Influencerin Tara Wittwer im TAG24-Interview: "Ich bin absolut gegen Votings!"

Hamburg - Auch sie war beim diesjährigen EMOTION Women's Day in Hamburg auf der Bühne: Influencerin Tara-Louise Wittwer (32). Die Autorin von "DRAMAQUEEN" hat mit TAG24 über toxische Männlichkeit, Hass im Netz und über ihre Meinung zu Award-Verleihungen gesprochen.

Tara-Louise Wittwer (32) beim EMOTION Women's Day 2023 in Hamburg.
Tara-Louise Wittwer (32) beim EMOTION Women's Day 2023 in Hamburg.  © Alice Nägle/TAG24

TAG24: Du hast die Auszeichnung "Bloggerin des Jahres" erhalten. Wieso hast Du den Preis an Aria Adams (25) weitergegeben?

Tara: Generell war ich gegen diesen Award. Ich wusste erst kurz vorher, dass es überhaupt ein Voting geben wird. Ich bin absolut gegen Votings. Mich versetzt das ein bisschen in die Schulzeit zurück. Dieses "The popular kid getting more popular"-Prinzip fand ich immer schon gemein. "Beliebte" Leute, oder die, die eh viel haben, kriegen immer mehr und alles viel einfacher als andere. Das mag ich einfach nicht.

Ich konnte den Award aus Höflichkeit aber nicht mehr absagen und habe beschlossen: Ich gehe da hin, aber werde nicht zum Voting aufrufen. Dann dachte ich aber: Wenn ich jetzt nicht zum Voting aufrufe, dann gewinnen vielleicht wieder nur Männer. Das war eine Bredouille für mich. Ich habe beschlossen, ein einziges Mal zum Voting aufzurufen. Ich hätte nicht gedacht, dass ich gewinne. Als ich dann aber gewonnen habe, wollte ich das eigentlich gar nicht. Es ist zwar schön, weil ich von den Followerinnen, denen ich sehr dankbar bin, dazu gewählt wurde, aber ich kann damit kein Zeichen setzen.

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Aria war in einer ganz anderen Kategorie nominiert und ist leer ausgegangen. Diese hatte auch nichts mit Diversity zu tun. Sie war an jenem Abend einer der sehr wenigen Personen im Raum, die für Diversity stand – und das nur durch ihr sein. Ich habe mit diesem Moment versucht, einen Schritt nach hinten und somit Platz zu machen, beim prestigereichsten Award und Moment des Abends.

Zahlen können ganz schön weh tun

TAG24: Das Thema Hass ist allgegenwärtig, aber bevor wir dazu kommen: Was war die schönste Nachricht, die Du am heutigen EMOTION Women's Day im Internet bekommen hast?

Tara: Ich war heute noch nicht so viel online. Aber gestern Abend hat mich eine ganz liebe Followerin angesprochen. Es war unglaublich, wie nett und respektvoll sie war. Wirklich alle Leute, die mich hier ansprechen. Das ist auch so ein bisschen der Hauptgrund, warum ich das hier heute mache.

Im Moment sinkt meine Follower-Zahl überall. Sowohl auf TikTok, als auch auf Instagram. Das ist super demotivierend. Das liegt auch daran, dass ich gerade nicht produktiv bin. Auch wenn das nicht geht, muss eigentlich immer alles auf Knopfdruck gemacht werden. Anders überlebst Du online nicht. Und wenn man dann in Zahlen gemessen wird, ist das ein ekliger Gedanke. Aber wenn Leute auf mich zukommen, die sagen: "Danke, dass Du das machst, was Du machst!", dann krieg' ich immer einen richtigen Aufschwung. Ich übertreibe nicht, wenn ich das sage, aber: Ich liebe, ich meine auch wirklich das Wort LIEBE, meine Follower. Dafür bin ich unglaublich dankbar.

TAG24: Wo hört Kritik für Dich auf und wo fängt Hass an? Und: Wie gehst Du mit Hass auf Social Media um?

Tara: Wenn es ein persönliches Problem gibt. Eine Kollegin von mir, Leonie Löwenherz, sagt immer: "Systemkritik vor Individualkritik". Nicht nur von diesen "Hate-Leuten", die sagen: "Ich hasse Dich voll", sondern auch, wenn gesagt wird: "Ich finde kacke, was DU machst." Auch wenn man sich gegenseitig in der aktivistischen, der linken oder irgendeiner anderen "Blase" persönlich angeht.

Die Frage muss immer sein: Ist das jetzt individuelle Kritik oder nur die Kritik am gesamten System? Sich auch ein bisschen zurücknehmen, ehrlich zu sich selbst sein und überlegen: Wen kritisiere ich gerade damit? Meine ich das so, wie ich sage? Das lerne auch ich immer noch. Aber, wenn es einfach grundlos beleidigend ist, was willst Du da noch machen? Da sag' ich dann auch einfach: "Ja, weißte was Jochen, da haste recht."

So teuer ist das Patriarchat

Tara-Louise Wittwer (32) hat gemeinsam mit Boris von Heesen (54) und Tarik Tesfu (38) beim EWD über Folgen toxischer Männlichkeit diskutiert.
Tara-Louise Wittwer (32) hat gemeinsam mit Boris von Heesen (54) und Tarik Tesfu (38) beim EWD über Folgen toxischer Männlichkeit diskutiert.  © Alice Nägle/TAG24

TAG24: Mit dem heutigen Paneltalk "Toxische Männlichkeit als Internettrend – Wie verhindern wir die Rückkehr alter Rollenbilder" habt ihr ein sehr aktuelles Thema besprochen. Was hoffst Du, mit dem Vortrag erreicht zu haben? Denn eigentlich müsste man ja meinen, wir wären heute weiter. Doch alte Rollenbilder werden wieder stärker. Männlichkeit wieder toxischer. Woher kommt das?

Tara: Ich muss ehrlich sein, ich fand Boris von Heesen (54), der mit mir auf der Bühne war, super interessant. Weil er einfach mit Fakten arbeitet. Und natürlich weiß man, das Patriarchat ist kacke. Aber, dass es auch sehr teuer ist (63 Milliarden Euro im Jahr), ist enorm wichtig zu wissen. Ich würde mir wünschen, dass man sich aus diesem gemeinsamen Vortrag mitnimmt, wie das Patriarchat uns alle beeinflusst – eben auch das Denken von Frauen über Frauen oder andere weiblich konnotierte Dinge. Dass realisiert wird, dass das internalisierte doch stärker ist, als man denkt und weiß, dass man dagegen etwas tun kann.

Und generell glaube ich, dass diese toxischen Aussagen auf Social Media leider oftmals eine Trotz-Reaktion sind. Wenn Du jetzt den Fernseher anmachst, dann sieht Du schwarze Menschen, behinderte Menschen, diverse Menschen. Man sieht Menschen, die Menschen lieben und nicht nur Männer, die Frauen erobern. Obwohl Männer, Frauen und diverse Menschen, die Diversität ausleben, meist weniger als 20 Prozent der Gesellschaft ausmachen, werden sie häufig bereits als "Überhand" wahrgenommen. Und das erschrickt, glaube ich, diese sehr konservativen, im Patriarchat gefangenen Menschen. Ich sag' extra nicht nur Männer. Wir sind alle im Patriarchat sozialisiert und haben dementsprechend viele Dinge internalisiert.

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Da ist natürlich die erste Reaktion Angst und Ablehnung. Das heißt nicht unbedingt, dass diese Menschen von Grund auf böse und gemein sind. Das sage ich auch nie. Aber das spiegelt einfach eine Unsicherheit wider, die sich in Diskriminierung ausdrückt.

Tara-Louise Wittwer (32) hat schon länger nichts mehr in ihrem Instagram Feed gepostet. Dass deswegen auch die Zahlen sinken, mache ihr zu schaffen.
Tara-Louise Wittwer (32) hat schon länger nichts mehr in ihrem Instagram Feed gepostet. Dass deswegen auch die Zahlen sinken, mache ihr zu schaffen.  © Screenshot Instagram/ Tara-Louise Wittwer (wastarasagt)

Sind Plattformen wie TikTok und Co. schon längst verloren?

TAG24: Zum Abschluss: Auf der Bühne warst Du eher pessimistisch gestimmt. Wie können wir Frauen verhindern, uns von diesem toxischen Trend beeinflussen zu lassen? Aber auch: Was können Männer generell dagegen tun? Wie können wir die Welt in dieser Hinsicht ein bisschen besser machen?

Tara: Ich muss ehrlich sagen, auf der Bühne eben war ich eher pessimistisch, aber das ist irgendwie mein Charakter. Ich bin Realistin. Aber: Es tut sich schon viel. Wenn ich auf TikTok bin, sehe ich viele sehr junge Frauen, die sich gegenseitig unterstützen. Die sich nicht fertig machen und gut zueinander sind.

Es gibt immer wieder TikTok-Trends, bei denen man über die Neue oder die Ex des Ex-Freundes lacht, aber die Kommentare lauten dann wirklich zu 90 Prozent: "Andere Frauen runterziehen, das machen wir nicht!". Da bin ich wirklich sehr stolz auf die Generation nach mir. Ja, auch auf meine Generation – wir versuchen es auch. Wir haben es nur anders eingetrichtert bekommen, mit Bravo Girl oder so. Ich bin da generell wirklich guter Dinge. Ich meinte auf der Bühne auch eher dieses Gesamtgesellschaftliche. Da muss noch viel passieren. Aber gerade hinsichtlich Social Media, bin ich eher positiv gestimmt.

Nicht nur am EMOTION Women's Day auf der Bühne und in ihren Reels beschäftigt sich Tara mit dem Thema toxische Männlichkeit. Auch in ihrem neuen Buch "DRAMAQUEEN" bespricht sie die offensichtliche und unterschwellige Abwertung von Weiblichkeit.

Titelfoto: Alice Nägle/TAG24

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