Erdmöbel-Konzert in der Berliner Philharmonie: Gar nicht "zu deutsch für Rock und Roll"

Berlin - Die Kölner Band Erdmöbel wird 30. Zum runden Jubiläum nahm sie mit dem Kaiser Quartett das Album "Hätte Sehnsucht Gewicht" auf und tourt durch die großen Häuser der Republik. TAG24 war für Euch im Kammermusiksaal der Berliner Philharmonie am Sonntagabend dabei.

Erdmöbel verpassten ihren Songs mit dem Hamburger Kaiser Quartett einen klassischen Anstrich.
Erdmöbel verpassten ihren Songs mit dem Hamburger Kaiser Quartett einen klassischen Anstrich.  © Denis Zielke/TAG24

Um Punkt 20 Uhr geht das Saallicht aus und die Band erscheint wie aus dem Nichts im Block C. Dieser bliebt auf eigenem Wunsch leer - wer spielt schon gerne mit dem Rücken zum Publikum?

Das deutschsprachige Quartett vom Kölner Eigelstein jedenfalls nicht. Die Zuschauer erweisen sich als dankbar, auch wenn auf den übrigen Rängen Plätze frei bleiben.

Das ist leider das schwere Los der Band. Mit ihren raffiniert-ausgeklügelten Arrangements und poetisch-verrätselten Lyrics gehören Erdmöbel zu den Lieblingen des Feuilletons, doch ihre eigenwillige und gleichzeitig tiefsinnige Version von

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Pop-Musik verwehrte ihnen bislang den kommerziellen Durchbruch.

Zunächst spielen Erdmöbel da oben alleine akustisch. Mit "Zu deutsch für Rock und Roll" vom ersten Album "Das Ende der Diät" (1996) gibt es einen Song, den die Band im schwarzen Zwirn nach eigenem Bekunden seit Jahrzehnten nicht gespielt hat. Darauf folgt "Blinker" und es reißt die treue Fan-Gemeinde fast aus den Sitzen. Sie blinken ohne Aufforderung mit emporgestreckten Armen zurück. Immer und immer wieder. Das hat mittlerweile Tradition.

"Wer hier denkt, ich bin im Kammermusiksaal, ich mache so etwas nicht: Traut euch, probiert es aus", wirft Sänger, Romanautor und Berufsschullehrer Markus Berges (58) ein. Bevor sich das Hamburger Kaiser Quartett dazugesellt und "In den Schuhen von Audrey Hepburn" mit ihren Streichinstrumenten unterstützt, erklärt er: "Berlin ist für uns als Band immer zweite Heimat gewesen."

Konzertkritik: Erdmöbel in Berlin

Die Band ist schon seit Langem in Köln ansässig. (Archivbild)
Die Band ist schon seit Langem in Köln ansässig. (Archivbild)  © matthias sandmann

Heimat, das ist manchmal ein Kreuz. Die Erdmöbel-Musiker kommen ursprünglich aus Käffern bei Münster - "diesem verdammten Nest", wie der viel zu früh verstorbene Johnny Ketzel (bürgerlich: Wolfgang Scherbening) seine erzkatholische Stadt einst besang.

Die Jubiläumskonzerte sind auch eine Werkschau. Mit "Lied über gar nichts", "Dreierbahn", "Wette unter Models" und "Das Leben ist schön" bekommt das Publikum auch schon lange liebgewonnene Lieder mit nun fein ziseliertem Streicher-Anstrich. Aber: Die Grenze zum Kitsch wird nie überschritten. Indie-Pop und Klassik verschmelzen und ergänzen sich. Von der Attitüde sind und waren die Erdmöbel Rock 'n' Roller.

Zwischen den Songs der Hochkultur auf tiefer Bühne beweisen Berges und Ekki Maas (65, Bass und Produktion) an diesem Abend Humor und Mut zum Klamauk. Wenn sie frotzeln und sich mit kecken Einlassungen gegenseitig hochschaukeln, ist es ein herrlicher Kontrapunkt zu dem vermeintlich ehrbaren Haus. Von Eitelkeit keine Spur, der Star sind hier alle Menschen.

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"Wir haben früher im Lido gespielt, aber das ist jetzt voller Lieferando-Werbung", erzählt Berges, der mit Songs wie "Künstler" und der Antirassismus-Hymne "Hoffnungsmaschine" politisch Stellung bezog.

Eines der Highlights ist beim Finale wieder ihre deutsche Coverversion des Burt-Bacharach-Hits "(They Long to Be) Close to You", die bei ihnen "Nah bei dir" heißt. Die Zuschauer singen aus voller Kehle und mit ganzem Herzen mit.

Nach knapp zwei Stunden ist das Konzert unter tosendem Applaus vorbei - und die Band fast schon auf dem Rückweg nach Köln. Dort spielt sie am 7. Juli (20 Uhr) in der Philharmonie. Es gibt noch Karten an der Abendkasse.

Titelfoto: Denis Zielke/TAG24

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