziehung diesen schweren Schicksalsschlag überstehen?

Trailer zum "Oscar"-Kandidaten "Pieces of a Woman" mit Vanessa Kirby, Shia LaBeouf und Ellen Burstyn

"Pieces of a Woman" ist ein intensives Filmerlebnis

Ist Eva (Molly Parker) für den Tod des Babys verantwortlich?
Ist Eva (Molly Parker) für den Tod des Babys verantwortlich?  © PR/Benjamin Loeb / Netflix

Diese Geschichte hat der ungarische Filmemacher brillant umgesetzt. Ihm ist ein außergewöhnliches Drama mit einem ganz eigenen Stil gelungen, das realitätsnah und zutiefst menschlich daherkommt.

So geht es nach einem sechsminütigen Intro direkt furios los. Die Geburt wird nämlich in Echtzeit dargestellt, zieht durch die detaillierte Machart voll in den Film hinein, sorgt dann für eine emotionale Achterbahnfahrt und ist eine der besten Einzelsequenzen der vergangenen Jahre!

24 Minuten fiebert man mit den Figuren mit, ehe es zum Albtraum aller Eltern kommt: Das Baby stirbt. Erst anschließend - nach mehr als einer halben Stunden - erscheint der passend ausgesuchte Titel auf dem Bildschirm.

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Wirklich durchpusten kann man als Zuschauer aber auch in der Folge nicht. Denn nun stehen die Auswirkungen dieser Tragödie im Mittelpunkt. Dank eines herausragenden Drehbuchs, schlagfertiger Dialoge und einer intelligenten Storyführung ist "Pieces of a Woman" durchgehend spannend, hochinteressant und wirft viele ethische sowie moralische Fragen auf.

War irgendjemand Schuld am Tod des Babys? War die Heimgeburt ein großer Fehler oder "nur" ein großes Unglück? Wie geht man mit so einem einschneidenden Erlebnis um? Wie verarbeitet man es? Auf diese und viele weitere Fragen gehen die Figuren auf ihre ganz eigene Weise ein.

Sean (l., Shia LaBeouf) und Martha (Vanessa Kirby) müssen den Albtraum aller (werdenden) Eltern durchleiden. Sie verlieren ihr Kind kurz nach der Geburt.
Sean (l., Shia LaBeouf) und Martha (Vanessa Kirby) müssen den Albtraum aller (werdenden) Eltern durchleiden. Sie verlieren ihr Kind kurz nach der Geburt.  © PR/Benjamin Loeb / Netflix

Vanessa Kirby, Shia LaBeouf und Ellen Burstyn heben "Pieces of a Woman" auf ein höheres Level

Ellen Burstyn überragt als Marthas Mutter Elizabeth. Obwohl ihre Rolle nicht gerade sympathisch ist, hat man auch für sie ein grundlegendes Verständnis. Bekommt sie dafür eine geschichtsträchtige "Oscar"-Nominierung?
Ellen Burstyn überragt als Marthas Mutter Elizabeth. Obwohl ihre Rolle nicht gerade sympathisch ist, hat man auch für sie ein grundlegendes Verständnis. Bekommt sie dafür eine geschichtsträchtige "Oscar"-Nominierung?  © PR/Benjamin Loeb / Netflix

Wer sich auf diese aus dem Leben gegriffene Erzählung einlassen kann und will, der wird mit dem ersten Meisterwerk des Jahres 2021 belohnt. Das liegt auch an den genialen schauspielerischen Leistungen.

Kirby ("Fast & Furious: Hobbs & Shaw", "Mission: Impossible - Fallout", Prinzessin Margaret in "The Crown") weist nach, dass sie viel mehr als eine typische Blockbuster-Darstellerin ist. Sie arbeitet hier nämlich einige Feinheiten und Details in ihr Spiel ein, stellt ihre gebrochene Figur hintergründig dar und inszeniert sie einerseits verletzlich, andererseits aber auch mit großer innerer Stärke.

Wie sie all diese Facetten aufzeigt, ist zutiefst beeindruckend und wird mit großer Wahrscheinlichkeit ihre erste "Oscar"-Nominierung zur Folge haben - auch die Chancen auf den Gewinn der begehrten Trophäe stehen gut.

Selbiges gilt ebenfalls für Burstyn ("Alice lebt hier nicht mehr"). Die 88-Jährige (!) sorgt gemeinsam mit ihrer Filmtochter Kirby für die schauspielerisch stärkste Szene, als sie beide sich in Elizabeths Wohnung einige unausgesprochene, harte Dinge an den Kopf werfen. Es scheint durchaus möglich zu sein, dass die "Oscar"-Preisträgerin (hinzukommen fünf Nominierungen) erneut für den Academy Award nominiert wird. Sie wäre die älteste Person, der diese Ehre zuteil würde und könnte deshalb Geschichte schreiben.

Ob LaBeouf ("The Peanut Butter Falcon", "Transformers", "Wall Street: Geld schläft nicht"), der aufgrund privater Probleme immer wieder in die Negativschlagzeilen gerät, hingegen eine Chance hat, bleibt abzuwarten. Betrachtet man nur seine Leistung, hätte er es ebenfalls verdient, weil er die aufbrausenden, aber auch feinfühligen Züge seines Charakters glaubwürdig verkörpert und eine starke Performance abliefert.

"Pieces of a Woman" ist ein deprimierendes Meisterwerk

Vanessa Kirby zeigt als Martha die beste Leistung ihrer Karriere.
Vanessa Kirby zeigt als Martha die beste Leistung ihrer Karriere.  © PR/Benjamin Loeb / Netflix

Um die Handlung zu überstehen, braucht das Publikum viel Stärke. Sonst könnte es sein, dass einen die mitunter sehr deprimierende und phasenweise gar hoffnungslose Stimmung herunterzieht.

Diese Atmosphäre kommt auch über die nüchterne Darstellungsweise, die stark ausgewählten Kostüme, die oft entsättigte Farbgebung, die ruhige Kameraführung, die stimmige Musikuntermalung und die kühlen Locations zustande.

Immerhin sorgt Mundruczó immer wieder für kleine Hoffnungsschimmer, doch insgesamt bleibt das Drama angemessen düster und niederschmetternd. Insgesamt muss man festhalten, dass sich ein Puzzleteilchen nahtlos ins andere fügt, sodass der Film flüssig wirkt.

Auch das ruhige Erzähltempo und der komprimierende Schnitt, der die Quintessenz der Geschichte herausarbeitet, tragen viel zum Gelingen dieser Perle bei.

Deshalb ist "Pieces of a Woman" ein Meisterwerk geworden, das einen stimmungsmäßig zwar herunterzieht und emotional fordert, mit seinen herausragenden schauspielerischen Leistungen, einer zutiefst bewegenden Story und einer subtilen Machart aber begeistern kann.

Titelfoto: PR/Benjamin Loeb / Netflix

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