Menschenrettung im Mittelmeer: Wie ein Dresdner Arzt den Filmpreis gewann

Dresden - Der Dresdner Arzt, Musiker und Filmemacher Johannes Filous (36) hat erst kürzlich den Grimme-Preis, den renommiertesten Medienpreis Deutschlands erhalten. Sein Film "Einhundertvier" zeigt die quälend lange Rettung von 104 Schiffbrüchigen aus dem Mittelmeer. Wenn er nicht zehn Tage lang auf spiegelglatter See strandet, reist der Schlagzeuger auch mal mit der Karate-Nationalmannschaft um die Welt.

Für den Arzt und Musiker ist das der zweite Grimme-Preis. 2016 erhielt Johannes Filous (36) für seine Pegida-Berichterstattung via Twitter den Grimme Online Award.
Für den Arzt und Musiker ist das der zweite Grimme-Preis. 2016 erhielt Johannes Filous (36) für seine Pegida-Berichterstattung via Twitter den Grimme Online Award.  © Steffen Füssel

"Ich will ins Wohnzimmer bringen, was da draußen stattfindet", sagt Filous.

2019 starben mehr als 1200 Menschen bei ihrem Versuch, das Mittelmeer zu überqueren. Filous sollte in diesem Jahr Medien mit Foto- und Videomaterial von vor Ort beliefern. Und Jonathan Schörnig (34), der spätere Regisseur des prämierten Films, Clips fürs Fernsehen produzieren.

Sie lernten sich erst am Flughafen kennen.

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Gemeinsam reisten die beiden in eine geheime Werft in Spanien, wo die "Eleonore" der privaten Seenotretter "Mission Lifeline" lag. Wochenlang harrten sie da aus. Entweder sprang die Crew ab oder Gesetze veränderten sich.

Im August 2019, kurz bevor sie abbrechen wollten, stach die "Eleonore" in See.

Filous filmte die "Eleonore" vom Schlauchboot aus.
Filous filmte die "Eleonore" vom Schlauchboot aus.  © privat

Filous mitten in Facharztausbildung zum Unfallchirurgen

Jonathan Schoernig (34) und Johannes Filous (36) mit dem Grimme-Preis.
Jonathan Schoernig (34) und Johannes Filous (36) mit dem Grimme-Preis.  © IMAGO/BREUEL-BILD

"In der ersten Nacht hing ich nur über der Reling", lacht Filous. Doch für Befindlichkeiten war keine Zeit: Schon am nächsten Mittag, nahezu exakt 13 Uhr, meldete die Patrouillencrew zwei weiße Boote am Horizont. Und Filous knipste die Kamera an.

Anderthalb Stunden später begannen acht enge Tage mit 112 Menschen auf dem Mittelmeer.

"Das Thema ist nicht Mainstream, die Ästhetik nichts fürs Fernsehen. Aber Jonathans Format ist cool. Umso cooler, dass ein Fernsehpreis das honoriert hat", freut sich Filous, der nicht nur preisverdächtige Filme dreht. Aktuell steckt er mitten in seiner Facharztausbildung zum Unfallchirurgen, reist als Mannschaftsarzt der deutschen Karate-Nationalmannschaft hinterher.

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"Mir ist es wichtig, eine Vogelperspektive zu bekommen und die Passion von Leuten in einem ganz anderen Bereich zu begleiten." Dafür muss seine Passion gerade zurückstecken: Der Schlagzeuger der "Offbeat Cooperative" kündigte an, dass die Dresdner Ska-Band ihre deutschlandweiten Konzerte zurückfahren muss.

2024 starben oder verschwanden 2600 Menschen im Mittelmeer.
2024 starben oder verschwanden 2600 Menschen im Mittelmeer.  © imago/epd
Der Film entstand erst Jahre später. Sechs Kamerawinkel flimmern gleichzeitig über die Leinwand. "Du suchst dir aus, wo du hinschaust - und kannst dich nicht zurücklehnen", sagt Kameramann Johannes Filous.
Der Film entstand erst Jahre später. Sechs Kamerawinkel flimmern gleichzeitig über die Leinwand. "Du suchst dir aus, wo du hinschaust - und kannst dich nicht zurücklehnen", sagt Kameramann Johannes Filous.  © PR

Filous sagt, er könnte keinen Bürojob haben, in dem man ein Blatt aufs andere wendet. Es gehe ihm, dem Arzt, Musiker und Filmemacher, um Engagement. Ohne jemanden etwas vorzuhalten oder den Zeigefinger zu heben. "Aber das, was an unsere Grundfesten geht, muss in den Köpfen stattfinden."

Übrigens: Im Jahr 2024 starben oder verschwanden 2600 Menschen im Mittelmeer.

Titelfoto: Bildmontage: Steffen Füssel, imago/epd

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